Ich bin der Märchenkönig und kein Frosch. Viel eher noch ein Schwan, Madame. Und hinter meinem Dachfenster rauscht ein Wasserfall. Dass ich viel lieber meine kleine Eichel in Knabenhintern oder Wagnerhintern steck, davon darfst du nichts wissen, Sisi. Schöne, rosa Queen. Komm, sei meine Schwulenikone. Ich bin auch nur ein klein wenig geistesschwach, eigentlich ist das nichts als Scham Zwang Angst Paranoia. Diese angebissene Seele, man kennt das ja.
Kaiserin Elisabeth, Gemälde von Franz Xaver Winterhalter.
Du aber hast dich entleibt, so wie es mir beliebt. Bist nichts als Lufthauch. Bist Geist neben einem knöchernen Körpergestell, androgyn. Bist schon verschwunden im aufgebauschten Nest deiner Haare. Das mag ich gern. Dein Geschlecht gibt es nicht. Umso mehr will ich es hochstilisieren. Meine Elfenkönigin Titania. Hinter meinem Dachfenster rauscht ein Wasserfall. Bau dir ein Boot mit Schwanenflügeln und Rosenhain. Komm puste mit mir die Sterne aus. Ich bin der Märchenkönig und kein Frosch. Und Macht hab ich. Sag ich: Ich will da ein Marmorbad- voilá. Ich bastle mir selber mein Sagendasein zurecht. Flink mal an der Realität gezupft, links und rechts, sie ein bisserl beuteln und lüpfen: Dann ist die Welt ein Elfenhain, nein. Den Ring des Nibelungen halt ich eng umschlungen in meiner marmornen Hand. Nur für dich, kleine Queen. Sisi, süße Kaiserin. Und diese Herzogin Sophie, mit der man mich andauernd verheiraten, die man mir unterjubeln will, die brauch ich gar nicht zwischen meinen weißen Fittichen. Unter uns: Ich will nur dich. Weil dir die Taille so schön abgebunden. Du zu einem kleinen welken Blatt zusammen geschrumpft. Nie wirst du satt sein, Sisi. Das gibt Raum, zu träumen. Und dass ich in diesen komischen Reitersoldaten da meinen Schwanz reingesteckt hab, davon soll nirgends was stehen. Ehrlich. Reite mit mir nach Hohenschwangau. Sei mein Alibi, mein ewiges heiliges Standbild, little Queen. Siehst du, da vorne? Da wächst aus einem Felsen ein heller Kristall. Mein Schloß. Mein Geglitzer. Nichts als Kinkerlitzchen für dich, liebe Sisi. Denn: du bist die einzige Königin. Titania. Du kannst dein ewiglanges Haar aus einem der Erker wallen lassen, als wärst du Lorelei. Oder Rapunzel. Und ich, ich bin der Märchenkönig. Und bin kein Frosch. Na los.
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Anmerkung der Redaktion: Sisi als Migrantin, Dichterin und kulturelle Grenzgängerin – Die Dichterinnen und Künstlerinnen Sandra Gugic, Augusta Laar, Judith Nika Pfeifer und Sophie Reyer haben für das SISI PROJEKT Texte und Briefe der Kaiserin Elisabeth „Sisi“ von Österreich, bearbeitet und in Videos, Remixes, Texten und Zeichnungen neue Lesarten zum Vorschein gebracht.
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Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier.
Ein Kollegengespräch zwischen Sophie Reyer und A.J. Weigoni findet sich hier.