Goethes Leben und Erziehung waren durchaus die eines Künstlers. Ihm fehlt das Unbewußte des Dichters. In seiner Selbstbiographie beschreibt er genauestens das Leben des Verfassers von »Wilhelm Meister«. Denn, wie dieses Buch eine Mischung von seltener und leuchtender Weisheit mit einer gewissen Kleinlichkeit, einer Übertreibung von Lappalien zeigt, so läßt auch seine Selbstbiographie erkennen, daß der Fehler seiner Erziehung in ihrer sozusagen rein künstlerischen Durchbildung gelegen war. Seine Kindheit war die eines Stadtkindes, dessen Spielzeug Bilder und Kunstwerke sind, dessen Wunderwelt das Theater bildet, festliche Umzüge und Krönungen. Wie sich der Knabe beim Einzug des Kaisers aufs gewissenhafteste in die Rangabstufungen vertieft und keinen Eindruck daraus unbeachtet läßt, so strebt der Mann nach einer passenden gesellschaftlichen Stellung, die seiner Auffassung von Achtbarkeit entsprechen konnte. Um vieles, das der wildaufwachsende Knabe genießt, wurde er betrogen. Er war in der Tat zu wohlerzogen, um durch und durch erzogen zu sein.
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Henry David Thoreau gilt als Schriftsteller auch in formaler Hinsicht als eine der markantesten Gestalten der klassischen amerikanischen Literatur. Eine Einführung in Leben und Werk von Gerhard Gutherz findet sich hier. Als sorgfältig feilender Stilist, als hervorragender Sprachkünstler hat er durch die für ihn charakteristische Essayform auf Generationen von Schriftstellern anregend gewirkt. Wir begreifen die Gattung des Essays auf KUNO als eine Versuchsanordnung, undogmatisch, subjektiv, experimentell, ergebnisoffen.
Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur.