Absynth

 

Giancarlo schlurfte in die Küche. Goss Flüssigkeit über ein Stück Würfelzucker. Erhitze es über einem Löffel. Es roch nach Wermuth und Anis. Er ließ es ins Glas tröpfeln. Gab klares Wasser dazu, worauf der Absynth leuchtend grün opalisierte. Setzte das Glas an die Lippen. Zuerst war es wie normales Trinken, dann sah er ungeheuerliche, grausame Dinge. Und im Endstadium Dinge, die man sehen wollte, wundervolle, sonderbare Dinge. „So schmählich kannst du enden. Verlassen von deiner Frau, die dir Hörner aufgesetzt hat. Bemitleidet von deiner Sekretärin.“ Er stellte sich vor den Spiegel, forschte in seinem Gesicht nach den Spuren des Alters, versuchte, ein Gespräch mit seinem Spiegelbild zu beginnen. Als ihm das nicht gelang, rief er im Büro an.

»Nein…«, maulte er, »hab‘ die Nase gestrichen voll!«

»Aber Herr di Benedetto…«, entrüstete sich Anne–Ruth Schuster, seine Sekretärin, und legte sich Erklärungen parat, damit sie nicht entgleiste, »Sie können doch jetzt nicht…«

»Doch, kann ich!«, unterbrach er sie barsch, ließ sich auf keine Diskussion ein und legte auf. Auch Männer haben ihre Tage… diesen wollte er ausschließlich mit sich füllen, ihn einfach nur vergehen lassen und dabei zusehen.

 

 

Fortsetzung folgt.

***

Massaker, ein Cranger-Cirmes-Crimi von Barbara Ester und A.J. Weigoni, Krash-Verlag 2001

Weiterführend →

In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen. Der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Dem Begriff Trash haftet der Hauch der Verruchtheit und des Nonkonformismus an. In Musik, Kunst oder Film gilt Trash als Bewegung, die im Klandestinen stattfindet und an der nur ein exklusiver Kreis nonkonformistischer Aussenseiter partizipiert. Lesen Sie auch das Kollegengespräch von A.J. Weigoni mit dem echten Bastei Lübbe-Autor Dieter Walter. Eine Würdigung von Massaker durch Betty Davis lesen Sie hier. Die Hörfassung unter dem Titel Blutrausch hören Sie in der Reihe MetaPhon. Als Tag für die Vorstellung dieses Cranger-Cirmes-Crimis war der 11. September 2001 vorgesehen.