Ausreichend belegt ist die Bahn, wenn 67 Sitzplätze und 122 Stehplätze eingenommen worden sind. Welchen Platz man in der Bahn einnimmt, hängt von den übrigen Fahrgästen ab, die ihre Plätze bereits eingenommen haben. Vorteile liegen bei der Wahl eines einzelnen Fensterplatzes, da dieser nicht nur die Anstrengung im Hinblick auf das Aussteigen erleichtert. Hinreichenden Grund zu Misstrauen bietet die Wahl einer Doppelbank, auf der bereits jemand sitzt, vorausgesetzt, es gibt weitere freie Einzelplätze. Unabsichtliche Berührungen folgern Verteidigungs- oder aber zumindest Ausweichbewegungen: Man hat ja genug damit zu tun, die von Mitfahrenden ausströmenden Gerüche mit dem Empfinden sich steigernden Ekels in einen Wahrnehmungsbereich zu verdrängen, der das Selbstverständliche zugunsten seiner baldigen Aufhebung aufrechnet. Sie fragt sich, ob sie sich durch den Mangel an Erlebnissen einer zweifellos einfältigen Sichtweise aussetzt. Sie ignoriert die Details außerhalb, die sich ihr zu Hause umso bösartiger aufdrängen, die sie aufschreiben muss, weil sie sie nicht auszusprechen wagt. Ihr liegt wenig an der Lebendigkeit des Anscheins -aber beim Schreiben zwingt sie Worte in das, was sie wohlweislich und längst nicht mehr zu bezeichnen vermögen.
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Delta … als sei ihre Unsichtbarkeit nichts weiter, von Angelika Janz 2022
Angelika Janz erzählt im Delta ganz aus der Innenperspektive und schafft eine leicht verfremdete Atmosphäre. Mit sezierendem Blick und literarisch sehr eigenwillig zeigt sie eine soziale Gemeinschaft und eine Gesellschaft, die sich selbst zersetzen. Über eine zusammenhängende Folge hinweg wird die Geschichte durch die vielen kleinen redundanten Bewußtseinsströme in Offene geführt.
Weiterführend →
Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung an die visuellen Arbeiten von Angelika Janz. Und nicht zuletzt, Michael Gratz über Angelika Janz‘ tEXt bILd