Mein Bruder Fridolin

Fridolin Wiplinger besuchte wenige Monate vor seinem Tod Heidegger und begann das Gespräch mit den Worten: »Was mich seit einiger Zeit umtreibt, ist der Anfang Ihres ›Briefes über den Humanismus‹ aus dem Jahre 1946.« Nach Heideggers Verweis auf »die Theoria bei den Griechen« erwiderte er: »Gerade wenn ich die Theoria im ontologischen Sinne festhalte, komme ich in die größten Schwierigkeiten; denn auch das ontologische Denken ist für mich zugleich praxisbezogen, freilich in einem höheren Sinne, insofern jetzt Praxis den christlichen Offenbarungsglauben meint.«

 

Wenn ich mich heute an meinen Bruder Fridolin erinnere und an ihn denke, aus jener großen zeitlichen Distanz heraus, in der ich mich jetzt in Bezug auf sein Leben und seinen Tod befinde, und dabei doch in einer gleichzeitigen Nähe dazu, weil im Alter das längst schon Gewesene näher rückt, und ich mich frage, wie er denn nun gewesen ist, mein Bruder, mein um sieben Jahre älterer Bruder, der Philosoph, der jetzt, wäre die Zeit auf seiner Seite stehen geblieben, nun mein um etwa dreißig Jahre jüngerer Bruder wäre, so gibt es auf die Frage nach seinem Sosein, nach seinem Wirklichsein, nach der Wahrheit seiner Person und seines Seins keine umfassende, endgültige Antwort für mich. Gleichzeitig weiß ich, daß jede Antwort auch von der Art und Weise der Fragestellung abhängt und von meiner Beziehung, die ich zu dem habe, wonach ich frage, dem ich nachfrage. Ich glaube, daß diese Erkenntnis das Wesentliche ist, was ich meinem Bruder und meiner Beziehung zu meinem Philosophen-Bruder zu verdanken habe; ob nun aus einer Beispielwirkung oder aus jener Konfrontation heraus, die uns, wenn überhaupt etwas, miteinander verbunden hat.

Es war das Fragestellen, das mir als etwas Gemeinsames im Gedächtnis geblieben ist, das unsere Beziehung gekennzeichnet hat, natürlich erst in den späteren Jahren. Es war in seltenen Fällen auch ein gemeinsames Fragenstellen in der Hoffnung und im Suchen nach einer Antwort, wobei stets das Fragen an sich das Wesentliche war, als ein Ereignis, als eine Methode, als eine Disziplin zugleich. Unser Fragen war voneinander unserem Wesen und unserer jeweiligen Position entsprechend sehr verschieden, ja geradezu konträr, sodaß sich daraus oft Spannungen ergaben, nicht immer angenehme, auch solche von sehr persönlicher Art. Er sagte einmal vorwurfsvoll wütend und in einem sehr heftigem Ton zu mir: „Du kannst überhaupt nicht denken!“ Und ich entgegnete darauf: „Und du kannst nur innerhalb eines, nämlich nur deines Denksystems (Aristoteles bis Heidegger) denken; du bist ein Gefangener eines Systems, deines eigenen Denksystems, du bist ein Gefangener der Philosophie.“ Diese Sätze fielen so ziemlich wortwörtlich, es handelt sich also um Zitate. Und dann ergab sich daraus ein Wortgefecht, bei dem wir beide sehr erregt und dann aufeinander wütend waren. Mein Bruder, so schien mir, glaubte, mit einem systematischen aber zugleich freien oder nach Freiheit (des Denkens) strebenden systemimmanenten Fragen zu einem Ziel, zu einer Antwort zu kommen. Ich hingegen, war da entschieden anderer Meinung oder war mir einfach meiner Ratlosigkeit und Hilflosigkeit bewußt. Mein Weg sollte in die Freiheit führen. Mein Denken sollte ein Befreiungsakt auf einem Befreiungsweg sein. Fridolin wollte die Erkenntnis, das Phänomen und Zusammenhänge bedenken. Und er wollte der Wahrheit auf den Grund gehen. Ich wollte darüber hinaus eine Veränderung, ja eine radikale Veränderung der Wirklichkeit des Menschen und der Welt.

