Autor: Else Lasker_Schueler

Elberfeld im dreihundertjährigen Jubiläumsschmuck

„Lott es doot, Lott es doot, Liesken leegt om Sterwen, dat es, god, dat es god, gäwt et wat tu erwen!“ Ich bin verliebt in meine buntgeschmückte Jubiläumsstadt; das rosenblühende Willkomm gilt mir, denn ich‘ bin ihr Kind, die flatternden…

Kete Parsenow

  Die Venus von Siam ist die Kete Parsenow. Feingebogene Dolche sind ihre Augen, wie die der Göttinnen in goldenen Tempeln. Peter Altenberg gab vor einigen Jahren eine Zeitschrift heraus, auf jeder Seite stand »sie« in blonden Farben. Die Kete…

Ruth

  Sie müßte eine Patronesse haben – etwa die Kaiserin von Island oder eine reiche Eskimotochter; vielleicht wird es eine Inger auf Östrot sein. Ruth ist eine Tragödin. Schon seit zwei Jahren spielt sie mit Vorliebe Partien aus Ibsens Werken.…

Marie Böhm

  Ecke Französische und Charlotten-Straße lachen aus einem der Glaskästen schöne, weiße Zähne, zwischen frischen Lippen in Mädchengesichtern. Manche von den jungen Schauspielerinnen offenbaren ihre ureigene Begabung, denn ihre Perlmutterhecken sind gar nicht erschaffen, am Abend hinter zuckenden Lippen versteckt…

Egon Adler

  Meine Spelunke verwandelt sich zum türkischen Café, wenn er und ich zusammen Zigaretten rauchen und wir von den Wänden für unsere Häupter die beiden Fez herunterholen, die auf die Griffe meiner Dolche gestülpt sind. Einer der Söhne des gefangenen…

Rudolf Blümner

  Den Mephisto spielt er jeden Abend, eine Privatvorstellung im Freundeskreis. Ohne witzelnde Fußspitzenpose – der Doktor hat Humor, der im Kranichschritt mit dem Schwermutflügel einherschreitet. Wenn er nicht kommt, sind wir alle belämmert; die gretchenblondesten Mädchenköpfe freuen sich, wenn…

Hans Heinrich von Twardowsky

(Seinem treuen Freund Moritz Seeler) Hans Heinrich, der liebenswürdige Parodiendichter und Schauspieler, trug vor einigen Tagen zum wiederholten Male dem entzückten Publikum seine Verse vor; nun schenkt er sie in einem Buch aufbewahrt allen denen, die Freude an seinen Gedichten…

Die Eisenbahn

  Oben auf dem Oller, wie die Wuppertaler die Bodenkammern zu nennen pflegen, befand sich das Laboratorium meines jüngsten Bruders, »das Giftzimmer«, darin Flaschen mit verschiedenartigen Salzen und Säuren und allerlei Chemikalien seltsamsten Farbeninhalts standen. Namentlich die grünspangelben Schwefelwürfel wirkten…

Die Bäume unter sich

  Ich vertraue meinen dichterischen Einfällen und frage nicht, warum ich immer wieder über die Pflanzen auf unserer Welt dichten muß. Heute früh belauschte ich ein Gespräch, das die Bäume lebhaft miteinander vor meinem Fenster führten. Seitdem nehme ich an,…

Groteske

  Seine Ehehälfte sucht der Mond, Da sonst das Leben sich nicht lohnt.   Der Lenzschalk springt mit grünen Füßen, Ein Heuschreck über die Wiesen.   Steif steht im Teich die Schmackeduzie, Es sehnt und dehnt sich Fräulein Luzie.  …

Vollmond

  Leise schwimmt der Mond durch mein Blut … Schlummernde Töne sind die Augen des Tages Wandelhin – taumelher –   Ich kann deine Lippen nicht finden … Wo bist du, ferne Stadt Mit den segnenden Düften?   Immer senken…

Abend

  (Alexander von Bernus) Hauche über den Frost meines Herzens Und wenn du es zwitschern hörst, Fürchte dich nicht vor seinem schwarzen Lenz.   Immer dachte das kalte Wundergespenst an mich Und säete unter meinen Füßen – Schierling.   Nun…

