Die Winterbienen und Theo Breuer haben eins gemeinsam, sie sind Kümmerer.
Von Am Grund des Universums ausgehend – Bevor der Regionalzug das Urftland und den Kaller Bahnhof erreichte, fuhr er durch die Sandhalden des Bergschadensgebiets, wo nach den Erzählungen der Grauköpfe in einem der alten Bleibergstollen noch immer Strohwangs Silberschatz versteckt liegen soll –, entwickelt sich in diesen Tagen und Nächten eine unverhoffte, unerhörte Verdichtung all der in fünfundzwanzig Jahren zu den Gedichten, Erzählungen und Romanen gedachten Gedanken (wodurch ich, beispielsweise, noch deutlich dinghafter den philosophischen Urschlamm ergründe, aus dem dieses urftländische Wörterhaus Norbert Scheuers erwachsen ist), die mich in einen anhaltenden Zustand prickelnder Erregung versetzt, zusätzlich befeuert durch den während der – wie im Flug vergangnen – letzten vierundzwanzig Stunden gelesenen Roman Winterbienen, durch den ich rauschte wie der Intercity-Express, der am Bahnhof in Kall, Eifel vorbeirast, als gäbe es ihn gar nicht: Ich lauschte dem aufbrausenden Surren, das bald nachdem sie sich eingestimmt hatten, wieder zu einem leisen, harmonisch pulsierenden Rauschen wurde, das vertraut und tröstlich klang.
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Winterbienen im Urftland ∙ Empfundene / erfundene Welten in Norbert Scheuers Gedichten und Geschichten – von Theo Breuer – Pop Verlag, Reihe LESEZEICHEN Band 5 ∙ 128 Seiten ∙ Broschur ∙ 2019
Man sollte Werke nicht zwingend an autobiographisches Material rückkoppeln. „Von daheraus“ (Hub Stevens), goutiert KUNO diese buchübergreifende Korrespondenz als Dokument eines geglückten kritischen Regionalismus. Diese Werke vergleichend zu untersuchen, ist aus zahlreichen Gründen sehr naheliegend, daß es nicht weiter gerechtfertigt werden muss. Breuers Studie konzentriert sich weitestgehend auf Scheuers Werk. Im Fokus stehen Fragen, wie Scheuer als Repräsentant des poetischen Realismus wirkt und worin die jeweilige Modernität beim Umgang mit dem traditionsreichen Sujet der Imkerarbeit liegt. Es ergeben sich bei der Lektüre spannende Mesalliancen in Werken von Norbert Scheuer und Theo Breuer. Für den Leser ist leicht nachvollziehbar, daß Breuer seine eigenen Vorgaben und seinen Anspruch bei der Textherstellung auch tatsächlich eingelöst hat. Ein interessantes Variantenverzeichnis aus dem Hinterland, und wahrscheinlich die gelungenste seit dem unvergessenen Aufenthalt von Caroline Peters in dieser Region.
Weiterführend → Ein Essay über den Lyrikvermittler Theo Breuer.
→ Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugt der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung. Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott dieses post-dadaistische Manifest. Warum Lyrik wieder in die Zeitungen gehört begründete Walther Stonet, diese Forderung hat nichts an Aktualität verloren. Lesen Sie auch Maximilian Zanders Essay über Lyrik und ein Rückblick auf den Lyrik-Katalog Bundesrepublik. KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben. Lesen Sie ein Porträt über die interdisziplinäre Tätigkeit von Angelika Janz, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier, ein Essay fasst das transmediale Projekt „Wortspielhalle“ zusammen. Auf KUNO lesen Sie u.a. Rezensionsessays von Holger Benkel über André Schinkel, Ralph Pordzik, Friederike Mayröcker, Werner Weimar-Mazur, Peter Engstler, Birgitt Lieberwirth, Linda Vilhjálmsdóttir, und A.J. Weigoni. Lesenswert auch die Gratulation von Axel Kutsch durch Markus Peters zum 75. Geburtstag. Nicht zu vergessen eine Empfehlung der kristallklaren Lyrik von Ines Hagemeyer. Diese Betrachtungen versammeln sich in der Tradition von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins, dem Bottroper Literaturrocker „Biby“ Wintjes und Hadayatullah Hübsch, dem Urvater des Social-Beat, im KUNO-Online-Archiv. Wir empfehlen für Neulinge als Einstieg in das weite Feld der nonkonformistischen Literatur diesem Hinweis zu folgen.