Wir hatten also völlig verschiedene Zielsetzungen und auch Methoden, ja vor allem Beweggründe für unser Denken und Tun. Es ging also um vielmehr als um bloße Erkenntnis. „Das Erklären allein, wie alles zusammenhängt, interessiert mich nicht, ich will nicht nur allein aus dem Denkgefängnis herauskommen und mich befreien, sondern ich will vor allem die Befreiung aus einer sie unterdrückenden Wirklichkeit für alle jene Menschen, die von ihrer Wirklichkeit unterdrückt werden. So dachte und redete ich. Und Fridolin darauf: Das kann die Philosophie nicht leisten. Es geht nicht um Revolution. Mir schon, könnte ich erwidert haben. Solcher Art also waren unsere Konfrontationen. Und diese waren heftig, dauerten mitunter sehr lang, wobei sich das Konfrontationspotential oft blitzartig Schlag auf Schlag entlud, bis wir am Ende der Auseinandersetzung überdrüssig waren und es dann still war. Und dann knallte manchmal eine Tür ins Schloß, wenn wir uns voneinander trennten.

Wenn ich heute daran zurückdenke, tut es mir noch immer etwas weh und betrübt es mich, daß wir uns so wenig verstanden und mein Bruder so gar kein Verständnis, ja eigentlich auch nicht den von mir in Gedanken eingeforderten Respekt für mich aufbrachte. Er war ganz von seiner Art eingenommen, eben von seinem System vereinnahmt. Seine (Selbst-)Sicherheit im Denken erschien mir und empfand ich als überheblich, auch als persönliche Selbstherrlichkeit und als ein zugleich Gegen-mich-Gerichtetsein, das mich durch Geringschätzung verletzte. Beide waren wir Gefangene: Gefangene in uns selber, in unserer Denk- und Dingwelt, in unserer Lebenswelt. Und beide wollten wir uns befreien; ich dazu auch noch die anderen Menschen miteingeschlossen. Er glaubte, mit dem Denken und über Erkenntnisse ans ein Ziel und zu einer Antwort zu kommen. Ich plädierte für einen radikalen Befreiungsschlag, von dem ich nicht wußte, wie er sein könnte oder sollte, geschweige denn wie ich ihn ausführen könnte oder müßte; auch wenn es vorerst einmal nur um mich selber ging.

Für mich war die Intuition sehr wichtig; auch in Gegenwart von jedem analytischen Denken. „Schau dir doch dieses Bild an!“, sagte ich einmal zu meinem Bruder, als er bei mir auf der Bude war. „Glaubst du, der Maler hat sich nichts dabei gedacht, als er das Bild malte?! Auch dieses Bild ist doch ein Ergebnis seines „Denkens“, eines ganz anderen Denkens als dein, als euer philosophisches Denken. Die Intuition, der künstlerische Akt, das ist doch auch ein „Denken“, ein ganz anderes, eines auf einer ganz anderen Ebene, aber das führt auch zu einer Erkenntnis. Oder glaubst du, ein Bach, ein Mozart, ein Beethoven, ein Hölderlin, ein Trakl, ein Rilke, ein Van Gogh, ein Toulouse-Lautrec, ein Matisse, ein Rodin, ein Picasso haben mit und in ihrem künstlerischen Werk nichts von der Welt erfahren, verstanden und vermittelt? Was seid ihr Philosophen denn worauf so eingebildet?! Daß ihr allein die Wahrheit erkennt und vermittelt?! Und was haben wir dann von einer Erkenntnis der Wahrheit in einer Scheißwelt voller Ungerechtigkeit und Gewalt, voller Hunger und Krieg?!“ So etwa war mein wütender Ausbruch, als wir etwa 1962 vor dem Bild meines Maler-Freundes Valentin Oman saßen, das als eines der ersten aus meiner Kunstsammlung an der uns gegenüber liegenden Wand hing und das wir betrachteten; und das ich – im Gegensatz zu meinem Bruder – verstand. Es war das einzige Mal, wenn ich mich recht erinnere, worauf mein Bruder dann schwieg, keine Replik gab, sondern weiterhin und jetzt eingehender stumm das Bild an der Wand betrachtete. Und ich fühlte, wie er in einer gewissen Unsicherheit, ja vielleicht sogar Hilflosigkeit in sein Denken zurückkehrte, dorthin wo er sich daheim fühlte.

