Vorbemerkung der Redaktion: Das Kultusministerium NRW unterstützt die Arbeit an diesem Roman mit einem Arbeitsstipendium. Denis Ullrich lag ein Handexemplar vor, er hat einen Rezensionsessay verfaßt – und ein Epigraph von Carl Zuckmayer vorangestellt:
Vom Rhein. Von der großen Völkermühle. Von der Kelter Europas! Und jetzt stellen Sie sich doch mal Ihre Ahnenreihe vor – seit Christi Geburt. Da war ein römischer Feldhauptmann, ein schwarzer Kerl, braun wie ’ne reife Olive, er hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht. Und dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie, das war ein ernster Mensch, der ist noch vor der Heirat Christ geworden und hat die katholische Haustradition begründet. – Und dann kam ein griechischer Arzt dazu, oder ein keltischer Legionär, ein Graubündner Landsknecht, ein schwedischer Reiter, ein Soldat Napoleons, ein dersertierter Kosak, ein Schwarzwälder Flözer, ein wandernder Müllersbursch vom Elsass, ein dicker Schiffer aus Holland, ein Magyar, ein Pandur, ein Offizier aus Wien, ein französischer Schauspieler, ein böhmischer Musikant – das hat alles am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen und gesungen und Kinder gezeugt und der Goethe, der kam aus demselben Topf, und der Beethoven, und der Gutenberg, und der Matthias Grünewald, und – ach was, schau im Lexikon nach. Es waren die Besten, mein Lieber! Die Besten der Welt! Und warum? Weil sich die Völker dort vermischt haben. Vermischt – wie die Wasser aus Quellen und Bächen und Flüssen, damit sie zu einem grossen, lebendigen Strom zusammenrinnen. Vom Rhein – das heißt: vom Abendland.
Die Verdunstung und Verdichtung des Ich geschieht im Rheinland am Tresen eines Brauhauses. Es geht bei diesen Lokalhelden um das Vergehen der ruckelnden Zeit, die in der Bonner Republik eingefroren erscheint. A. J. Weigoni sucht das Beispielhafte im Alltäglichen und bringt dem Leser die Besonderheit der Rheinländer als letztlich unergründliches Geheimnis nahe. Nach der epischen Gesellschaftserkundung in Abgschlossenes Sammelgebiet widmet sich der Schriftsteller einem scheinbar vertrauten Terrain: der Heimat. Im Rheinland bündeln sich wie in einem Brennglas viele jener Probleme, welche die bundesdeutsche Gesellschaft und damit, zeitverzögert, jede moderne Gesellschaft auseinander treiben. Zunächst steht die Bonner Republik für den melting pot Deutschland, wo die verschiedensten ethnischen Gruppen aufeinandertreffen, alle bestrebt, von dem versprochenen Wohlstandskuchen einen Teil abzubekommen, aufzusteigen auf der sozialen Sprossenleiter und trotzdem noch etwas zu bewahren von der Eigenheit des Herkunftslandes – wenn sich auch diese zuletzt nur noch in einer verschwommenen Vorstellung von Rasse und Blut manifestiert, einer immer mehr an Bindungsfähigkeit verlierenden Zielvorstellungen.
Das Leben einfangen, wo es ist. (Jean-Luc Godard)
Dieser Schriftsteller besteht auf absoluter Zeitgenossenschaft, die es nur in der Gegenwart, in einem physischen unmittelbaren Dabeisein geben kann. Weigoni ist es gelungen mit sprachlichen Extravaganzen Farbe und Authentizität zu erzeugen und das chaotische und zersplitterte Daseinsgefühl des Rheinlands zu verschriftlichen. Er zerlegt die Wirklichkeit in aufregende Details, in den Dialekt und in Klänge. Dabei beweist er Sinn für dramatische Verzögerungen und spannungsreiche Effekte, was die Lektüre dieser beinahe schon soziologisch angehauchten Status-Burleske vergnüglich macht. Eigentlich geht es in den Lokalhelden um die gleichsam erkenntnistheoretische Frage, wie sehr Herkunft und Interessen die Einstellung zur Realität bestimmen und welche Rolle die elektronischen Medien dabei spielen. Wie lesen ein Sittengemälde, das Einblicke in die Regeln einer Gesellschaft erlaubt, die Freiheit verspricht und strikte Rollenvorschriften kennt. Weigoni gelingt es, seine spezielle, geradezu als schmerzhaft empfundene Nähe zum Ort und zu den Figuren in eine andere Art von Heimatroman umzusetzen. Ein Ansatz, der sich von der versöhnlerischen Süßlichkeit der Vorabendserien genauso absetzt wie vom pathetischen Edgar Reitz’schem Gestus der „großen Erzählung“. Die Modernisierungsverlierer blieben im Rheinland auf der Strecke und suchen Schutz in einer negativen Übersetzung des Lokalen, das Identität innerhalb nationaler und ethischer Grenzen verspricht. Weigoni plädiert demgegenüber für eine Rückbesinnung auf ein Lokales, das die Welt nicht ausschließt, aber die Verbundenheit mit dem Boden ermöglicht. Lokalhelden ist ein Heimatroman, der über den Erzählhorizont hinausweist.
„Nä, watt bin ich für ’ne schöne Leich“. (Schneider Wibbel)
Mit voller Wucht schreibt Weigoni seit 30 Jahren gegen die Verhältnisse an und macht es auch nun wieder, in dem begründeten Wissen um die Unwiderstehlichkeit der Poesie. Sein Sprachstil ist bildlich, kreativ, anschaulich und eloquent, die Sätze der Lokalhelden sind lang wie ein scheinbar unaufhörlicher Redefluss, ihre Nutzung der Interpunktion ist ebenso gehaltvoll wie seine Metaphern und Vergleiche. Die Definition des Gattungsbegriffs Roman wird seit Jahrhunderten immer wieder über den Horizont ausgedehnt. Frühestes Beispiel dafür ist Tristram Shandy der Mitte des 18. Jahrhunderts erschien, Laurence Sterne verzichtet darin auf einen roten Erzählfaden. Der Erzähler berichtet von irgendeiner Begebenheit, die einen anderen dazu bringt, etwas Ähnliches zu erzählen und so weiter. Dies führt zu einer schier endlosen Zahl von Verknüpfungen – ständig kommt der Leser vom Holz zum Stock, vom Stock zum Stöckchen. Und dies auf sehr unterhaltsame Weise. Wie Sterne ist auch Weigoni nicht nur ein begnadeter Erzähler, sondern auch ein Meister der Zweideutigkeiten. Auch die Rheinländer haben alle Marotten und diese haben sie von Beginn bis Ende des Romans. In einem klassischen Entwicklungsroman fände ein Lernprozess statt mit anschließender Läuterung der Figur statt. Weigoni karikiert keine der Figuren, sondern macht sie liebenswert, weckt Verständnis für ihre Ticks. Es sind ihre Handlungen, die er aufs Korn nimmt.
Ich hasse das dudeske … so spricht heute noch kein Mensch! (Arno Schmidt)
Die Bonner Republik taugt nicht mehr, aber das Rheinland ist alles, was diese Typen haben. Die eigentliche Geschichte des Romans spielt abseits der Verfallsgeschichte der alten Bonner Republik. Es ist eine Abrechnung mit der BRD, eine, die mit Zuneigung zu den Rheinländern geschrieben ist. Wir lesen Sub-Geschichten, die mit grosser Wucht erzählt sind, andere Figuren blicken mit abgeklärter Lakonie auf das Leben. Weigoni entlockt den Protagonisten tief verborgene Emotionen und enthüllt so mit einem Schlag und analysiert die menschliche Natur auf markante Weise, er seziert erbarmungslos die Verlogenheit der alten BRD. Das Verweben, Gegeneinanderstellen und Abwägen all dieser Einflüsse und Stile ist auch Ausdruck einer Revision des Identifikationsbegriffs. Das Serielle der Erzählkonstruktion unterstreicht das ins Unverbindliche abdriftende Nebeneinander der Rheinländer. Wir begegnen einem unerwartet subversiven Unterton, der bisweilen ebenso rebellisch anmutet, wie die counter culture-Ideen der kanonisierten Klassiker. Wesenseinheit bedeutet für die Rheinländer nichts, was sie haben oder sind, sondern, was sie werden, indem sie es tun. Was dieses Verständnis im Gegenzug anbietet, stellt Identität viel eher in Frage, als sie vorauszusetzen. Wesentlich ist Rheinland ist Vielheit, nicht Einheit, und mithin stellt sich die Frage nach so etwas wie kultureller Essenz erst im Dialekt. Weigoni erspürt den richtigen Sound dieser Population intuitiv. Man könnte sagen, das rheinische produziert notwendigerweise einen ästhetischen Überschuss, es ist ein Strudel der Möglichkeiten, hier schauen wir mitten hinein. Die Lokalhelden strotzen nur so vor Worterfindungen, Sprachspielen, parallel montierten Textsorten. Sein Schreiben ist furchtlos, das Scheitern scheint er jeweils einzukalkulieren.
Wo gehn wir denn hin? – Immer nach Hause. (Novalis)
Heimat ist kein menschliches Grundbedürfnis. Entwurzelung ist nach dem 9. November 1989 eine Befreiung, wie Weigoni bereits in seinem ersten Roman beschrieb, ist die alte BRD ein Abgeschlossenes Sammelgebiet. Die Bonner Republik lässt sich folglich als historisches Prisma verstehen, durch das hindurchgeblickt sich eine neue und verschobene Ansicht auf die deutsche Geschichte seit 1945 ergibt. Im Rheinland war Vereinsamung ein prägendes Gefühl der Nachkriegszeit, Weigoni untersucht das Modell der Selbstwerdung, wie der Rheinländer tickt, wie er mit seinem Geworfensein in die nach dem 9. November 1989 umgeht. Die als zeitgeschichtliche Zäsur empfundene Wendemarke brachte auch im Rheinland eine härtere Gangart zu Tage. Weigoni hat dafür eine Sprache gefunden, mit authentischen Dialogen, bestechenden rheinischen Menschenbildern, alternierenden Erzählperspektiven und einer zupackend präzisen Sprache. Lokalhelden ist ein gewitztes Buch über den Untergang der Bonner Republik, eine gesellschaftspolitische Parabel und eine hintergründige Reflexion über das Selbstverständnis von Heimat. Die Rheinländer suchen Zuflucht zum Althergebrachten. Deterritorialisierung ist im wiedervereinigten Deutschland die einzige Möglichkeit, der Verortung im erdrückenden System der ideologischen Bedeutungen zu entkommen. Posthistoire bedeutet nicht, dass es gar keine geschichtliche Bewegung mehr gibt. Es ist ja nicht vorbei, es gibt nur endlich mal eine Klarheit darüber, was überhaupt los ist und was sich bewegt und wie. Das Heimatgefühl tritt es in der Bonner Republik in all seiner Un-Heimlichkeit auf. Lokalhelden ist ein Roman im „unvollständigen“ Deutsch, quer durch den Gesinnungsgarten des Dialekts, seiner mündlichen Gedächtniskultur und dem Verschriftlichungsprozess.
Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg; / Was wir Weg nennen, ist Zögern. (Franz Kafka)
Die Kapitel dieses Romans erinnern an offene Türspalten, die Einblick geben in die geschundene deutsche Seele – zu einer Zeit, in der die Wirtschaftsliberalen der Mittelschicht gerade das Messer ansetzte. Die typische rheinische Mischung lautet: Hochintellektualismus, Trivialkultur, Stadtproll und Lokalpatriotismus, Größenwahn und immer wieder Überforderung: Was der Alltag zu bieten hat übersetzt Lokalhelden in Poesie. Weigoni lotet das Verhältnis von Fiktion und Wirklichkeit in diesem Roman aus, er ist ein Erinnerungskünstler, trägt das alles mit bewundernswerter Akribie zusammen, und der Wiedererkennungswert ist bisweilen erschreckend. Es gelingt ihm eine nuancenreiche psychologische Durchdringung der Rheinländer. Von der klassischen Narration hat sich Weigoni schon lange entfernt, aber wie er sich in der Lokalhelden wirklich allen dramaturgischen und ästhetischen Konventionen entzieht, hat man so radikal lange nicht in der deutschsprachigen Literatur gelesen. Immer wenn man denkt, jetzt könne man voraussehen, was als Nächstes passiert, schlägt er einen neuen Haken, und immer wenn man denkt, krasser geht’s nicht mehr, setzt er noch eine neue Pointe oben drauf. Obwohl Weigoni sich an das klassische Prinzip der Einheit von Zeit, Ort und Handlung hält, kommen die Lokalhelden ohne eine Hauptfigur aus und dennoch besitzt der Roman eine übergreifende Architektur und eine stilistische und thematische Einheit.
Heimat ist kein Besitztum. Sie ist Poesie. (Josef Bierbichler)
Weltanschauungsänderungen prägen diese Veränderungsgeschichte. Aktive Rekonstruktion und passive Disposition der Vergangenheit werden in diesem Roman zusammengeführt. Die Krise des rheinischen Konservatismus ist eine Sinnkrise, sie kreist um die Frage, was es zu bewahren gilt, was nicht. Die Bewohner der Bonner Republik weichen dieser Frage aus. Es ist die Pose des tapferen Ausharrens im Nichts, nur um des Ausharrens willen, um zu zeigen, dass man standhalten kann. Sie betreiben ein gefährliches Spiel mit einer rückwärtsgewandten Utopie, die Zygmunt Bauman als Retrotopia bezeichnet: gesellschaftliche Verbesserung in einem „halbvergessenen Gestern“ zu suchen, einer Vergangenheit, die nie stattgefunden hat, es in ein Heimweh nach der entstellten Welt. Man sieht es am deutlichsten bei der ideologischen Auseinandersetzung um den Begriff Heimat, es ist der Streit um eine Idealvorstellung, die keine materiale Grundlage hat. Endlich soll es wieder so werden, wie es nie gewesen ist. Der Rechtsradikale begeistert sich jedoch nur für die Erhaltung des Bewahrungswürdigen und nicht für das Bewahrungswürdige selbst, er verteidigt das Verteidigen als solches. Ein lebendiger Konservatismus prüft dagegen den Kanon des zu Bewahrenden, mit offenem Ausgang.
Sich in einer Stadt nicht zurechtfinden heißt nicht viel. In einer Stadt sich aber zu verirren, wie man in einem Walde sich verirrt, braucht Schulung. Da müssen Straßennamen zu dem Irrenden so sprechen wie das Knacken trockner Reiser und kleine Straßen im Stadtinnern ihm die Tageszeiten so deutlich wie eine Bergmulde widerspiegeln. (Walter Benjamin)
Die Bonner Republik verharrt in einer Suchbewegung. Der Rheinländer will alles, ihm verlangt nach Subversion und Opposition in gesellschaftlichen Zuständen, wo diese weitgehend erlaubt sind und deswegen sinnlos werden. Das Ich des Rheinländers ist eine Instanz, durch die der Alltag hindurchfließt und in der sich Geschichten, Gesehenes und Begebenheiten ablagern. Das Leben im Rheinland gleicht einem Labyrinth, sein rätselhaftes Zentrum hat die Ureinwohner nicht zu interessieren, es kommt auf die Eingänge an, die in sein Inneres führen. Jede unwillkürlich aufblitzende Erinnerung in diesem Roman bietet einen solchen Einstieg. Passiert man ihn, so verweist im Labyrinth jede Erinnerung ans eigene Leben unabweisbar auf eine nächste. Dem autobiografischen Erinnern entspricht eine topografische Struktur. Vor der Hand geht es nicht darum eine Handlung voranzutreiben, sondern um die Auffächerung eines vielschichtigen Jetzt – und um den Sound des rheinischen Dialekts. Diese Prosa ist ein musikalisches Gebilde, in dem der Klang der Alltagssprache, der rheinische Singsang aber auch des Jargons hörbar gemacht wird. Der Roman ist im wahrsten Sinne genau komponiert.
Heimat, eine oft unwillentlich entstandene Zugehörigkeit. (Wilhelm Genazino)
Die Rheinländer wuseln oft bloß vor sich hin, bis wieder ein Hauch von Zauber gewonnen wird. Weigoni gelingen immer wieder Momente von verstörender und berührender Intimität und großer Eindringlichkeit. Im Einklang von körperlicher und gesellschaftlicher Übereinkunft steckt die Perfidie dieses klugen Buchs, denn die Erkenntnis ist ernüchternd, dass politische und wirtschaftliche Machtverhältnisse in hochzivilisierten Gesellschaften nicht viel mehr sind als eine Abstraktion von körperlicher Kraft. Die Lokalhelden zeigen, darin liegt die tiefe Düsternis ihrer nur scheinbar rettenden Idee, dass auch die Bonner Republik den Grundmechanismus von Machterlangung und -erhalt nicht überwunden hat. Man kann das Rheinland durch die polychromen Geschichten am Puls der Großstadt in all seiner Tiefe begreifen und das Ein- und Ausgeschlossensein, die Identifikation oder Abkapselung erfahren. Das Rheinland ist bevölkert von randständigen Figuren, die Weigoni mit großer Empathie und erzählerischer Verve in ihrer jeweiligen Besonderheit zeigt. Dabei wird das Bizarre nie zum Gegenstand des Voyeurismus, nie Selbstzweck – es ist das Allzumenschliche im Zerrspiegel, alles das sind wir selbst im Grunde, nur um ein paar Nuancen versetzt. Ein bisschen grösser, ein bisschen leidenschaftlicher, ein bisschen tragischer. Und selbstverständlich komischer. Lesbarkeit ist zu einem der zentralen poetologischen Begriffe der Gegenwartsliteratur avanciert. Wie viel Realität, wie viel „echtes Leben“ muss, darf in die Literatur, um Realität wie Kunst nicht völlig zu ruinieren?
Es liegt ein Grauschleier über der Stadt / Den meine Mutter noch nicht weggewaschen hat (Peter Hein)
Das Rheinland ist überzogen von einem „Trostlosigkeitsglanz“ und wir Leser erliegen diesem Verfallscharme. Die „längste Theke der Welt“ ist eine klassenlose Gesellschaft, wir trifft sich die High Society ebenso wie die Beklagenswerten vom Rand der Gesellschaft. Wir beobachten Rituale der Selbstprofilierung und der Legitimation des Ichs unter sich verändernden medialen Bedingungen. Die Bonner Republik erweist sich als ein Ort größtmöglicher Selbstvergessenheit. Es ist eine Parabel über das Anderssein, über das „Nicht-dazu-Gehören“ zum neuen Deutschland. Die Dramen, die sich hier abspielen, vermittelt Weigoni durch die Beschreibung dessen, was mit den Figuren geschieht. Er erzählt ihre Handlungen, schildert die Ereignisse. Die Rheinländer sind eloquent, jede Neuerung aufgreifend wechseln sie umgehend wieder zur nächsten. Weigoni gelingt ein faszinierend anschauliches Bild dieser Region und ihrer Menschen, das nie in einen platten Detailrealismus oder in Sentimentalität abgleitet. Weigoni bietet Zeitgenossenschaft, dies bedeutet: Nicht alles Erzählte hat er selbst erlebt, aber in allem steckt spürbar ein Kern des tatsächlich Erlebten. Das hier geschilderte Rheinland erinnert an ein Wimmelbild von Pieter Brueghel d. Ä., bei dem das kollektive Gedächtnis dieser Region freigelegt wird. Mit chirurgischer Genauigkeit verdeutlicht Weigoni, dass längst sichergeglaubtes Wissen aus rheinischer Perspektive alles andere als sicher ist.
