In den Short Stories von A.J. Weigoni stoßen wir auf eine Welt, die kein Erbarmen kennt, der Abgrund ist das Hoheitsgebiet dieses Schriftstellers, aber die Menschen darin empfinden und empfangen Mitleid. Dieser Schriftsteller schreibt von Heimatlosigkeit, und zwar nicht im reaktionären oder kitschigen tümelnden Sinn, sondern von der Heimatlosigkeit gegenüber einer Welt, in der er ein Fremder ist. Immer wieder das Leben der sogenannten kleinen Leute, der Arbeiter und der unteren Mittelschicht, und er bedient sich eines lakonischen, harten Realismus, den man auch aus amerikanischen Kurzgeschichten kennt: wirtschaftliche Probleme vor allem, daraus resultierendes Alltagsleben, Liebe, Trennung, Zwänge, Konventionen.
Weigoni beschreibt einen gesellschaftlichen Zustand, einen „Weltriss“, wie es Heinrich Heine einst nannte. Diese Short Stories stellen sich gegen den Konsens der Gesellschaft und widersetzen sich entschieden der Marktgängigkeit des Literatur-Betriebs. Das herrschende System fügt den Menschen Schmerzen zu, und wir lesen Geschichten, die diese Schmerzen und immer wieder auch ihre Ursachen beschreiben – und mitunter auch Trost bereithalten: Geschichten, die Dissidenz und Melancholie zum Inhalt haben.
Der andere Teil der Menschen, die Weigoni beschreibt, besteht in der Verweigerung gegenüber einer Gesellschaft des permanenten Funktionieren Müssens, der vorgeschriebenen Wege, des manipulierenden Neo-Liberalen Systems. Wer sich einfach so aus seinem Leben fallen lässt, gehört nicht länger zu den Alles-Mitmachern, sondern legt Protest ein gegen die Welt und gegen die vorgefundenen Verhältnisse ein. Es sind bittere Zustandsbeschreibungen aus dem einfachen, in Wahrheit so unermesslich schwierigen Leben.
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Redaktionelle Anmerkung: Die Entwürfe aus dem „Gossenheft“ Monster hat A.J. Weigoni überarbeitet, sie fliessen ein in den Band Zombies, Erzählungen von A.J. Weigoni, Edition Das Labor 2010
KUNO übernimmt einen Artikel von Kultura-extra aus Neue Rheinische Zeitung und fixpoetry. Enrik Lauer stellt den Band unter Kanonverdacht. Betty Davis sieht darin die Gegenwartslage der Literatur. Constanze Schmidt erkennt literarische Polaroids. Holger Benkel beobachtet Kleine Dämonen auf Tour. Ein Essay über Unlust am Leben, Angst vor’m Tod. Für Jesko Hagen bleiben die Untoten lebendig.
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In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen. Der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Dem Begriff Trash haftet der Hauch der Verruchtheit und des Nonkonformismus an. In Musik, Kunst oder Film gilt Trash als Bewegung, die im Klandestinen stattfindet und an der nur ein exklusiver Kreis nonkonformistischer Aussenseiter partizipiert. Dieser angeschmutzte Realismus entzieht sich der Rezeption in einer öffentlichen Institution. Daher sei sei Enno Stahls fulminantes Zeitdokument Deutscher Trash ebenso eindrücklich empfohlen wie Heiner Links Vorwort zum Band Trash-Piloten.