Ab diesem Ereignis begegnete mir mein Bruder Fridolin wie mir schien etwas anders. Die frühere Heftigkeit in der Auseinandersetzung mit mir war zukünftig etwas gemildert und die mich oft verletzt habende anscheinende Geringschätzung meiner Person war gewichen, hatte einer Einsicht und sogar einer gewissen Brüderlichkeit Platz gemacht. Wie ich von einem seiner Freunde (Adi Strunz) erfuhr, hatte er sich über meine ersten Gedichte, die in einer kleinen Publikation erschienen waren – wie mir schien: zum ersten Mal – sehr überraschend positiv und verwundert zugleich über mich geäußert. Er hätte mir „das“ nicht zugetraut. Jetzt, da ich eine von mir selbst gebrannte CD mit den Gedichten von damals und die Rezitation dieser Gedichte und den Kommentar von Paul Wimmer in meiner ersten ORF-Ö1-Sendung vom 31.5.1970 höre, und die Gedichte, wie ich es ausdrücke „noch immer halten“, begreife ich manches von dem mir jetzt in Erinnerung Gerufenen und Gesagten und auch dieses dann Anderssein meines Bruders zu mir, besser und verstehe es. In einem der Gedichte heißt es: „Den Dingen nachzukriechen, gefesselt an Händen und Füßen…“ Da haben wir es wieder: Dieses Gefangensein im (eigenen) Lebensgefängnis, das auch das Gefangensein im eigenen und in jedem systematischen Denken, in jedem Denksystem, in jeder Ideologie miteinschließt.

Jenseits der Worte oder diese begleitend, im Vordergrund oder im Hintergrund, und oft auch noch nach langer Zeit, gibt es Bilder; selbst dann noch, wenn man sich an Worte, an Gesagtes, auch an Ereignisse und an einmal Gewesenes in seinem Ablauf nicht mehr erinnert, nicht mehr erinnern kann. Aber die Bilder sind da, sind irgendwo in mir. Sie tauchen manchmal auf, wie Leuchtbilder, wie Inseln inmitten des Vergessens. Ich sehe ein solches Bild vor mir: Meine damals schon sehr alte, von einem Schlaganfall gelähmte und sprechbehinderte, manchmal schon über längere Zeit hin wie geistig abwesende Mutter liegt in einem weißen Raum im Krankenhaus von Haslach im Bett und ich sitze am Fußende ihres Bettes. Es ist am Abend eines sonnigen Herbsttag. Plötzlich sagt die Mutter mühsam stammelnd aber zu meinem Erstaunen in einem einzigen Satz, mit geschlossenen Augen, wissend daß ich da bin: „Damals…in Bozen…haben der Vater und ich…für dich…den Kerzenleuchter gekauft…“ Dann Schweigen und nur ihr mühsames Atmen. – Ein Bild im Gedächtnis haben. Keinen Gedanken denken. Nur ein Bild sehen, in sich selber. Das ist es, was lange noch bleibt.

Welche Bilder habe ich in mir, wenn ich an meinen Bruder Fridolin denke; welche hatte ich heute vor kurzem in und vor mir, als ich vor einer Stunde aufwachte, als mir dieser Bruder plötzlich im Halbschlaf ins Gedächtnis kam und ich mich an ihn erinnerte? Und mich spontan jetzt am Morgen hinsetzte und begann, diesen Text zu schreiben, der von Bildern begleitet ist.

