Eine Geschichte der Maria von Nazareth
Dem Venuskind
als Kete Parsenow fünf Jahre alt war
Als Abigail der Dritte noch ein Zebaothknabe war und viel, viel Sehnsucht hatte, ritt er auf seinem weißen Kamel in Begleitung seines Spielgefährten Salomein durch die Orte von Palästina und kam nach Nazareth. Dort saßen die Kinder der Reichen und Armen zusammen, alle auf den rissigen Steinstufen der Spieltreppe der Stadt und sangen ein wundersüßes Liedchen auf altnazarenisch-hebräisch. Und Jussuf setzte das kleinste der Kinder auf sein groß Tier und Salomein mußte das Verschen auf einen Schiefer schreiben von den lallenden Lippen des Kindes. So klang es:
Abba ta Marjam: Träume, säume, Marienmädchen –
Abba min Salihï: Überall löscht der Rosenwind / Die schwarzen Sterne aus.
Gad mâra aleijâ
Assâma anadir – Wiege im Arme dein Seelchen.
Binassre wa wa.
Lala, Marjam: Alle Kinder kommen auf Lämmern
Schû gabinahû, Zottehotte geritten
Melêchim hadû-ja. Gottlingchen sehen –
Lahû Marjam: Und die vielen Schimmerblumen
alkahane fi sijab. An den Hecken – / Und den großen Himmel da / Im kurzen Blaukleide!
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Der Prinz von Theben, ein Geschichtenbuch von Else Lasker-Schüler. Paul Cassirer, Berlin 1920
Die erste Geschichte – Der Scheik – und die letzte – Der Kreuzfahrer – sprechen unter anderen jeweils die Sühne zwischen den Religionen an und machen somit das restliche, zumeist schaurig-schreckliche Geschehen ein klein wenig erträglicher.
Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den wichtigsten identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.