VORFRÜHLING

 

Es läuft der Frühlingswind

Durch kahle Alleen,

Seltsame Dinge sind

In seinem Wehn.

 

Er hat sich gewiegt,

Wo Weinen war,

Und hat sich geschmiegt

In zerrüttetes Haar.

Er schüttelte nieder

Akazienblüten

Und kühlte die Glieder,

Die atmend glühten.

Lippen im Lachen

Hat er berührt,

Die weichen und wachen

Fluren durchspürt.

Er glitt durch die Flöte

Als schluchzender Schrei,

An dämmernder Röte

Flog er vorbei.

Er flog mit Schweigen

Durch flüsternde Zimmer

Und löschte im Neigen

Der Ampel Schimmer.

Es läuft der Frühlingswind

Durch kahle Alleen,

Seltsame Dinge sind

In seinem Wehn.

Durch die glatten

Kahlen Alleen

Treibt sein Wehn

Blasse Schatten.

 

Und den Duft,

Den er gebracht,

Von wo er gekommen

Seit gestern nacht.

 

 

 

Weiterführend

Im Alter von achtundzwanzig Jahren verschafft sich Hofmannsthal mit dem Brief des Lord Chandos ein Ventil, seinem Zweifel an der Sprache Raum zu verschaffen. Der Sprache traut er jedenfalls nicht länger zu, den Zusammenhang von Ich und Welt herstellen zu können.

Hugo von Hofmannsthal über Gedichte.

 Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.