Ich sehe uns im Morgengrauen den Marktplatz von Haslach hinuntergehen zum Onkel Jakob, der mit dem Lastwagen wartet, um uns und andere Reisende zum weit entfernten Bahnhof zu bringen. Wir drei Brüder, die wir nach den Weihnachtsferien 1949 auf dem Weg zurück ins (mir verhaßte) Internat des „Bischöflichen Gymnasiums Kollegium Petrinum“ in Linz sind, schleppen mühsam unsere Koffer; ich schleppe mich besonders ab. Der Friedl – so nannte man ihn in der Familie – schimpft mich schon wieder: „Immer packst du zuviel ein, schleppst du zuviel mit dir herum. Wenn andere, ich zum Beispiel, mit einem Bleistift auskommen, brauchst du zehn; aber zum Schreiben braucht man nur einen Bleistift. Ein anderes Bild: Ich suche meinen Bruder, er ist nicht im Studiersaal. Ich finde ihn im Kohlenkammerl. Er spielt hingebungsvoll inmitten von Kohlenhaufen auf seiner Geige, den Notenständer vor sich. Er hatte als ewiger Primus seiner Klasse und von den übrigen Mitschülern dadurch etwas distanziert – der anscheinend nichts lernen mußte, denn alles, was er auch nur einmal gehört hatte, verstand er sogleich und behielt es unauslöschbar im Kopf – schon damals im Gymnasium und auch in der Familie eine Sonderstellung: Er durfte machen was er wollte. Er war eine Begabung, ja ein Genie; sagte man schon damals. Man durfte ihn nicht stören, schon gar nicht, wenn er ein Buch las. „Der Friedl denkt, laßt ihn in Ruhe!“ – hieß es. Ich habe ihn nie auf dem Sportplatz gesehen. In seiner Freizeit las er Bücher, sich Notizen machend mit einem Bleistift in der Hand, oder spielte Klavier, Geige, Orgel, auch etwas Cello. Nur Schifahren tat er gerne. Und er liebte die Berge, das Berggehen, sehr. Aber auch das Reisen und fremde Städte, das Erlebnis des Neuen überhaupt. Und er liebte die Natur, die Landschaft, und hier vor allem die des Mühlviertels; seiner, unserer Heimat.

Viele Postkarten zeugen davon. Einige sind aus dem Nachlaß meiner Eltern in meinem Besitz. Er hatte eine innige Beziehung zu meinen Eltern, ganz besonders zur Mutter. Ein anderes Bild: Ich muß ihm eine Botschaft von Zuhause überbringen. Er kommt mir im schwarzen Talar im Priesterseminar entgegen, bleich und asketisch; für mich wie eine Erscheinung, nicht wie mein Bruder; unbegreiflich. Wiederum ein anderes Bild: Wir stehen gemeinsam mit den Eltern auf einer Aussichtsterrasse in einem Wallfahrtsort, vor und unter uns ausgebreitet die weite Landschaft. Der Friedl ist wie der Wirklichkeit entrückt in den Anblick der Landschaft versunken. In solchen Augenblicken verbietet sich jedes Gerede. Ein anderes Bild: Er sitzt am Klavier, am Flügel im „Schönen Zimmer“, wie wir es nannten, und spielt eine Mozart-Sonate. Er spielt sie anders als meine anderen Brüder. Er spielt sie durchdachter, völlig konzentriert, ja fast verbissen. Meine beiden anderen Brüder spielen sie leichthin, spielerischer, mit Freude und Schwung. Und noch ein anderes Bild: Wir sitzen in der Mensa der Katholischen Hochschulgemeinde in der Ebendorferstraße in Wien; gleich um die Ecke vom Neuen Institutsgebäude. Es ist schon gegen halbzwei Uhr. Der Friedl kommt immer zu spät zum Essen. Der Adi Strunz und ich warten schon auf ihn. Er kommt und fängt gleich zu reden an. Und redet und redet und merkt gar nicht was er ißt. Er hat und verfolgt einen Gedanken und den beredet er und beredet ihn das ganze Essen hindurch. Das war auch am Familientisch bei ihm in der Schwarzspanierstraße so; vor allem wenn mein Vater da war. Da ging es in seinen Gesprächen mit dem Vater immer um die Verbindung von Philosophie und Theologie. Mir gingen diese endlosen Gespräche und da vor allem der Bezug zum Katholischen immer sehr auf die Nerven. Und ich versuchte manchmal, sie zu unterbrechen, was den Friedl wütend machte. Und noch ein Bild, das letzte, das mir verblieben ist: Wir gehen mit seiner Frau und den beiden kleinen Kindern in den Weingärten bei Langenlois spazieren, ja wir rennen wie verrückt, jeder ein Kind auf den Schultern und laut singend– „Hoppa, hoppa Reiter, wenn er fällt, dann schreit er. Fällt er in den Graben, fressen ihn die Raben…“ – den Abhang hinunter, der Friedl wie in einem Taumel von Lebensfreude. Dann singt er: „Trink ma no a Flascherl Wein…!“ Und wir gehen zurück zum Weinkeller in der Kellergasse und er bestellt fast feierlich eine gute Bouteille. Und wir trinken den Wein bedächtig und schweigend – und wie ich es empfinde: zum ersten Mal friedlich miteinander – im letzten Abendlicht bei Sonnenuntergang. Und plötzlich ist so etwas wie Wehmut um oder in uns spürbar, unerklärbar nach der Ausgelassenheit knapp zuvor. Seine Frau und die Kinder spielen etwas entfernt von uns. Der Friedl schaut auf sie mit einem versonnenen Blick. Erst später, nach seinem Tod, war dieser plötzliche Wandel wie ein das Leben und den Tod verbindendes Geheimnis als ein Zeichen in mir. Es war unser letztes Zusammensein. Dann die Nachricht von seinem jähen Tod. Zusammenbruch einer bisherigen Ordnung. Das Unfaßbare mitten im eigenen Leben.

