Gesundbrunnen für jeden Stand

Trödelmärkte und modernes Buchantiquariat haben eines gemeinsam; man kann völlig ohne Erwartung dahin gehen, kann wühlen und sehen und wird meistens fündig, versucht zu handeln mit dem Händler. Der will dann allerdings meist nicht den Preis zulassen, den man bietet. Also bietet der erfahrene Kunde weit unter dem, was er zu zahlen bereit ist. Man einigt sich auf die Mitte, meistens jedenfalls. Der Händler nimmt das Geld mit fast beleidigter Miene entgegen. Fast wäre man versucht, doch noch einen Euro mehr zu geben. Nein, ganz sicher hat er seinen Schnitt gemacht, sonst wäre das begehrte Stück nicht über die Theke gegangen.

Aus einer Bücherkiste in der durch Krieg und vor allem die sechziger Jahre mehr verunstalteten als gestalten Siegstadt Siegen starrt mich ein solches Buch an. Es soll 2 Euro kosten, die Ansage ist deutlich, wer zwei draufschreibt, will einsfünfzig haben, nach dem Gebot von einem Euro geht der Handel ganz schnell über die Bühne, beide Seiten sind hier zufrieden, wahrscheinlich hätte der gute Mann das Stück auch für fünfzig Cent hergegeben. Für ihn hatte es keinen Wert. Ganz nach dem Motto; alles was verkauft ist, brauche ich nicht mehr nach Hause zu schleppen. Ich kenne das.

Hier sind es zwei verschiedene Paar Schuhe, das Habenwollen und der Preis. Sicherlich hätte ich auch mehr bezahlt.

Das Werk „Gesundbrunnen für jeden Stand“ von dem mir völlig unbekannten Michael Gölling ist purer Dadaismus. Er scheint aus alten Druckklischees neue Bilder mit völlig abstrusen Texten zusammen gesetzt zu haben. Auch das Papier (beiger Karton) und die Bindung (einfach mit langer Klammer geheftet) sprechen die Sprache einer fast willfährigen Ästhetik. Aber oder trotzdem zieht es mich in seinen Bann. Ich kann nicht sagen, was es sagen will, wann das Buch erschienen ist, scheint schon Jahrzehnte alt zu sein, nur die Druckerei ist genannt: Karl Pfeiffer´s Buchdruckerei in Hersbrück. Trotzdem sei es hier vorgestellt, nein, gerade deswegen.

 

Weiterführend → Zum Thema Künstlerbücher finden Sie hier einen Essay sowie einen Artikel von J.C. Albers. Vertiefend auch das Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus.

Die Künstlerbucher sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421