Dielmann Verlag

 

Hinter den lyrischen Hügeln des Taunus höre ich Huchel, Bobrowski, Kirsten, aber auch Brambach, Kühn oder Sayer flüstern, wenn ich die – stilistisch vollkommen eigenständigen – einfache und rätselhafte Bilder, erdige und himmlische Gefühle evozierenden Verse von Olaf Velte lese, dessen mit Bauern, Geschichte, Land, Literatur, Magie, Mythen, Natur und Phantasie vernietete Existenz ich aus jedem Gedicht in Ein Kragen aus Erde herausspüre, das 2000 im Frankfurter Axel Dielmann Verlag erschienen ist.

 

ZUR BURG

wer hat sie je gesehen
ein Straßenname spricht davon
kein Stein hat sich gefunden
aus der Stelle wuchs
ein Pfarrhaus
Viereck schmucklos
sanft katholisch

 

Die aufsehenerregendsten Titel im vielfältigen, kosmopolitisch orientierten, mit auffallend liebevoll und sorgfältig gestalteten Büchern gespickten Programm von Dielmann – hier finden Sie beispielsweise die von Thomas Schwab, dem Autor von Der Leser auf Reisen (1997), erstmals ins Deutsche übertragenen Pariser Gedichte (1998) von César Vallejo, Manfred Peckls unter fischen spricht man fisch (1997) oder Kiki Dimoulas von Evangelia Karamountzu aus dem Griechischen übertragenen Gedichte eine minute zusammen (2000) – sind die von Paulus Böhmer, von dem Uve Schmidt in seinem Gedicht „Na schön“ (in Deutsche Mädels, Maro 1987) behauptet: „Deutschlands größter Dichter ist Paulus Böhmer.“ Lesen Sie das exorbitante vierteilige Poem in Progress Kaddish in dem in feines sienarotes Leinen gehüllten Buch Säugerleid (1996) sowie als Nachschlag Palais d’Amorph (1999), und Sie verstehen, warum ich an dieser Stelle nicht einmal versuche, einen überwältigenden Eindruck in kümmerliche Worte zu fassen. Auf Paulus Böhmers Gedicht „Eben noch, Vor langer Zeit, Jetzt“ antwortet Klaus Reichert mit dem Essay „Notiz über Monster“ (1997), während in Wer bin ich. Notizen zu Paulus Böhmer (1998) Alban Nikolai Herbst, Wolf Singer, Jehuda Amichai, Werner Söllner und Gerd-Peter Eigner sich gute Gedanken über den Riesen machen.

 

 

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Weiterführend Ein Essay über den Lyrikvermittler Theo Breuer.

Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen der Kultur

Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugt der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung. Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott dieses  post-dadaistische Manifest. Warum Lyrik wieder in die Zeitungen gehört begründete Walther Stonet, diese Forderung hat nichts an Aktualität verloren. Lesen Sie auch Maximilian Zanders Essay über Lyrik und ein Rückblick auf den Lyrik-Katalog Bundesrepublik. KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben. Lesen Sie ein Porträt über die interdisziplinäre Tätigkeit von Angelika Janz, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier, ein Essay fasst das transmediale ProjektWortspielhallezusammen. Auf KUNO lesen Sie u.a. Rezensionsessays von Holger Benkel über André Schinkel, Ralph PordzikFriederike Mayröcker, Werner Weimar-Mazur, Peter Engstler, Birgitt Lieberwirth, Linda Vilhjálmsdóttir, und A.J. Weigoni. Lesenswert auch die Gratulation von Axel Kutsch durch Markus Peters zum 75. Geburtstag. Nicht zu vergessen eine Empfehlung der kristallklaren Lyrik von Ines Hagemeyer. Diese Betrachtungen versammeln sich in der Tradition von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins, dem Bottroper Literaturrocker „Biby“ Wintjes und Hadayatullah Hübsch, dem Urvater des Social-Beat, im KUNO-Online-Archiv. Wir empfehlen für Neulinge als Einstieg in das weite Feld der nonkonformistischen Literatur diesem Hinweis zu folgen.