Die Chronik dieses Tages

von bestenfalls 31 Tagen dieses einen Monats von immer der gleichen Anzahl von Monaten von bestenfalls 100 Jahren in einem Leben. Früher Morgen dieses einen Tages und von allen in ihm  enthaltenen Möglichkeiten sind wieviel, zu dieser Stunde schon, vereitelt vom Sterben und wieder enthalten in neuem Leben. Hier, das heißt: zwischen dem … Längengrad und dem … Breitengrad, Hochdruck, Bundesrepublik Deutschland, Nordrhein-Westfalen, Bonn, die Wasserstands-meldungen, der Wasserstand des Rheins bis heute morgen, der Mosel, des Mains, der Weser, der Elbe, der Saar, des Neckars, der Donau … heute ist Donnerstag, der 6. Tag im 5. Monat des 1971. Jahres der Zeitrechnung, einer von vier Donnerstagen im Mai … das Licht ist sehr hell, es ist warm, die Apfelbäume blühen, wir haben das Gefühl, dass dieser Tag nicht vorübergeht, dass das Licht immer so hell bleiben wird, die Temperatur immer gleichbleibend warm, die Apfelbäume immer so blühen; wir haben gleichzeitig das Gefühl, dass unser Gefühl uns täuscht, wir sind im Bewusstsein der Täuschung, wir haben das Bewusstsein von Schmerz, auch er eine Täuschung. Das helle Licht, die Wärme, die blühenden Apfelbäume, das Bewusstsein von Freude und Schmerz: eine ungetrübte Empfindung, von der wir wissen, dass sie uns nicht mehr verlässt

 

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Vom Raben was, von Arthur Breinlinger, KUNO 2018

Arthur Breinlinger versucht das Vergehen der Zeit mit den Mitteln der Kunst zu vergegenwärtigen. Er beschreibt die Komplexität angenehm schlicht, ohne sie zu reduzieren. Dieser Autor hat die Lizenz zum Fiktiven, das Ausfantasieren und Tagträumen, und sich die Freiheit genommen mit Vom Raben was in einem Zyklus von Prosakunststückchen zu erzählen. Annäherung an die Poesie ist bei ihm mehr als eine literarische Technik, es ist eine Grundbewegung des Lebens.

Weiterführend → Eine Einführung von Ulrich Bergmann zum Zyklus Vom Raben was lesen Sie hier.