Wenn ich gleich einschlafe, sagt Schlange, bin ich dann nicht mehr da, oder bist du nicht mehr da, oder sind wir alle beide weg?
Wenn ich wach bleibe, sagt Arthur, bin ich da, aber du siehst mich nicht, und du siehst dich selbst nicht, für dich sind wir alle beide weg, aber das merkst du nicht, und du wirst deswegen nicht traurig werden.
Und wo bin ich?
Du bist für mich da und doch nicht richtig da.
Seltsam, sagt Schlange, dann ist das alles eine Frage der Sichtweise?
Ansichtssache, sagt Arthur. Wenn du weg bist, streiten wir uns übrigens nicht.
Wenn du weg bist, sagt Schlange, streite ich mich auch nicht.
Gut, sagt Arthur.
Arthur, bist du froh, wenn ich schlafe?
So froh, sagt Arthur, wie wenn ich selbst schlafe. Es muss sein.
Erholst du dich dann von mir?, fragt Schlange.
Wie man’s nimmt, sagt Arthur, ich erhole mich genauso von mir selbst.
Was ist, wenn du auch schläfst?
Wenn ich nachher auch schlafe, sehen wir uns beide nicht, wir sind dann beide weg, sagt Arthur.
Obwohl wir doch für andere noch da sind?
Wenn wir nicht merken, dass wir leben, sind wir tot, sagt Arthur.
Ist das die große Erholung?, fragt Schlange.
Ja, sagt Arthur, schlaf ein!
Gute Nacht, Arthur.
Lebe wohl, Schlange.
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Arthurgeschichten von Ulrich Bergmann. KUNO 2017.
Als intensiver Beobachter verfügt Ulrich Bergmann über die Begabung, noch die alltäglichsten Details in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken, um etwas über das Leben und die menschlichen Beziehungen zu erzählen. Er nennt seine Kurzprosa ironisch „gedankenmusikalische Polaroidbilder zur Illustration einer heimlichen Poetik des Dialogs“. Wir präsentieren in diesem Jahr auf KUNO alle Arthurgeschichten und warnen Sie: Ähnlichkeiten mit Lebenden oder Toten oder lebenden Toten sind zufällig, rein zufällig, absichtlich zufällig, zufällig absichtlich, rein absichtlich und nichts als die reine Absicht.
Weiterführend → Lesen Sie zu den Arthurgeschichten den Essay von Holger Benkel. – Eine Einführung in Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier.