ich lebe in der wüste in einem areal von 80 mal 80 metern, das von einer 4 meter hohen mauer umgeben ist. an den mauerseiten wachsen, symmetrisch angeordnet, jeweils 8 bäume und 8 hecken, die ich regelmäßig bewässere. mein wohnhaus umfaßt 4 mal 4 meter und hat 4 etagen, die kühle kellergruft, die hauptetage, die dachterrasse, worauf verschiedene grünpflanzen wachsen, und den himmel, der allein dem geist gehört. neben dem haus sind mehrere umzäunte flächen für blumen und sträucher sowie den komposthaufen angelegt, auf dem ich meine küchenabfälle abkippe. dahinter befinden sich zwei freilandflächen, die der obstundgemüsezucht dienen. in der hauptetage steht ein großer kühlschrank voller speisen und getränke, mit denen mich die karawane versorgt, die mein quartier alle 4 wochen passiert, mir überdies die post bringt, die mich unter einer schließfachnummer erreicht, und im austausch meine eigenen briefe mitnimmt. alles scheint genauestens bedacht und geplant. und ich mache mir nur gedanken, wohin die fäkalien abgeleitet werden, die ich hinterlasse, worüber ich erwache.
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Traumnotate von Holger Benkel, KUNO, 2021
Die Frage nach der besonderen Kompetenz der Dichter für die Sprache und die Botschaft der Träume wurde durch Siegmund Freud fundamental neu gestellt. Im 21. Jahrhundert ist die Akzeptanz des Träumens und des Tagträumens weitaus größer als noch vor hundert Jahren. Träumen wird nicht mehr nur den Schamanen oder Dichter-Sehern, als bedeutsam zugemessen, sondern praktisch jedermann. Gleichwohl wird den Dichtern noch immer eine ‚eigene‘ Kompetenz auf dem Gebiet des Traums zugesprochen – Freud sah sie sogar als seine Gewährsmänner an, mit Modellanalysen versuchte er diese Kompetenz zu bestätigen. Die Traumnotate von Holger Benkel sind von übernächtigter, schillernd scharfkantiger Komplexität.
Weiterführend →
In einem Kollegengespräch ergründeln Holger Benkel und A.J. Weigoni das Wesen der Poesie – und ihr allmähliches Verschwinden. Das erste Kollegengespräch zwischen Holger Benkel und Weigoni finden Sie hier.
Gedanken, die um Ecken biegen, Aphorismen von Holger Benkel, Edition Das Labor, Mülheim 2013
Essays von Holger Benkel, Edition Das Labor 2014 – Einen Hinweis auf die in der Edition Das Labor erschienen Essays finden Sie hier. Auf KUNO porträtierte Holger Benkel die Brüder Grimm, Ulrich Bergmann, A.J. Weigoni, Uwe Albert, André Schinkel, Birgitt Lieberwirth und Sabine Kunz.
Seelenland, Gedichte von Holger Benkel , Edition Das Labor 2015