Ich habe Tote, und ich ließ sie hin und war erstaunt, sie so getrost zu sehn, so rasch zuhaus im Totsein, so gerecht, so anders als ihr Ruf. Nur du, du kehrst zurück; du streifst mich, du gehst um,…
Ein Mal, in einem schönen Gleichnis, ward mir das Verhältnis des Dichters im Bestehenden, sein »Sinn« vorgehalten. Das war auf der großen Segelbarke, mit der wir von der Insel Philae nach den ausgedehnten Stau-Anlagen hinüberfuhren. Es ging zuerst den…
by Rainer Maria Rilke • • Kommentare deaktiviert für Über den jungen Dichter
Immer noch zögernd, unter geliebten Erfahrungen überwiegende und geringere zu unterscheiden, bin ich auf ganz vorläufige Mittel beschränkt, wenn ich das Wesen eines Dichters zu beschreiben versuche: dieses ungeheuere und kindliche Wesen, welches (man faßt es nicht: wie) nicht…
by Rainer Maria Rilke • • Kommentare deaktiviert für Der Wert des Monologes
Kürzlich ging die Frage durch diese Blätter: Sind Monologe im modernen Drama statthaft oder nicht? Die Monologe bekamen Recht. Vielleicht ist es nicht wertlos, einmal nicht so sehr den Monolog, als vielmehr die Gelegenheit zu betrachten, bei welcher er…
Graf Lew Tolstoj hat in seinem letzten vielumfragten Buche »Was ist Kunst?« seiner eigenen Antwort eine lange Reihe von Definitionen aus allen Zeiten vorangestellt. Und von Baumgarten bis Helmholtz, Shaftesbury bis Knight, Cousin bis Sar Peladan ist Raum genug…
by Rainer Maria Rilke • • Kommentare deaktiviert für Thomas Mann’s »Buddenbrooks«
Man wird sich diesen Namen unbedingt notieren müssen. Mit einem Roman von elfhundert Seiten hat Thomas Mann einen Beweis von Arbeitskraft und können gegeben, den man nicht übersehen kann. Es handelte sich ihm darum, die Geschichte einer Familie zu…
Man kennt die Romane des Dänen Herman Bang. Sie haben alle etwas Todtrauriges, Hoffnungsloses, Entmutigendes. Man erinnert sich der Menschen, die darin vorkommen, wie man sich vielleicht verlorener und unglücklicher Existenzen erinnert, von denen man als Kind gehört hat.…
Vielleicht war es immer so. Vielleicht war immer eine weite Fremde zwischen einer Zeit und der großen Kunst, welche in ihr entstand. Vielleicht waren die Kunstwerke immer so einsam, wie sie es heute sind, und vielleicht war der Ruhm…
Mittags waren in dem alten Haus gegenüber der Malteserkirche – drei Treppen hoch – die neuen Mieter eingezogen, und bis zum Abend wußte man nur, daß sie ungewöhnlich große Möbel mitgebracht hatten, die in den engen Windungen der Wendeltreppe…
by Rainer Maria Rilke • • Kommentare deaktiviert für Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke
„…den 24. November 1663 wurde Otto von Rilke / auf Langenau / Gränitz und Ziegra / zu Linda mit seines in Ungarn gefallenen Bruders Christoph hinterlassenem Anteile am Gute Linda beliehen; doch mußte er einen Revers ausstellen / nach…
im Jardin des Plantes, Paris Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, daß er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt. Der weiche Gang geschmeidig…
Daß ich dereinst, an dem Ausgang der grimmigen Einsicht, Jubel und Ruhm aufsinge zustimmenden Engeln. Daß von den klar geschlagenen Hämmern des Herzens keiner versage an weichen, zweifelnden oder reißenden Saiten. Daß mich mein strömendes Antlitz glänzender mache; daß…
Warum, wenn es angeht, also die Frist des Daseins hinzubringen, als Lorbeer, ein wenig dunkler als alles andere Grün, mit kleinen Wellen an jedem Blattrand (wie eines Windes Lächeln) –: warum dann Menschliches müssen – und, Schicksal vermeidend, sich…
Mit allen Augen sieht die Kreatur das Offene. Nur unsre Augen sind wie umgekehrt und ganz um sie gestellt als Fallen, rings um ihren freien Ausgang. Was draußen ist, wir wissens aus des Tiers Antlitz allein; denn schon das frühe Kind…
by Rainer Maria Rilke • • Kommentare deaktiviert für Die siebente Elegie
Werbung nicht mehr, nicht Werbung, entwachsene Stimme, sei deines Schreies Natur; zwar schrieest du rein wie der Vogel, wenn ihn die Jahreszeit aufhebt, die steigende, beinah vergessend, daß er ein kümmerndes Tier und nicht nur ein einzelnes Herz sei,…
Feigenbaum, seit wie lange schon ists mir bedeutend, wie du die Blüte beinah ganz überschlägst und hinein in die zeitig entschlossene Frucht, ungerühmt, drängst dein reines Geheimnis. Wie der Fontäne Rohr treibt dein gebognes Gezweig abwärts den Saft und…
Wer aber sind sie, sag mir, die Fahrenden, diese ein wenig Flüchtigern noch als wir selbst, die dringend von früh an wringt ein wem, wem zu Liebe niemals zufriedener Wille? Sondern er wringt sie, biegt sie, schlingt sie und schwingt sie, wirft sie…
O Bäume Lebens, o wann winterlich? Wir sind nicht einig. Sind nicht wie die Zug- vögel verständigt. Überholt und spät, so drängen wir uns plötzlich Winden auf und fallen ein auf teilnahmslosen Teich. Blühn und verdorrn ist uns zugleich…
