Matrix ist der europäischen Idee verpflichtet. Sie will einem deutschsprachigen Publikum die vielfältigen Möglichkeiten von Kultur, Sprache und Literatur des europäischen Kontinents nahebringen. Sie ermöglicht Literaten und Künstlern aus ganz Europa, einander näher kennen zu lernen.
Traian Pop
Die KUNO-Redaktion empfiehlt: Die Literaturzeitschrift Matrix hat sich zum Ziel gesetzt, junge Autoren zu entdecken und bedeutende Schriftsteller der Vergessenheit zu entreißen. Sie widmet sich der Prosa und in bemerkenswertem Umfang auch der Lyrik, in erster Linie der deutschsprachigen, der Blick geht aber auch über die Grenzen des deutschen Sprachraums hinaus, beispielsweise in den Osten Europas und in die USA. Weil sich diese Zeitschrift der Verteidigung des freien Denkens gewidmet hat, macht sie immer wieder auf verfolgte Schriftsteller aufmerksam. Vom Beginn weg setzte man auf sprachliche Qualität, thematische wie stilistische Breite sowie inhaltliche Originalität und erreichte so einen festen Platz in der internationalen literarischen Landschaft. Kaum ein Literaturbereich, eine literarische Strömung, ein vielversprechender Name im zeitgenössischen Literaturleben, der nicht auch seinen Niederschlag in der Matrix gefunden hätte: Vom Haiku bis zur Konkreten Poesie, vom Essay bis zur Satire, vom Polit-Report bis zum Essay.
KUNO läßt den Herausgeber zu Wort kommen:
O Gott, was könnte ich denn da noch hinzufügen? Dass er (Theo Breuer, n.Red.) Tag und Nacht damit verbrachte, über zwanzig Romane zu schreiben, finde ich absolut in Ordnung – wer hätte es sonst tun können, wenn nicht er, der alle zwanzig Titel der Longlist des Deutschen Buchpreises 2019 gelesen hat? Zwanzig Tage der Lektüre, zwanzig Tage des Konkubinats mit zwanzig Büchern, zwanzig Tage voller Durchhaltevermögen, voller Freude oder auch Enttäuschung. Lassen Sie sich von unserem Mitstreiter Theo Breuer und seiner ungewöhnlichen Art, zu lesen und Literatur zu entziffern, auf mehr als achtzig Seiten mitreißen. Und lesen Sie hier zwanzig Ausschnitte aus zwanzig Romanen, die im Wettstreit um den Deutschen Buchpreis 2019 angetreten sind. Dabei sollten Sie sich nicht wundern, dass Sie die Zeitschrift eines Kleinverlags, der von möglichen Fördergeldern und Preisen umgangen wird, in Händen halten. Denn das ist schlichtweg normal. Oder haben Sie für einen Moment vergessen, in welcher Welt wir leben?“
Dich rufe ich erneut an, lieber Gott der Literatur. Verzeih mir bitte, aber ich kann den Sinn meiner Schritte schon wieder nicht mehr ausmachen.
Ich habe gestern einen Autor kennengelernt, der mir offen sagte, er habe ohne seinen Verlag gar nicht existieren können. Mit dabei stand auch ein anderer, der genauso offen zugab, er brauche so etwas überhaupt nicht, er suche unbedingt und sofort eine Druckerei, um die Welt mit seinem Werk zu beglücken. Einem weiteren Autor reichte ein Copyshop, um sein Opus unter die Leute zu bringen. Und es gab noch einen, der meinte, „jemand“ sei verpflichtet, ihn zu publizieren. Sogar eine Behörde, die sehr viel Geld in die Hand nimmt, um NICHTS zu tun für Autoren, die sowieso irgendwie und irgendwann verlegt werden, war vertreten. Dazu eine Einrichtung, die für Selfpublishing warb. Ein Verlag, der ohne Autoren nicht existieren kann, durfte natürlich nicht abwesend sein. Genauso wie einer, der keine Autoren braucht.
Um Klarheit zu schaffen: Wir sprechen hier und jetzt über Literatur und nicht über Literatur 2.0, 3.0, 4.0 usw.
Verzeih mir, lieber Gott der Literatur, aber ich dachte, du hättest mir empfohlen, an der größten Buchmesse der Welt teilzunehmen. Mir, der ich immer noch an der Brust der Literatur hänge – schlimmer als ein libidinöser alter Mann, der an der vergilbten Fotografie einer ehemaligen Kollegin klebt, die sein Lehrer einst neben ihn gesetzt hatte, um dem Klassenfoto Gleichgewicht zu verleihen. Mir, der ich immer wieder zu dir zurückkehre, sogar dann, wenn das Navigationsgerät sagt, dass ich in die falsche Richtung fahre. Ich dachte, du würdest mir zustimmen, wenn ich das heutige Übermaß an politischer Korrektheit als Übertreibung betrachte – wenn auf einmal sehr vieles als nicht akzeptabel proklamiert wird, um dann wiederum auch all jene, die sich diesem Diktat widersetzen, diffamieren zu können. Deswegen habe ich mich nicht gewundert, als mich einmal sogar Grenzbeamte nicht davon abhalten konnten, mich in eine Zwickmühle hineinzumanövrieren. Niemand außer dir, lieber Gott der Literatur, weiß, dass es keinen Platz mehr gibt für einen, der keine Ahnung von Marketing, von Gewinnspannen, von Lobbyarbeit oder vom Schleimen hat. Für einen, der morgens über dem ausgetrunkenen Weinkrug meditiert, ohne zu merken, wie ihm jede Menge von sogenannten Spezialisten am Zeug flicken.
Doch nun bin ich vom Hölzchen aufs Stöckchen gekommen. Was will ich überhaupt? Wenn ich ein Editorial schreibe, kümmere ich mich in der Regel um die Schriftsteller und deren Werke. Diesmal muss ich mich aber zu einem süchtigen Leser und seinen Einsichten äußern, der Folgendes schreibt:
Ganz einfach: Zwanzig Autoren sind von der Bildfläche verschwunden. Seit dem 20. August 2019. Der Schattenfänger, so wird kolportiert, hat sie an der Nase herum in ein Labyrinth geführt und in einem schwarzen Traum eingeschlossen, wo sie nun randalieren, einander die Augen auskratzen bzw. die Köpfe einschlagen.
O Gott, was könnte ich denn da noch hinzufügen? Dass er Tag und Nacht damit verbrachte, über zwanzig Romane zu schreiben, finde ich absolut in Ordnung – wer hätte es sonst tun können, wenn nicht er, der alle zwanzig Titel der Longlist des Deutschen Buchpreises 2019 gelesen hat? Zwanzig Tage der Lektüre, zwanzig Tage des Konkubinats mit zwanzig Büchern, zwanzig Tage voller Durchhaltevermögen, voller Freude oder auch Enttäuschung. Lassen Sie sich von unserem Mitstreiter Theo Breuer und seiner ungewöhnlichen Art, zu lesen und Literatur zu entziffern, auf mehr als achtzig Seiten mitreißen. Und lesen Sie hier zwanzig Ausschnitte aus zwanzig Romanen, die im Wettstreit um den Deutschen Buchpreis 2019 angetreten sind. Dabei sollten Sie sich nicht wundern, dass Sie die Zeitschrift eines Kleinverlags, der von möglichen Fördergeldern und Preisen umgangen wird, in Händen halten. Denn das ist schlichtweg normal.
Oder haben Sie für einen Moment vergessen, in welcher Welt wir leben?
Von den Schreibtischen einiger Gegenwartsautoren erhielten wir diesmal außergewöhnliche Texte von Klaus Martens („Man meint es nicht gut mit mir. / Aber was kann man mir schon nehmen? / Meine Vergangenheit ist sicher verwahrt, / meine Zukunft erblüht an diesem Tag“), Nora Iuga („es sind kreaturen. ich kenne sie nur schriftlich. gelesen habe / ich in der zeitung“), Anton Sterbling („aber diese Polka tanzen wir alle noch, / obzwar Toni, der die Tuba bläst, / schon ausgewandert ist“), Horst Samson („Der Tod geht und kommt / Wie Jesus übers Wasser, verliert / Keine Minute, kein Wort“), Traian Pop Traian („was hätte der Leichenträger empfunden / hätte er unter den Leichen dich oder mich wiedererkannt / hätte er sich selbst unter den Leichen entdeckt …“) und Benedikt Dyrlich („Und die Mutter war kein Nazi, sie genoss aber das Leben in vollen Zügen“). Widmar Puhl und Michael Moritz besprechen neu erschienene Bücher von Andrew Sayer, Volker Weiß und Harald Gröhler. Und die Kulturszene ist präsent durch die Beiträge „Erstes Abonnementkonzert des SWR-Symphonieorchesters Stuttgart in der Liederhalle am 20. September“, „Aufwachen in Istanbul. Kölner Künstlerinnen und Künstler am Bosporus“ und „Evgeny Mitta: Moskau 2012. Gescheiterte Revolution. Multimediale Installation“. Es signieren: Widmar Puhl, Wolfgang Schlott sowie Gudrun und Karl Wolff.
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Weiterführend →
Lesen Sie zum Thema auch den Essay The Matrix has you von Ulrich Bergmann. Weiterhin zu empfehlen auch ein Essay über Francisca Ricinskis lyrische Prosa Auf silikonweichen Pfoten, Ioona Rauschans Roman Abhauen oder Theo Breuers Gedichtbuch Das gewonnene Alphabet.