Ein lyrisches Elysium

A.J. Weigoni verdichtete Gefühle, Empfindungen und Gedanken, bis ein funkelnder Diamant aus dem Kohlenstaub des Lebens entstand.

 

Diese Todeslitanei ist metaphysischer Art. Wer den Tod beschreiben kann, der feiert das Leben. Die Gedichte in Schmauchspuren sind ein erneuter Beweis der sich immer noch steigernden Gedankenschärfe und Ausdruckskraft dieses Poeten. Seine Poesie ist ganz bei sich und weist gerade deshalb über sich hinaus. Weigonis Gedichte sind konzentrierte Miniaturen, die sich konzentrisch immer wieder um vor allem ein Thema, das Schreiben, drehen. Seine verdichtete Sprache bildet ein System, das sich aus dem Leben bezieht und in dieses zurückwirkt. Weigonis Lyrik ist nicht immer leicht zu verstehen, nicht nebenbei zu lesen. Es gibt Zeilen, die ganz nah an der sinnlichen Wirklichkeit sind, und solche, die sich dem Leser schwer erschließen. Dennoch sind die Gedichte nicht hermetisch, sondern offenbaren Zeile für Zeile die Unterwelt. Wie Blaise Pascal sieht dieser Lyriker das menschliche Leben als kurzes Aufscheinen zwischen dunklen, leeren Ewigkeiten. Der Mensch kann seine Endlichkeit die Welt und das Leben erst vom Ende her verstehen. Dies ist für diesen Lyriker die Basis für alles Begreifen, er versteht die Dinge von ihrer Vernichtbarkeit her. Dies verbrämt er nicht mit einer Art von Heilung. Was ihm einzig und allein möglich scheint, ist der Gewinn von Klarheit. Das Sterben Tod beschäftigt ihn als Kontrapunkt, als Hintergrund für die Intensität der Erfahrung von Gegenwart. Der Tod allein ist bei thanatologischen Aufzeichnungen nie das, was die Spannung in seinen Gedichten ausmacht – sondern immer eine höchst intensiv erfahrene Sinnlichkeit gegenwärtiger Augenblicke. Diese Gedichte leben aus dieser Spannung: der Gewissheit des Todes als schwarzem Hintergrund und der fast grell beleuchteten Gegenwart des 21. Jahrhundert im Vordergrund. Diese Sinnlichkeit und Gegenwärtigkeit übersieht, wer Weigonis Gedichte als Gedankenlyrik mißversteht. Sein Ziel ist es, dem Dichterischen der Philosophie und dem Denkerischen der Dichtung nachzugehen.

Lyrik muß nicht lyrisch sein.

Karl Otto Conrady

Dieser Poet ist ein ehrbarer Zuträger des Geistes. Weigoni reimt keine Empfinsamkeitslyrik fürs Poesiealbum – vielmehr verdichtet sich in seinen Versen die Essenz eines turbulenten Denkens. Seine Poesie leidet nicht unter dieser Analyseschärfe, im Gegenteil. Dies hat der theoretisch bewandte Lyriker auch mit seinen Essays untermauert. Diese Gedichte imaginieren diesen Moment der innehaltenden Zeit als eine Erlösung, die nur um den Preis eines erfüllten, eines durchgestandenen Lebens zu haben ist. Um eine Chance zu haben, verstanden zu werden, erklärt Weigoni aufwändige intellektuelle Strukturen, spielt mit Worten, um ein philosophisches Denkspiel über die Macht der Sprache zu treiben, indem er mit der Poesie die Realität manipuliert. Es sind Gedichte, die nicht den Anspruch einer hermetischen, dichterisch festgezurrten Oberfläche haben, eine Tiefenstruktur, die vollkommen in sich aufgeht, sondern einen entwerfenden dichterischen Wollens. Es ist eine lyrische Abfolge, die von jemandem stammt, der sich das Dichterische wünscht, der ahnt, daß er es nicht ganz realisiert, aber der weit darüber hinausgeht.

 

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Schmauchspuren, Gedichte von A.J. Weigoni, Edition Das Labor, Mülheim 2015 – Limitierte und handsignierte Ausgabe des Buches als Hardcover.

Weiterführend →

Eine Übersetzung des Gedichts Ichzerlegung eines Wesensfallenstellers durch Lilian Gergely finden Sie im Literaturmagazin Transnational No.3 Würdigungen von Holger Benkel, rettungsversuche der literatur im digitalen raum, Christine Kappe, Ein Substilat, Jens Pacholsky, Hörbücher sind die herausgestreckte Zunge des Medienzeitalters, Sebastian Schmidts Der lyrische Mittwoch. Ein Essay über das akutische Gesamtwerk bei buecher-wiki. Und lesen Sie auch VerDichtung – Über das Verfertigen von Poesie, einen Essay von A.J. Weigoni über das Schreiben von Gedichten.

Akustische Umsetzungen finden Sie im Hörbuch Gedichte. Probehören kann man in der Reihe Metaphon die Schmauchspuren und das Monodram Señora Nada. Ebenda der Remix der Letternmusik. Das Original kann zum Vergleich hier gegenhören. Und außerdem die Live-Aufnahme der Prægnarien.

Eine limitierte Auflage des Hörbuchs Prægnarien von 50 Exemplaren ist versehen mit einer Originalgraphik von Haimo Hieronymus. Edition Das Labor, Mühleim an der Ruhr 2013

Bilder der Prægnarien-Performanmce von Philipp Bracht und A.J. Weigoni sind hier zu sehen. Ein Video von Frank Michaelis und A.J. Weigoni aus der Schwebebahn findet sich neben dem Schland aus Herdringen.

Die Aufnahmen sind in HiFi-Stereo-Qualität erhältlich über:info@tonstudio-an-der-ruhr.de