DER KLAVIERSPIELER

 

ich habe eine wurst in der hand, die ich erst hin und her drehe und dann mit einem küchenmesser zerschneiden will. doch als ich das messer ansetze, ist sie verschwunden, so daß ich mir die eignen finger abtrenne, die sofort über den tisch davonlaufen. unvermittelt steht eine schwarze gestalt vor mir, ich aber bin ein klavier. und der fremde holt aus seiner manteltasche meine finger hervor, spreizt sie knackend, klappt meinen brustkorb wie einen klavierdeckel auf und beginnt mit meinen fingern zu spielen, daß mir unter seiner hand die brust vibriert, als wolle sie zerreißen. zunächst die dunklen schläge, die nachhallen wie dumpfer donner, und darauf die hellen töne. und so fort im steten wechsel, ohne ende und nuancen und entsetzlich schrill.

 

 

***

traumnotat aus reise im flug, von Holger Benkel, Verlag blaue Äpfel, Magdeburg 1995

Weiterführend

In einem Kollegengespräch ergründeln Holger Benkel und A.J. Weigoni das Wesen der Poesie – und ihr allmähliches Verschwinden. Das erste Kollegengespräch zwischen Holger Benkel und Weigoni finden Sie hier.

kindheit und kadaver, Gedichte von Holger Benkel, mit Radierungen von Jens Eigner. Verlag Blaue Äpfel, Magdeburg 1995. Eine Rezension des ersten Gedichtbandes von Holger Benkel finden Sie hier.

meißelbrut, Gedichte von Holger Benkel, mit siebzehn Holzschnitten von Sabine Kunz und einem Nachwort von Volker Drube, Dr. Ziethen Verlag, Oschersleben 2009. Eine Rezension finden Sie hier.

Gedanken, die um Ecken biegen, Aphorismen von Holger Benkel, Edition Das Labor, Mülheim 2013

Essays von Holger Benkel, Edition Das Labor 2014 – Einen Hinweis auf die in der Edition Das Labor erschienen Essays finden Sie hier. Auf KUNO porträtierte Holger Benkel die Brüder Grimm, Ulrich Bergmann, A.J. Weigoni, Uwe Albert, André Schinkel, Birgitt Lieberwirth und Sabine Kunz.