Berlin war vor 1989 die politischste Stadt Deutschlands, heute ist es die unpolitischste, ein Ort, wo die Leute so deprimiert sind, dass sie nicht einmal die Sprache für ihre eigenen Probleme finden.
Frank Berberich
Als der Herausgaber Frank Berberich 1988 die erste Nummer der Lettre herausbrachte, stand die Berliner Mauer noch. Dagegen setzte diese Literaturzeitschrift das Bestreben nach Öffnung. Die innereuropäischen Grenzen sollten intellektuell überwunden werden, man wollte den kulturellen Reichtum der Nachbarn füreinander sichtbar machen und endlich auch den Blick über Europa hinaus auf die zunehmend globalisierten Weltverhältnisse lenken. Es zeigt sich seit einem viertel Jahrhundert, wie rein traditionelle Aktivitäten zu einer politischen Entwicklung führen können, weil die Menschen grenzübergreifend zusammenarbeiten. Das gemeinsame Organisieren entwickelt Fähigkeiten im Menschen, welche sie damals nicht ahnen konnten. Und dieser Geist ist auch heute noch erhalten. In der aktuellen Ausgabe findet u.a. sich ein Gespräch von Heinz-Norbert Jocks, daß er mit Stéphane Hessel wenige Monate vor seinem Tod führte, Héctor Abads plädiert begründet, warum das Projekt Europa nicht aufgegeben werden darf und Heinz Bude entlavrt den Begriff Generationengerechtigkeit als eine unbrauchbare Formel als Indiz eines verlorenen Zukunftsglaubens:
„Das Prinzip der Generationengerechtigkeit beruht auf der sehr schematischen und sehr naiven Unterstellung einer linearen Entwicklung der Welt. Nur bei dieser Unterstellung nämlich kann man ernsthaft glauben, daß Lasten und Zuwächse sich gleichmäßig entwickeln, so daß gerechte Kompensationen zwischen den Generationen möglich sind. Wenn jedoch die Sprünge, Kehrtwendungen und Auswüchse das normale im Lauf der Zeit sind, dann ist eine Gerechtigkeit zwischen den Generationen, die jeweils, wie Ranke gesagt hat, „unmittelbar zu Gott“ sind, undenkbar. Wir wollen natürlich, daß es unseren Kindern zumindest nicht schlechter geht, aber was das dann heißt, können wir nicht wissen. Denn die Welt, in der wir leben, ist, obwohl wir für sie Verantwortung empfinden, nicht immer dieselbe, sie ändert sich vielmehr von Generation zu Generation.“
KUNO verneigt sich vor dieser Herausgeberleistung, 100. Ausgaben in 25 Jahre, dass muß man erstmal stemmen.