LIED EINES ARBEITSLOSEN III

 

Entlassen! papiere und abgestellt

vom werk um den kündigungsschutz geprellt

arbeitslos bist du ein dreck

Nimmst neue stelle nicht? sperre   kein geld

Zwei stunden fahren? ist nicht die welt

So schicken sie dich wieder weg

Geschoben von einem zum andern betrieb

Kannst du nicht umschulen? jahre! ein hieb

zum alteisen   bleibst du nicht dran

Oder zieh um sonst fällst du durchs sieb

Ich weiß nicht wo meine selbstachtung blieb

bin gestraft daß ich arbeiten kann

Wohnung im mietkauf im dreizehnten jahr

bist du im rückstand? stotterst in bar?

das werden wir ja sehn

Sozialamt? aber es ist ja nicht wahr

Die warten auf dich? zu viele die da

schon lange schlange stehn

Soziales netz? wird jetz abgebaut

Pflicht getan? nun schreit nicht so laut

ihr seid dabei nicht gefragt

Moment mal   den damm der das wasser staut –

habt ihr ihn gebaut die ihr notstand braut?

wer schreibt der bleibt   wie gesagt

Man zieht sich zurück und das schermesser kreist

dieweil man das gürtelverengern preist

und die bonzigkeit wird noch mal feist

Kollege merkst du nix? es heißt

daß teufel dicksten haufen scheißt

so lang nicht die börse verwaist

 

 

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Rohlieder I – X von HEL

HEL ist bekannt als Herausgeber neuer Talente im „literarischen Underground“ und Publizist gesellschaftskritischer Lyrik sowie Essays. Nach dem Zyklus Zeitgefährten, die zwischen 1977 – 2008 entstanden sind, veröffentlicht KUNO die Reihe Rohlieder I – X, die dank Caroline Hartge neu ediert worden sind. In diesen Gedichten spürt HEL das Existenzielle im vermeintlich Banalen auf. Er hat es hat es nicht nötig, Fiktion zu erfinden … die Fiktion existiert bereits.

Weiterführend →

Eine Würdigung von HEL findet sich hier. Eine faszinierend langer Briefwechsel zwischen Ulrich Bergmann und HEL findet sich hier. Zur Lyrik von HEL findet sich hier ein Rezensionsessay von Holger Benkel. Eine Hörprobe des Autors findet sich auf MetaPhon.