Schreiben ist leicht. Man muss nur die falschen Wörter weglassen. (Mark Twain)
Als ironischer Taxonomiker hat Weigoni die Pädagogisierung der deutschen Standardsprache nur am Rande interessiert, im Impressum der Lokalhelden steht zu lesen: „die empirische Basis für diesen Heimatroman liegt im Dialekt der Rheinländer“. Man kann sie als eine vergnügliche Sammlung hintergründiger Wortschimären lesen. Weigonis Spiel ist doppelbödig, die Abschweifung, die Polyfonie und das von vielfacher Überarbeitung zeugende Manuskript kennt die rheinische Geschichte seit Jahrhunderten. Seine Spracherkundungen sind scharfsinnig, sein ironisch flirrender Humor stets überraschend, seine Aufsässigkeit einzigartig. In poetischer Verdichtung wird dem Leser ein sozialer Mikrokosmos präsentiert, der derart fest gefügt ist, dass sich nur am Rande etwa durch die Musik der Fehlfarben die revolutionären Veränderungen andeuten, die in der restlichen Welt gerade vor sich gehen. Im Rheinland ist davon nicht viel zu bemerken. Porträtiert wird eine kleinbürgerliche Welt, die Rheinländer sind keine Helden, die gegen die Umstände aufbegehren, es sind Mitläufer die sich mit dem System arrangieren und versuchen, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Weigoni bietet den Rheinländern keine falschen Sicherheiten, diese Lokalhelden haben die unauflösbare Situation unnachgiebig und ungetröstet zu ertragen. Das Leben im Rheinland wird seziermessergenau erfasst, der Roman ist dabei so bestechend, dass man gerne weiterliest.
Der These: Von nix kütt nix folgt die Antithese: M’r moss och jönne könne. Für jede neue These lassen sich Belege finden, man muss nur möglichst einseitig suchen, je nach Tagesform variiert die Synthese, meist einigt man sich mit ehrfurchtsvoller Apodiktik auf den kategorischen Komparativ: Et hätt noh emmer joot jejange. (Lokalhelden, Seite 6)
Dem realistischen Roman wird hier die Gemütlichkeit gründlich ausgetrieben, zugleich lesen wir eine Prosa über abgehängte soziale Milieus, die nicht mit der Ästhetik des Miserabilismus spielt. Zu der existentiellen Unmöglichkeit, sich sprachlich zu verständigen, kommt bei den Rheinländern noch die kleinbürgerliche Angst vor dem sozialen Absturz, vor Armut und Ruin. Weigoni beleuchtet die Schattenseiten, eine großformatige Provinzialität und kleingeistige Spießigkeit, die überdeckt wird von der Jovialität und berüchtigten Toleranz der Rheinländer. Er klopft rheinische Redensarten auf ihr Innenleben ab, diese Typen stehen zu ihren runtergerockten Sätzen, selbst wenn diese ihnen gefährlich werden. Die Rheinländer sind umstellt von Formulierungen, die zu oft gebraucht worden sind, dass sie niemandem mehr gehören. Aber sie haben eben keine anderen. Und wenn Sätze erst einmal ausgehöhlt sind, kann man sie bewohnen. Weigoni betrachtet mit kühlem Blick die Mechanismen der Dysfunktion menschlicher Beziehungen und gesellschaftlicher Solidarprinzipien. Es ist eine Literatur, die sich gegen die strengen akademischen Hygienevorschriften und das Reinheitsgebot deutscher Germanisten richtet.
Nicht der Wahrheitsgehalt macht nach Jean Bollack die Literatur aus, sondern eine permanente Arbeit am Sinn. („Sens contre sens – Comment lit-on?“)
Dieser Roman ist ganz von den Figuren her gedacht, er gleicht dem Rhein, einem Strom, der zwischen dem Binger Loch und Xanten mit Wucht die Sedimente einer Verfallsgeschichte aufmischt, die moralisch und literarisch von der Bonner Republik noch längst nicht abgegolten ist. Er zeigt den Lesern einen natürlichen Strudel von Egoismus, Instinkten und erotischen Trieben und stürzt damit das klassische Bild des Gutmenschen vom Sockel, ohne sich dabei als Richter aufzuspielen. Wo die deutschsprachige Literatur in entleerter, akademischer Stilisierung erstarrt, quillt hier fast jede Seite regelrecht über vor Typen. Alle haben im Rheinland ihren Platz, aber niemand wird aufs bloße Ornament reduziert. Wenn es in der Literatur so etwas wie Wahrhaftigkeit und echte Auseinandersetzung mit den Härten sozialer Differenz gibt, dann kann man sie in diesem Ensemble aus Erzählungen erleben. Weigonis sezierender Blick hinter die Fassade des sogenannten gutbürgerlichen Rheinlands ist nie bösartig oder verletzend. Sie beschreibt mit grossem Furor den alltäglichen Wahnsinn, der gleich hinter der nächsten Ecke lauern kann und Menschen, die sich auch in ihrem Unglück behaglich eingerichtet haben. Weigoni misst die sozialen Umstände nicht an einem irgendwie anzunehmenden Normalpegelstand, sondern an den maßgeblichen künstlichen Paradiesen, die von den Besatzungsmächten hinter dem Deich hervorgebracht worden sind – Demokratie in der „BRD“, ein Sonderweg der Geschichte.
Die alte BRD gibt es nicht mehr. Aber was ist an ihre Stelle getreten?
Ein Leben in postidyllische Ratlosigkeit. Als Inbild steht der Rhein für die Lebensader und zugleich die Todesvene des Rheinlands, als Metapher der Vergeblichkeit und Spiegel der Ewigkeit das Rheinland durchfließt. Die Lokalhelden sind nicht nur eine Geschichte, hier werden Konventionen gebrochen, die Metaebenen jagen einander. Exkurse über Exkurse, Abschweifungen, die eine Sozialfunktion des Asozialen offenbaren. Wer in die Textfluten dieses Romans steigt, wird fortgetragen von einem Erzählen, das unermessliches Wissen mit unstillbarem Wissenwollen vereint. Poesie erweist sich als der geglückte Versuch gegen den Strom des Vergessens zu schwimmen. Und – der typische rheinische Zusatz – so besehen ist es ein bewegender Versuch der Selbstvergewisserung in einer schwankenden Umbruchszeit, in der durch die Globalisierung die Heimat von der Nation entkoppelt wurde. Die Rheinländer sind seit der Besatzung durch Napoleon aufgeklärte Patrioten. Sie leben in einer Zeit der wachsenden Komplexitäten und Kompliziertheiten. Die metaphysische Götterdämmerung wird zwischen dem 9. November 1989 und dem 11. September 2001 überlagert von einer diesseitigen Seelendämmerung. An die Seelendämmerung schließt sich eine Intelligenzdämmerung an. Die fiktionale Literatur kann nicht auf die Tatsachen der realen Welt verzichten, und umgekehrt ist die Geschichtsschreibung allein schon auf Grund ihrer narrativen Struktur und ihrer Selektionsnotwendigkeiten weitgehend auch ein fiktionales Erzeugnis. Die Erben des rheinischen Kapitalismus teilt ebenso wie jene des ostdeutschen Staatssozialismus ein Uneins-Sein, die Unkenntnis der Regionen des eigenen Landes eingeschlossen.
Vor uns liegt ein weites tal die sonne scheint ein glitzer strahl (Kraftwerk)
Als Leser denken wir über die Verbindung von Zugehörigkeit und Zuhause nach. Über die Heimat darf nach der Restaurationszeit der „BRD“ – spätestens jedoch seit dem Sommermärchen 2006 – wieder positiv berichtet werden, alles andere ist lediglich eine raumzeitliche Koordinate des Verlusts. Weigoni zeigt, wie sich der Untergang der BRD auswirkt, welche Flieh-, aber auch welche Zentripedalkräfte dadurch freigesetzt werden und es keine Sozio-Idylle als Rettungsplan gibt. Das Wesensmerkmal der Rheinländer ist Unentschlossenheit und verzärtelter Narzißmus, so selbstbezogen sie sind, haben sie der Legende zufolge eine empfindsame und dekadente, quasi lebensuntüchtige Seite. Weigonis Porträts der Rheinländer sind exquisite Charakterstudien und präzise Milieuschilderungen. Er hat ein feines Sensorium für Selbsttäuschungsstrategien, die nach Ende der dem Ende der BRD das rheinische Bewußtsein dominieren. Ohne die Rheinländer der Symbolhaftigkeit preiszugeben, kann man in diesem Heimatroman das neue Deutschland erkennen, samt aller schmerzhaften Lernprozesse und Überforderungen. Die Stärke Weigonis besteht darin, bei grosser sprachlicher Kühle und tiefer Ironie, absurd-witzig zu schreiben. Die Rheinländer sind allesamt in existenzielle Situationen gestellt, sie sind einsam und idiosynkratisch. Unter den globalisierten Lebensbedingungen erleben sie eine metaphysische Erschütterung, für die sie keine Worte haben, und die auch der Erzähler eher in Stimmung, Beleuchtung, Langsamkeit und Abseitigkeit erfasst. Gute, traurige, fast meditative Stücke sind das, kalt und konzentriert auf wenige Elemente.
Ist Erinnerung nicht immer auch Fiktion?
Weigoni beschreibt die Rheinländer mit Komik, Melancholie und analytischer Schärfe, manchmal nachsichtiger, manchmal etwas bitter. Dieser Schriftsteller sieht den Begriff nie als Abstraktion, obwohl der Zeitraum zwischen dem 9. November 1989 und dem 11. September 2001 noch zur Lebenszeit der meisten Leser gehört, geht es in den Lokalhelden um eine historische Vergegenwärtigung und eine erinnernde Wiederbelebung. Im Rheinland verbergen sich dahinter zahllose Lebensgeschichten, ein Schlachtfeld der Gefühle. Dieser Schriftsteller weist den Weg über das Rheinland hinaus in unbetretene, nicht kartographierte Räume, sie sind Denk- und Handlungsräume gleichermaßen. Es ist der umsichtige und reflektierte Versuch, sich schreibend an die Erinnerungen der Rheinländer anzunähern und darin möglichst wahrhaftig zu sein. Er montiert Gesprächsausschnitte, Erinnerungen, Reflektionen und Szenen, zeigt, wie sich diese in bestimmten Momenten verhalten, was sie sagen, wie sie sprechen, sich bewegten, blickten, aussahen. Er macht es, um eine darunter liegende Wahrheit zu extrahieren, zu beschwören, zu behaupten. Das Buch stemmt sich gegen eingängige Geschichten, diese Prosa sagt viel über die Wahrnehmung und Beschreibung von Menschen, über jedes Erinnern, sie macht auf Lücken und Unsicherheiten aufmerksam und beschreibt den Umgang der Rheinländer damit. Es ist der Versuch das Begriffslose mit Begriffen aufzutun, ohne es ihnen gleichzumachen, seine Figuren streben die Utopie der Klarsicht, eine Erkenntnis, die keinen Ort hat. Heimat besteht im Rheinland aus Hintergründen, die sich immer weiter ins Unendliche fortpflanzen. Heimat ist nicht Herkunft, sondern Zukunft, sie zeigt sich im Rheinland als Nicht-Ort, insofern schlechthin im konkreten wie im negativen Sinne Utopie. Und zugleich ist Heimat das verkehrte Wort, dass das verkehrte und überdies viel zu kleine Rheinland als Lebensraum bezeichnet.
Die längste Theke der Welt (Komposition und Text: Hans Ludwig Lonsdorfer)
Es ist das Leben im Rheinland, das sich in der Fülle seiner Ausprägungen der Bewertung entzieht. Weigoni bearbeitet in diesem Roman existenzielle, man könnte sagen: bühnentaugliche Konflikte in sehr unterschiedlichen Milieus, in denen der Schriftsteller längere Zeit recherchiert hat. Deutlich hier das wirkliche Leben wahrgenommen und geachtet, was zu einer einzigartigen Mischung von Humor und Leichtigkeit auf der einen Seite, aber auch zu einem tiefen Verständnis von schicksalshafter Tragik führt. In der Mundart der Rheinländer überwiegt jedoch eine spezifische Melange augenzwinkernder Schalkhaftigkeit und erfrischender Vitalität. Das Rheinland ist eine Gesellschaft liebenswerter Spinner, die ewig aneinander vorbeireden. Nur in Momenten der Rührung und Berührung finden sie zueinander. Paradoxerweise sind diese scheinbar so flachen Charaktere erstaunlich vital, und hinter dem kunstvoll zerstückelten Geschehen verbirgt sich so etwas wie eine Plotstruktur. Seine Dissonanz, seine Disparatheit und seine Disruptivität, oft auch das Gegenteil: seine Dauer, seine Einheit und seine Verwurzelung kompiliert Weigoni in kunstvoller Motiv- und Gedankenflucht erzählerisch und essayistisch, szenisch und historiografisch sowie mittels Montage abzubilden. Weigoni vermeidet die Gefahr der Beliebigkeit, indem er die Konstruktion dieses Romans mit dem existenziellen Ernst verbindet.
Eine Reflexion über das Wesen schreibender Beobachtung wie des beobachteten Lebens
Alles schießt im Rheinland quer durcheinander in einem vielstimmigen Erinnerungs- und Echoraum, der nicht nur Orte, Zeiten und Figuren, sondern auch Körper und Seelen umfasst. Mit poetischer Genauigkeit zeichnet er prekäre Daseinsverhältnisse. Weigonis Ironie zehrt dabei von der sinnlos gefälligen Selbstbezüglichkeit der kommunikativen Verlautbarungen der Rheinländer, sie verhilft, über die Transformation ins geschriebene Wort der Sprachkunst zu ihrem Recht, und wird in den Lokalhelden zu einem Korrektiv der elenden Praxis des geschäfts- und erfolgsgierigen Alltagslebens. Es sind Geschichten aus einem Alltag, in den das Unerwartete eindringt, Geschichten, die Fragen aufwerfen, nach der Achsenzeit und dem Umgang mit Rheinländer und ihrer Freiheit. Ihr Erzählen gliedert die Zeit, strukturiert den Raum, aber es vermag auch nach genügend Alkoholkonsums das Gegenteil zu tun: Zeit-Räume bis ins Unendliche aufreissen, bis es ihre Zuhörer schwindelt. Seit den Vignetten ist Weigoni ein Großmeister der Kunst, die Dinge und Begriffe wieder in ihre Bestandteile aufzulösen. Eingängig ist seine Poesie nicht, sie hat Widerhaken und fordert zur Gedankenarbeit heraus. Schreiben geht für ihn mit ständiger Sprachreflexion einher. Es sind Werke, die sich durch ein hohes sprachliches Niveau, poetische Sperrigkeit und eine dichte Atmosphäre auszeichnen. Diese Bücher zeugen von Mut. Weigoni hat ein ästhetisches Konzept, das er konsequent umgesetzt hat. Gegen dieses Buch sehen viele andere Bücher zurzeit ausgedacht und gewollt aus.
