Eine wunderbare, wunderschön leise CD, die Bruno Runzheimer hier zusammen mit Gerd Schoppmann aufgenommen hat. Auf dem Cover sieht man einen lichtdurchfluteten grünen Waldweg, man hört im Geiste die Vögel zwitschern, riecht Laub und Gras – alles weitab vom lärmigen Getriebe der Großstädte, vom Hämmern, Stampfen, Brausen und Brüllen dort. Genau das, was man von Zeit zu Zeit braucht, wenn einem das kulturschaffende Hauptchaos mal wieder zu anstrengend geworden ist. Seelenrückkopplung.
Seit er 1999 das „Impressum“ aufgegeben hatte, weil auch er den Lärm der literarischen Großschwätzer nicht mehr ertrug, hat sich Bruno weitgehend zurückgezogen. Ein melancholisches Gedichtbändchen hin und wieder, da und dort ein paar Lesungen, ansonsten höre ich nicht mehr viel von ihm. Aber seine Stimme ist mir noch im Ohr von damals, als ich ihn gelegentlich anrief, von Konstanz oder Dublin aus, um ihn wegen eines Artikels oder einfach nach seinem Wohlergehen zu fragen: ruhig, aufmerksam, lieb war die Stimme, und nie vergaß er sein „danke, daß du angerufen hast“.
Diese Stimme rezitiert hier nun, mal liebevoll und fast großväterlich, mal ernst und energisch, aber stets mit wohltuender Klarheit und Ruhe, dreizehn Gedichte, untermalt von Gerd Schoppmanns auf- und abschwellenden Akustikgitarre, und im Hintergrund klingt auch das ein oder andere Tamburin. Die Gedichte reimen sich nicht, der Versfuß ist fest, aber alle haben sie eins gemein: sie laden einen zur Stille ein, zur Sinnesentspannung jenseits der Kommerzkrachkultur: „Entkrampf den starren Kummerstrang, / entzieh dein Ohr den Einflußmächten“ („Komm… und verweil für eine Zeit“). Brunos Themen sind die Freiheit, die Reife, das In-sich-selbst-Zurück- bzw. Hineinfinden und die Melancholie, das „Nichts und Alles“ des Lebens. „Erinnerst du dich an die Höhenflüge, / nichts ausgelassen, tief trunkenen Sinnes“ – ja, das ist ein wesentlicher Aspekt des Seins, Janis Joplins „Get it while you can“, das Rasen, die Ekstase – doch Aufschwung ohne Rezession gibt es nicht; das Leben ist wie Konjunktur, und die Kunst ist es, dieses „panta rhei“ mit Gelassenheit so zu nehmen wie es kommt.
Die Natur hilft uns dabei. Eine herrliche CD!
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Komm… – CD von Bruno Runzheimer (Texte & Sprecher) und Gerd Schoppmann (Musik). Winddruck Edition Essen, 2005
Weiterführend zur Theorie des Sozialen →
Eine Theorie des Sozialen lautet, es gebe in der Politik keine Lücken. Immer wo sich eine auftue, werde sie sofort von anderen Akteuren besetzt. Kaum jemand hat die Lückenhaftigkeit des Underground so konzequent erzählt wie Ní Gudix. Ein Porträt von Ní Gudix findet sich hier. Lesen Sie auch die Erinnerungen an den Bottroper Literaturrocker von Werner Streletz und den Nachruf von Bruno Runzheimer. Zum 100. Geburtstag des dirty ol‘ man präsentierte KUNO den Ruhrgebietsbukowski. In einem Kollegengespräch mit Barbara Ester dekonstruiert A.J. Weigoni die Ruhrgebietsromantik. Mit Kersten Flenter und Michael Schönauer gehörte Tom de Toys zum Dreigestirn des deutschen Poetry Slam. Einen Nachruf von Theo Breuer auf den Urvater des Social-Beat finden Sie hier – Sowie selbstverständlich his Masters voice. Und Dr. Stahls kaltgenaue Analyse. – Die KUNO-Redaktion bat A.J. Weigoni um einen Text mit Bezug auf die Mainzer Minpressenmesse (MMPM) und er kramte eine Realsatire aus dem Jahr 1993 heraus, die er für den Mainzer Verleger Jens Neumann geschrieben hat.