Hör-Spielen gegen das Reglement

Der Rundfunk hat die Literatur zu einem stummen Gebiet gemacht.

Alfred Döblin, 1929

Ein Blick zurück: 1991 legen A. J. Weigoni und Frank Michaelis in Zusammenarbeit mit den Schauspielern Marion Haberstroh und Kai Mönnich die zum Schlagwort gewordenen Literaturclips beim Dortmunder Label Constrictor vor. Diese Titelgebung ist reinste Camouflage, gleichzeitig markieren die zwischen 1991 entstandenen LiteraturClips und den bis 1995 entstandenen Top 100 den Höhepunkt und die wahre Sprengung der sogenannten Pop-Literatur.

Es ist die Sehnsucht der Popkultur, sich in Referenzen auszudrücken.

Ein Blick in die Gegenwart: 2017 erscheint die akustische Anthologie „Novelle CD für Experimentelles“, sie ist nach Auskunft des Herausgebers Daniel Ableev: „eine Avantgarde-Anthologie mit wilder Genre-Mischung.“ Herausgekommen ist „ein Kessel buntes“, der sich vor dem – wenn man so will – Vorläufer Urban Electronic Poetry nicht verstecken muss. Auf dieser CD finden wir Audiotracks aller Genres und Gattungen: Popsong, Ning-Nong, Hörspiel, und Flattersounds. Darunter abwegiges wie „.. tot aus dem Wald“, eine Ein-Mann-Band voller Hass und Abscheu, die man nur so ernst nehmen sollte wie Rainer Brandts Dialoge. Oder Krautjunge Unitra mit „Bad Acid Trip“. Sie haben sich quasi unter den Zeltschrägen eines gemeinsamen Umschlages zusammengefunden, doch bilden die Künstler dieses Projekts keine einheitliche Gruppe. Es gibt keinen gemeinsamen arspoeticagleichen Ansatzpunkt als den, Literatur anders einzuordnen, um schließlich eine Art literaturkritischer Mutation hervorzuzaubern. Eben durch die Unterschiedlichkeit der Texte, durch die Unvereinbarkeit der gezielten Darlegungen und dank dieser Inkompatibilität wird an den Autoren die gegenwärtigen Lage der kulturellen Gesellschaft deutlich. Diese  Artisten machen sich daran mit dem Klangmaterial – der Sprache – aber auch den festgefahrenen Erwartungen an Hörspielproduktionen, umzugehen. Es ist ein Hör-Spielen gegen das Reglement: Anti-Literatur, im besten Sinn!

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Novelle CD für Experimentelles, Herausgeber: Daniel Ableev, 2017

KUNO-Kenner wissen um die Trash-Vorlieben der Redaktion. Diese ersteckt sich von der Godmother des Hardrock über Gossenhefte und schreckte auch vor Heino nicht zurück. Daher ein Hinweis auf diese CD für Experimentelles die der freie Seltsamkeitsforscher Daniel Ableev herausgegeben hat.

Weiterführend →

In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen. Der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Außerdem sei Enno Stahls fulminantes Zeitdokument Deutscher Trash ebenso endrücklich empfohlen wie Heiner Links Vorwort zum Band Trash-Piloten.