(sagen wir: atemmoment / und du gehst über schwerelosigkeiten wie zufällig/ wühlen füße dir sand auf/ feingestäubtes das sich in der schweren luft verteilt und du perlst atem aus deinem mund der dir in den blick steigt/ luftanhalten sagen wir: so könnte er sich anfühlen der
erstickungstod wahnsinn und die hand vor den augen ist dir ein fremdkörper/ bleiches gespreizt und drückt sich die harte luft gegen deinen schädel die schläfen du kannst schon seit wochen nicht schlafen die schattierungen des himmels/ wattemeer gleich zerreißts dir-)
Wenn du ins Wasser tauchst werden die Geräusche dumpf. Wie in Watte gebettet. Deine Bewegungen in Zeitlupentempo. Dehnst dich ins Weite. Du schiebst die farblose Dichte weg von deinem Körper. Blasen steigen auf vor deinen geöffneten Augen. Gibst ein Gurren von dir, aus der Mitte der Kehle. Strampelst mit den Füßen das Wasser von dir weg. in weißlichen Wirbeln. Und das Auftauchen, Luft einsaugen. Der Fels auf der linken Seite. Steckt im Himmel, denkst du. Wieder eintauchen. Bewegst die durchsichtige Masse weg von deinem Körper. Zwischen dem Sand, den Kieselsteinen, ein Seestern. Die rot genuppelten Arme in alle Richtungen aufgespreizt. Du bewegst dich langsam hin zu dem Felsen, eine grobe Ausbuchtung, auf der Disteln wuchern, sternförmig. immer wieder Luftholen, bevor dir die Lungen platzen, rasches Auftauchen, über der Wasseroberfläche wird der Körper behäbig und schwer, du schnappst, lässt ihn wieder einsinken. Das Hämmern in Herzgegend. Kannst du die linke Hand noch bewegen? Strauchelst. Pustest den Sauerstoff in viele kleine Perlen. Aus dem Felsen wächst Moos. Luftbläschen hängen in den Algen. Manchmal zittert ein bunt gesprenkelter Fisch zwischen Bimsstein und Seegras. Du folgst ihm mit leichten Bewegungen bis zum Grund. Verwischst den Sand mit den hellen Zehen. er steigt auf. Senkt sich wieder. Du drückst dich an die Oberfläche, lässt dich treiben. Die trennlinie zwischen Meer und Himmel ein Berührpunkt in der Ferne. Spiegelungsangelegenheit denkst du. Keuchst. Die Sonnenstrahlen vom Wasser reflektiert. Stechen. Du reibst dir die Nase. in der linken Hand das Ziehen. Du schwimmst weiter und bis hin zum Berührpunkt, der Wölbung in der Ferne.
So muss sich sterben anfühlen. Das Herz hämmert dir bis ins Hirn, du möchtest es ausspucken und ins Wasser kotzen.
Später gehst du zurück in die Hotelanlage. Kauerst dich unter einen Sonnenschirm. Blick zum Pool- Du schlägst ein Notizbüchlein auf. Schreibst.
Santorini/ Thira, 9. November 2007, 12 Uhr 15: Fuck You oder mir sticht die Sonne den Rücken bis zum Brand. Füße plump vom Körper weggespreizt. Lieg ich auf buntgemustertem Frottier. Haben sich Haare aus dem Zopf gelöst. Zittern so in kleinen Strähnen. Auch Gräser wippen im Wind. Mein Schatten fällt auf Wiesengrün. Platschgeräusche vom Becken her. Schrill zwitschert eine Kinderstimme. Hoher Sopran.
9. November, 12 Uhr 30: Und ein Körper prallt auf der Wasseroberfläche auf dass es nur so klatscht. Und die milchhäutigen Mädchen mit der Spalte in Nabelgegend- süße Bauchmuskelschlankheit- tauchen die Zehenspitzen in Wasser. Rührn es um. Schlenkern umher. Auf die Handflächen gestützt. Kopf in die Schräge haltend. Und wenn ich denen die Schulterblätter ritzen würd mit büroklammerkleinen Spießchen.
9. November 2007, 12 Uhr 45: Ich leg den Kopf an den Oberarm Hitze wallt mir im Rücken, Luftzüge, brabbelt Kind, Luftzüge und am Bauch der weißliche Haarflaum kaum fühlbare Pelzschicht oder aber lass ich den Kokon doch zwischen Blättern
Handtüchern Zigarettenstummeln liegen und verfaulen: nämlich: schaut mich ruhig an oder: ich hab die buckeligste Nase die schneidet mir jeden Kitsch aus dem Puppengesicht (der Engelsfassade) und aus Nacktschnecken würgen sich Gedärme raus wenn ich so mit dem Fahrradreifen drüberflutsch nur wo ist die Spiegelscheibe an der ich wieder die Berührpunkte nachziehn kann mit den Augen Menschen auf dem Rücken liegend lesen sonnenprallgefüllt von den Balkonen der Betonhäuser (keine Plattenbauten, bedaure) schlenkern Handtücher oder Schlingpflanzen runter Stimmteppich Wassergeräusche Stimmteppich Menschengemurmel heb ich die Beine in die Höhe lass sie wieder runterklatschen aufs Handtuch wie schwer einem solche Beine eitern oder manchmal verknäuln sich die Stimmen in meinem Hirn dass ich mich in mich zusammenklappen möcht in eine Ecke stelln und dann einfach den Sprung ins Weiter wagen-
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Baby Blue Eyes von Sophie Reyer, Ritter Literatur, 2008
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