Diese dokumentarischen Einsilbigkeiten entblößen ihr Wollen wie Exhibitionisten. Doch während wir letzteren den Mangel an Phantasie noch verzeihen mögen, sollte uns dieses Versöhnlichkeitsstatut in der Kunst weniger bestimmen. Wenn diese Epigonen bloßer Beschreibungsnöte uns zugleich die Zukunft der Kunst zeigen, spiele ich lieber wieder im Sandkasten meiner kindhaften Absichtlosigkeit. Man kann den Teufel der bloß merkantilen Kunstvermarktung nicht mit dem Belzebub künstlerischer Sozialarbeit austreiben. Ersteres beutet zwar möglicherweise die Phantasie aus, doch letzteres besetzt sie wie eine Planstelle sozialistischer Einheitswerte. Betroffenheit als Lösungswort kreativer Rätselaufgaben, Spiegelungen von längst Gespiegeltem, die Dampflok dieser schwermütigen Zeitchronisten stampft weniger mit dem Charme der Nostalgie als beladen mit dem Ballast von längst Erledigtem. Ich pfeife drauf, soll sich die Kunst doch wieder vor dem verneigen, was sie seit jeher umlagert wie eine aus sich selbst wachsende Bedrohnis. Jeder Feldherr hat bei seinen Schlachten eine zumindest strategische Phantasie entfaltet, der sich der bloßen Zeitforderung anschmeichelnde Künstler fechtet mit längst verbrauchten Waffen. Diese von jeglicher Kraft entblößte Weltsicht ödet mich an, ihre schwergewichtigen Köpfe schlagen beständig auf den Boden der ungeliebten Tatsachen, ohne dabei Funken zu entfachen, allenfalls Schweißtropfen ihrer intellektuellen Übergewichtigkeit hinterlassend. Auf diesen rutscht noch nicht einmal eine Schnecke aus. Um ein Symbol zäher Bemühtheit zu bemühen. Nun, der Markt gibt ihnen recht, und sind sie noch so schlecht. Übrigens unterscheiden sich diese Dokumentaristen der Trübsal voneinander wie eine Mehrlingsgeburt. Geben Sie mir ein Glas Wein, allein der Gedanke daran trocknet mich aus. Gut, gut, ich verstehe Ihren Blick, Sie vermissen Sachlichkeit. Aber bei soviel dargestellter Sachlichkeit gerät meine Objektivität zur lästigen Hämorhoide. Über diesen trostlosen Acker grauer Gräulichkeit sollte sich die Muse mit ihren weiten Röcken hocken und ihn endlich bewässern. Nun, was ich mit all dem sagen möchte ist, daß mich der reine Dokumentarismus in der Kunst nicht interessiert. Basta.
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Schimpfen, von Peter Meilchen, Edition Das Labor, Linz, Neheim, Mülheim an der Ruhr 2013 – Die Erstauflage ist limitiert und mit einem Stempel versehen.
Weitere Werke von Peter Meilchen sind erhältlich über die Edition Das Labor.
Weiterführend → Mit einem Nachruf würdigt KUNO Peter Meilchens Lebenswerk.
→ Lesen Sie auch den Essay 50 Jahre Krumscheid / Meilchen über die Retrospektive im Kunstverein Linz und den Essay zum Buch / Katalog-Projekt 630.