freundschaften blassen
nabel verschieben sich
gewisse ereignisse gewichten nächte
manche erleichtern tage
musik dringt in mich gelegentlich
aus mir gesang
poesie ergreift mich in der
bewegung die jahrzehnte dauert
spielbeine spielen standbeine
müdigkeiten variieren schmerzen
wandern einzig die grippe fühlt sich
an wie eine alte bekannte
auch die zuwendung
der mücken
im sommer bleibt
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links wenn sie träumt, Gedichte von Joanna Lisiak. Edition 8, 2016
Zu einem Fest der Sinne laden uns Joanna Lisiaks Gedichte ein: Es locken Bilder wie ›warmes Brot auf die Augen legen‹, ›der Libelle beim Trinken zuhören‹ oder ›sich knoten‹. Das ganze Spektrum der Wahrnehmung ist vertreten und schafft ein Universum, wo sich ›Freudemoleküle verbreiten‹ oder ›mit dem Lesebändchen im Haar Tango getanzt‹ wird. Was auf den ersten Blick leicht, zuweilen fast lieblich wirkt, entpuppt sich als tastendes Fragen nach dem Sein. Unerwartete Pointen und eine leicht schräge, irritierende Wortwahl fassen das Inszenierte unseres Lebens. Die Autorin verschafft der Sehnsucht nach einer Wirklichkeit, die unserem Wesen gerecht wird, auf wenigen Zeilen Raum: dem Undefinierten, dem Knospenden, dem Traum. Für die Lyrikerin typisch ist dabei, dass der Tiefsinn mit Humor durchgespielt wird. Das Ergründen des Alltäglichen und Menschlichen dehnt sich sogar auf die Welt der Gegenstände aus und beseelt sie in heiterem Animismus. Möglich wird diese magische Welt durch die Macht des Wortes. Bewusst rückt in Joanna Lisiaks Poesie die Sprache immer wieder in den Vordergrund: Sie hält einen Moment fest, verdinglicht, spielt vor unseren Augen mit dem vermeintlich Altbekannten und staunt.
Weiterführend →
Gedankenstriche von Joanna Lisiak, Kulturnotizen 2016. Lesen Sie auch das Porträt der Autorin und das Kollegengespräch zwischen Sebastian Schmidt und Joanna Lisiak. KUNO verleiht der Autorin für das Projekt Gedankenstriche den Twitteraturpreis 2016. Über die Literaturgattung Twitteratur finden Sie hier einen Essay.