Eines ist, die Geliebte zu singen. Ein anderes, wehe, jenen verborgenen schuldigen Fluß-Gott des Bluts. Den sie von weitem erkennt, ihren Jüngling, was weiß er selbst von dem Herren der Lust, der aus dem Einsamen oft, ehe das Mädchen…
Jeder Engel ist schrecklich. Und dennoch, weh mir, ansing ich euch, fast tödliche Vögel der Seele, wissend um euch. Wohin sind die Tage Tobiae, da der Strahlendsten einer stand an der einfachen Haustür, zur Reise ein wenig verkleidet und…
Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel Ordnungen? und gesetzt selbst, es nähme einer mich plötzlich ans Herz: ich verginge von seinem stärkeren Dasein. Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch…
by Rainer Maria Rilke • • Kommentare deaktiviert für Die heiligen drei Könige
Einst als am Saum der Wüsten sich auftat die Hand des Herrn wie eine Frucht, die sommerlich verkündet ihren Kern, da war ein Wunder: Fern erkannten und begrüßten sich drei Könige und ein Stern. Drei Könige von Unterwegs…
Als der große Mime Norinski um drei Uhr nachmittags in das National-Café, welches vor dem Prager tschechischen Theater liegt, eintrat, erschrak er ein wenig, lächelte aber gleich darauf sein verächtlichstes Lächeln: in dem Spiegel, schräg gegenüber der Tür, hatte…
Sein Leben und seine Kunst, solle man immer nach der Notwendigkeit richten. Mit seiner in den Neuen Gedichten vollendeten, von der bildenden Kunst beeinflussten Dinglyrik gilt Rainer Maria Rilke. als einer der bedeutendsten Dichter der literarischen Moderne.…
by Rainer Maria Rilke • • Kommentare deaktiviert für Sieben Gedichte VII
Wie rief ich dich. Das sind die stummen Rufe, die in mir süß geworden sind. Nun stoß ich dich Stufe ein um Stufe und heiter steigt mein Samen wie ein Kind. Du Urgebirg der Lust: auf einmal springt er…
Wem sind wir nah? Dem Tode oder dem, was noch nicht ist? Was wäre Lehm an Lehm, formte der Gott nicht fühlend die Figur, die zwischen uns erwächst. Begreife nur: das ist mein Körper, welcher aufersteht. Nun hilf…
Wie hat uns der zu weite Raum verdünnt. Plötzlich besinnen sich die Überflüsse. Nun sickert durch das stille Sieb der Küsse des bittren Wesens Alsem und Absynth. Was sind wir viel, aus meinem Körper hebt ein neuer Baum die…
Schwindende, du kennst die Türme nicht. Doch nun sollst du einen Turm gewahren mit dem wunderbaren Raum in dir. Verschließ dein Angesicht. Aufgerichtet hast du ihn ahnungslos mit Blick und Wink und Wendung. Plötzlich starrt er von Vollendung, und…
by Rainer Maria Rilke • • Kommentare deaktiviert für Sieben Gedichte III
Mit unsern Blicken schließen wir den Kreis, daß weiß in ihm wirre Spannung schmölze. Schon richtet dein unwissendes Geheiß die Säule auf in meinem Schamgehölze. Von dir gestiftet steht des Gottes Bild am leisen Kreuzweg unter meinem Kleide;…
Du hast mir, Sommer, der du plötzlich bist, zum jähen Baum den Samen aufgezogen. (innen Geräumige, fühl in dir den Bogen der Nacht, in der er mündig ist.) Nun hob er sich und wächst zum Firmament, ein Spiegelbild das…
Auf einmal faßt die Rosenpflückerin die volle Knospe seines Lebensgliedes, und an dem Schreck des Unterschiedes schwinden die [linden] Gärten in ihr hin Mit seiner in den Neuen Gedichten vollendeten, von der bildenden Kunst beeinflussten…
Zunächst bitte ich Sie um Güte und Geduld. Ich bin mir vollkommen bewußt, daß es nichts Geringes ist, einestundelang über Gedichte reden zu hören. Wenn die Sache nicht schon in den Zeitungen stünde und so unangenehm festgenagelt wäre, könnten…
Wie manches Mal durch das noch unbelaubte Gezweig ein Morgen durchsieht, der schon ganz im Frühling ist: so ist in seinem Haupte nichts was verhindern könnte, daß der Glanz aller Gedichte uns fast tödlich träfe; denn noch kein Schatten…
O du wilde weite Werferin: Wie ein Speer bei andern Dingen lag ich bei den Meinen. Dein Erklingen warf mich weit. Ich weiß nicht wo ich bin. Mich kann keiner wiederbringen. Meine Schwestern denken mich und weben, und…
by Rainer Maria Rilke • • Kommentare deaktiviert für DIE WALLISER GEDICHTE
Nach einem windigen Tag, in unendlichem Frieden, versöhnt sich der Abend, folgsam wie mancher Geliebte. Alles wird Ruhe und Klarheit … Aber am Horizont bildet sich golden durchsonnt ein schönes Relief aus Wolken. Mit…
Ich steh im Finstern und wie erblindet, weil sich zu Dir mein Blick nicht mehr findet. Der Tage irres Gedränge ist ein Vorhang mir nur, dahinter Du bist. Ich starre drauf hin, ob er sich nicht hebt, der…
Sie geht hin und her wie die Wachposten draußen am Rand der Wälle, wo nichts mehr ist. Und wie in den Wachposten, ist Heimweh in ihr, schweres Heimweh in Stücken. Wie unten im Meer irgendwo Spiegel sein müssen, Spiegel…