Noch ein letztes Bild: Der Friedl an einem Festtags-Sommermorgen. Elegant gekleidet, in hellem Anzug, mit Mascherl und Girardi-Hut, bereit zum Ausgang. Fröhlich, ja „ausgelassen“ – wie Vater das in seiner melancholischen Ernsthaftigkeit und Nach-innen-Gekehrtheit manchmal sogar mißbilligend nannte – kommt er von seiner Bude über die Verandastiege herauf und singt fröhlich: „Morgenrot, Morgenrot, leuchtest mir zum frühen Tod. Heute noch auf stolzen Rossen, morgen in die Brust geschossen. Morgenrot, Morgenrot, leuchtest mir zum frühen Tod.“ – Wie wahr! Wie schicksalhaft wahr wurde das für ihn; und auch für uns. Daraus eine Einsicht, die er schon damals hatte, die sein Tod und der unseres mit 23 Jahren tödlich verunglückten, in den Bergen abgestürzten Bruders Josef uns lehrte und vermittelte, nämlich diese: wie nah doch Tod und Leben einander sind, ja wie verbunden sie miteinander, ja wie sie eigentlich eine Einheit sind.

Wenn ich heute an meinen Bruder Fridolin zurückdenke und mich an ihn erinnere, so höre ich noch immer seine Stimme, so als würde er gerade neben oder hinter mir – oder ist es jetzt in mir? – etwas sagen; als wäre es ganz natürlich und etwas absolut Selbstverständliches, daß ich, obwohl er seit vierzig Jahren schon tot ist, diese seine Stimme höre, seinen Stimmklang, seine Sprechmelodie. Etwas Eigenartiges, etwas Schönes, etwas Bemerkenswertes, etwas das zu denken gibt, ein Phänomen also! Und eine Frage, die sich daraus ergibt: Warum ist das so? Aber bringt uns eine Antwort auf diese Frage wirklich irgendwohin weiter? Und wenn ja, wohin? Gibt es eine Antwort über den Tod hinaus? Die Einen sagen: ja, die Anderen sagen: nein. Wer hat recht? Oder geht es da gar nicht (mehr) ums Rechthaben? Ich glaube, wir müssen uns damit zufriedengeben oder besser gesagt: diese höhere Einsicht haben, die man als Formel so ausdrücken kann: Es ist eben wie es ist. In dieser Erkenntnis und Akzeptanz, treffen sich vielleicht alle Verschiedenheiten, treffen Wirklichkeit und Wahrheit zusammen. An dem Punkt, wo man nicht mehr weiterweiß, weil man nicht mehr weiterkommt. Man kann es nennen wie man will: Wahrheit oder Geheimnis. – „Denn stark wie der Tod ist die Liebe….“ heißt es. Das wäre noch zu bedenken. Oder doch noch besser: das einfach zu leben!

 

 

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Wiplinger Peter Paul 2013, Photo: Margit Hahn

Über den dezidiert politisch arbeitenden Peter Paul Wiplinger lesen Sie hier eine Würdigung.