Syrinxliedchen

  Die Palmenblätter schnellen wie Viperzungen In die Kelche der roten Gladiolen, Und die Mondsichel lacht Wie ein Faunsaug verstohlen. Die Welt hält das Leben umschlungen Im Strahl des Saturn. Und durch das Träumen der Nacht Sprüht es purpurn. Jüx!…

Traum

  Der Schlaf entführte mich in deine Gärten, In deinen Traum – die Nacht war wolkenschwarz umwunden – Wie düstere Erden starrten deine Augenrunden, Und deine Blicke waren Härten –   Und zwischen uns lag eine weite, steife Tonlose Ebene…

Weltschmerz

  Ich, der brennende Wüstenwind, Erkaltete und nahm Gestalt an.   Wo ist die Sonne, die mich auflösen kann, Oder der Blitz, der mich zerschmettern kann!   Blick nun, ein steinernes Sphinxhaupt, Zürnend zu allen Himmeln auf.      …

Mein Kind

  Mein Kind schreit auf um die Mitternacht Und ist so heiß aus dem Traum erwacht.   Gäb ihm so gern meines Blutes Mai, Spräng nur mein bebendes Herz entzwei. Der Tod schleicht im Hyänenfell Am Himmelsstreif im Mondeshell.  …

Streiter

  (Der verehrten Fürstin Pauline zu Wied)   Und deine hellen Augen heben sich im Zorn, Schwarz, wie die lange Nacht, und morgenlose. Des Eitlen Stimme brüllt in toter Pose, Wie durch ein enggebogenes Horn. Und im übermütigen Tausendlachen Der…

Leise sagen –

  Du nahmst dir alle Sterne Über meinem Herzen.   Meine Gedanken kräuseln sich, Ich muß tanzen.   Immer tust du das, was mich aufschauen läßt, Mein Leben zu müden.   Ich kann den Abend nicht mehr Über die Hecken…

Senna Hoy

  Seit du begraben liegst auf dem Hügel Ist die Erde süß. Wo ich hingehe nun auf Zehen, Wandele ich über reine Wege. O, deines Blutes Rosen Durchtränken sanft den Tod. Ich habe keine Furcht mehr Vor dem Sterben. Auf…

Mein Sterbelied

  Die Nacht ist weich von Rosensanftmut; Komm, gib mir deine beiden Hände her, Mein Herz pocht spät Und durch mein Blut Wandert die letzte Nacht und geht Und naht so weit und ewig wie ein Meer.   Und hast…

Der letzte Stern

(John Hertz und Alice Behrend) Mein silbernes Blicken rieselt durch die Leere, Nie ahnte ich, daß das Leben hohl sei. Auf meinem leichtesten Strahl Gleite ich wie über Gewebe von Luft Die Zeit rundauf, kugelab, Unermüdlicher tanzte nie der Tanz.…

Die Liebe

  Es rauscht durch unseren Schlaf Ein feines Wehen wie Seide, Wie pochendes Erblühen Über uns beide. Und ich werde heimwärts Von deinem Atem getragen, Durch verzauberte Märchen, Durch verschüttete Sagen.   Und mein Dornenlächeln spielt Mit deinen urtiefen Zügen,…

Sphinx

  Sie sitzt an meinem Bette in der Abendzeit Und meine Seele tut nach ihrem Willen, Und in dem Dämmerscheine traumesstillen, Engen wie Fäden dünn sich ihre Glanzpupillen Um ihrer Sinne schläfrige Geschmeidigkeit.   Und auf dem Nebenbette an den…

Frühling

  Wir wollen wie der Mondenschein Die stille Frühlingsnacht durchwachen, Wir wollen wie zwei Kinder sein. Du hüllst mich in dein Leben ein Und lehrst mich so wie du zu lachen.   Ich sehnte mich nach Mutterlieb Und Vaterwort und…

Dämmerung

  Ich halte meine Augen halb geschlossen Graumütig ist mein Herz und wolkenreich Ich suche eine Hand der meinen gleich Mich hat das Leben, ich hab es verstoßen Und lebe angstvoll nun im Übergroßen Im irdischen Leibe schon im Himmelreich.…