Eine Erinnerung an die „Dirty Speech“-Bewegung in der BRD, die 1969 mit der Rolf Dieter Brinkmanns „Acid“ zu verorten ist. Es war eine Anthologie amerikanischer Beatliteratur, gesammelt und damit den Versuch eröffnend, auch in der deutschen Dichtung die bürgerliche Moral zu brüskieren, lyrische Formen zu banalisieren, den Alltag zum Thema zu machen und Sex, Brutalität, Perversion als Sujets zu akzeptieren.
Als ich Robsie Richter zu ersten Mal auf der Bühne sah, spielte er Gitarre in der Romones-Tribute-Band The Acid Eaters. Ich fühlte ich mich nicht nur wegen des Flanelhemdes an Neil Young erinnert. Der aus Straubing stammende Hanauer hat eine abgehangene Lässigkeit, die ihn von allen Social Beatlern unterschied.
Wie nehmen wie Ungerechtigkeiten wahr, mit denen wir tagtäglich konfrontiert sind?
Die erste Berührung mit seinen Gedichten erfolgte früh – Sie werden es nicht glauben – auf einem Wohngemeinschaftsklo lag ein Band der Anthologie Die Ruhezeit ist abgelaufen. Darin enthalten das Gedicht Kriegslied. Wie ich später erfuhr war es der erste Text Richters, der in Buchform veröffentlicht wurde. Er ist in einer Gesellschaft voller Ungleichheiten aufgewachsen, und die Konsequenzen solcher krassen sozialen Unterschiede beschäftigen ihn. Für diesen Autor ist es nicht möglich, sein Schreiben von dem zu trennen, was in der Welt um ihn herum passiert.
Soziale Schieflagen in der alten BRD und dem neuen Deutschland
Durch einen Zufall erhielt ich 1992 die Anthologie Downtown Deutschland, die im Isabel Rox Verlag erschien, die auch Texte von Richter enthielt. Downtown Deutschland wird als die Geburtsstunde des Social Beat angesehen. Das darin dokumetierte Schreiben ist Metakognition, schreibend gewinnen die Social Beatler den Mindestabstand zu sich selbst. Richter dagegen ist dem Alltag und damit auch den sozialen Tatsachen in den kommenden Jahren immer nah gebleiben.
Robsie Richter hat sich vormals als Punk-Dichter einen Namen gemacht. Er gibt seit langer Zeit das Fanzine für Hardcore-Poesie und Metal-Lyrik KOPFZERSCHMETTERN, heraus, das für viele nachgewachsene Undergroundzeitschriften vom Inhalt und Layout her richtungsweisend ist.
Hadayatullah Hübsch
Gern las ich in den folgenden Jahren auch in dem von Richter herausgegebenen Literatur-Fanzine Kopfzerschmettern – Fanzine für Hardcore Poesie und Metallyrik, das für viele andere Social-Beat- und Literatur-Fanzines richtungsweisend war und in dem er sich die Frage stellte, wie man von den übelen Dingen erzählen kann, ohne daß die Lektüre zur Qual wird. Deshalb nennt z.B. Daniel Beskos, der Gründer und Betreiber des mairisch Verlags, Richter als entscheidenden Einfluß. Verständlich, denn seine Wut bleibt jung.
Der einsame Mann von nebenan, der zum perversen Mörder wird, die mysteriöse Filmgesellschaft, die Verlierer, die um den Kiosk herumstehen oder in die Kanalisation abgetaucht sind, ein blauer Fleck, der sich bedrohlich ausbreitet, eine mörderische Liebhaberin, Erinnerungen, Zukunftsvisionen, Träume und Alpträume und schließlich ein Kriminalfall für den Privatdetektiv Rick Xaver Morton – das alles sind Richters Stoffe, die nicht von weit hergeholt werden müssen, sondern oft sehr nahe liegen.
Isabel Rox
Richter ist ein großer Man der kleinen Dinge. Sein Schreiben ist eine Selbstermächtigung mit einem ausgesprochenen Faible für das Biografische, als Autor interessiert er sich für Menschen und ihre Lebenswege, vorzugsweise der „kleinen Leute“, Menschen, die versuchen, sich aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit zu befreien. Dieser Autor hat immer die soziale Klasse im Blick. Wie kein zweiter verkörpert er den Geist des Social Beat.
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