Die Stadt Düsseldorf ist sehr schön, und wenn man in der Ferne an sie denkt und zufällig dort geboren ist, wird einem wunderlich zu Muthe. Ich bin dort geboren, und es ist mir, als müßte ich gleich nach Hause gehn. (Heinrich Heine)
Beim Lesen dieses Romans vollzieht sich die Kartographierung einer Sprachlandschaft. Mit ihrem Dialekt erweisen sich die Rheinländer als sprachbegabte Tiere, das Rheinische wird ihnen zum Weltentwurf. Diese Typen verkörpern damit genau jenes Amalgam von Weltbildern, das für das Denken einer Übergangszeit typisch ist. Weigoni achtet sorgfältig darauf, die kulturelle Identität des Rheinlands und deren spirituelle Implikationen nie ganz preiszugeben. Das ich des Rheinländers besteht aus diversen, miteinander oft in Widerstreit liegenden Identitätsmustern und gleichzeitig sei das Ziel der literarischen Arbeit kein kohärentes Werk, sondern das prozesshafte Schreiben selbst, die Schrift, die sich dem, was sie repräsentieren möchte, allenfalls annähern könne. Während sich die Politik der Bonner Republik in Fiktionen flüchtet, nimmt die Literatur Abschied von ihnen. Sie sucht nach dem Wahren, nach dem Leben, nach der Wirklichkeit. Weigoni bringt rheinische Schweigezonen zur Sprache. Die Menschlichkeit dieses Romans wird betont durch die rheinische Fehlbarkeit. Der Leser wird mitgerissen von einem Fluidum an gewundenen Sätzen, diese plötzlich aufblitzende Bildhaftigkeit und Genauigkeit, dieser Sog, der einen selbst in das Uninteressante hineinzieht.
An die Heimat denken heiß immer auch Abschied nehmen, denn jedesmal bricht was weg. (Walter Kempowski)
Kaum einer misst dem Ort, an dem er recherchiert, so viel Bedeutung bei, mehr noch, Weigoni macht diesen Ort selbst zum Hauptdarsteller in seinen Werken. Diese Prosa ist voller Endlosschlaufen der Wahrheit und auch der Erinnerung. Seine Erzählweise buchstabiert Dinge nicht aus, sondern deutet sie oft nur an; doch kann man sich beim Lesen darauf verlassen, dass Bezüge, die zunächst unverständlich bleiben, sich später von selbst klären werden. Zeitgemäßer und vielschichtiger, mystischer und ironischer kann Literatur kaum sein. Das Rheinland stellt sich Knotenpunkt für die Möglichkeiten einer surrealistischen Stadtwahrnehmung dar. Weigoni schreibt so dicht an der Wirklichkeit, dass diese heiß und flüssig vor den Lesern ersteht, es ist literarische Direktübertragung, Wachheit, Schreiben am offenen Herzen. Es gelingt ihm, die rheinische Wirklichkeit in all ihren Facettenreichtum darzustellen. Der Roman macht – ebenso wie Abgeschlossenes Sammelgebiet – Geschichte an Menschen sichtbar und Weigoni hat ein feines Sensorium auf den Riss in der deutschen Historie. Wir betrachten Panoramen des Menschlichen, das Rheinland erscheint in dieser Prosa ebenso verwunschen wie trostlos, so geheimnisvoll wie bieder, so fassadenschön wie heruntergekommen; es ist ein Stück abgelebter BRD. Diese Lokalhelden sind eine Entdeckung auf der literarischen Landkarte.
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Lokalhelden, Roman von A. J. Weigoni, Edition Das Labor, Mülheim 2018 – Limitierte und handsignierte Ausgabe des Buches als Hardcover.
Weiterführend →
Lesenswert das Nachwort von Peter Meilchen sowie eine bundesdeutsche Sondierung von Enrik Lauer. Ein Lektoratsgutachten von Holger Benkel und ein Blick in das Pre-Master von Betty Davis. Die Brauereifachfrau Martina Haimerl liefert Hintergrundmaterial. Ein Kollegengespräch mit Ulrich Bergmann, bei dem Weigoni sein Recherchematerial ausbreitet. Constanze Schmidt über die Ethnographie des Rheinlands. René Desor mit einer Außensicht auf die Bonner Republik. Jo Weiß über den Nachschlüsselroman. Margaretha Schnarhelt über die kulturelle Polyphonie des Rheinlands. Karl Feldkamp liest einen Heimatroman der tiefsinnigeren Art. Walther Stonet lotet Altbierperspektiven aus. Conny Nordhoff erkundet die Kartografie. Zuletzt, ein Rezensionsessay von Denis Ullrich.
Kursiv gesetzt sind sowohl Titel und Zitate von syntaktischen Einheiten und von isolierten Begriffen aus dem Werk A. J. Weigonis als auch Werktitel Dritter und einige fremdsprachliche Wörter, sowie wenige Verben und Substantive als Stilmittel der Betonung.
Auf korinthenkackende Identifizierung der Zitate, die nicht aus dem Werk von A. J. Weigoni stammen, wurde ebenso verzichtet wie auf Fußnotenungetüme. Die Urheber sind jeweils in runden Klammern angegeben.