Autor: Werner Weimar-Mazur

vogelmenschen

  ich lehnte mich an den wind im glauben auf rettung vor dem tod griffen meine hände nach stimmen die herüberwehten aus einer anderen zeit   in einem früheren leben war ich vogelmensch und flog durch kristalline gebirge war schmetterlingsfrau…

gesang eins

    auf einmal wurde die landschaft hügelig buckelwale duckten ihre rücken im gras alle halme bewegten sich im gleichklang die musik musste von fernher kommen hinter dem gebirge wechselte der himmel seine farben Şirin sang von der küstenebene drang…

troja

  über die gefalteten dächer wirft der krieg girlanden ayhan schläft seit tagen ziehen schillerfalter ins gebirge liegen tarnnetze über karawansereien und in den ebenen flugabwehrraketen ayhan geht im traum nackt zwischen soldaten schläft der halbmond hören schmetterlinge flüsternde stimmen…

das alte paris

  und wenn der asphalt weich wäre und weißoder wenigstens hellblauwürde ich ein himmelbett aus ihm bauenauf ein auto bettete ich mein hauptund in einem der prächtigen boulevardssuchte ich mir einen mannden zweitbesten der vorüber kämealle bewohner der stadt wären…

weimar, 14. mai 2018, 21.52 uhr

  entlasse ich in den abend eine drohne eine saxophonsequenz ein vielversiges epos über die spannweite der sterne die vom nahen bergrücken auf die stadt nieder schauen war dominique hier und vor ihm david judith küssend zum abschied in die…

undulation

1großes herzecho an der wandhängen gemälde von bruegeldu spielst violine 2wir falten blumen zu gedichtenund verfüttern sie an die ungläubigenhautflügler 3adonisfalter wollen wir seinauf einem röntgenbildmit lungenflügeln 4du atmest groben sandmit den flugzeugenziehen stare übers gebirge     *** herzecho…

b

  fließen stimmen den abhang der zeit hinabdrängt gedankenschutt zu talim netz der landschaftverfangen sich die letzten flüssigkristalleeiner früheren epochegeh ich den weg der monde und gestirnesind sanduhren gefüllt mit falterstauberinnerungen einsamkeitenschwarze löcherbleibst du bleibe ichstehenstaunen wirfülle ich noch einmal…

mecklenburg (gesang für ein polnisches fischgericht)

  vater spricht von häuserbauenauf der weide die stute galoppiertüber die straßen zieht salzluftin bernsteinfarbenen fenstern spiegeln rosenblätterschneefalter einen krieg zwei kriegebist du fort gezogen und gestorbendein gummibaum erinnert nochdeine schwestern sind alle tot deine brüdernur einer hat überlebt ruhe…

GEDICHTE FÜR SCHNEELEOPARDEN

  auf dem bahndamm liegen die dörfer / nach süden hinseit du gegangen bist / schreibe ich gedichteschneeleoparden sind dankbar / für jedes wort gestern sah ich einen / er lief an den dörfern vorbei nach südenwo ein meer lag…

hautstille | im gegenlicht

für Friederike Mayröcker 2014 regenschirme treiben vorbei das leben zahlt sich aus tage wabern im sommerlicht wie algenteppiche oder wasserlinsen im mäander auf einem berg stand ich am parnass sagen wir besser an einem abhang und stürzte in ein thrakisches…

luzid

Wir spielten uns selbst und gerieten beim Sprechen in Verse.                                                                                         (Peter Kurzeck) die treppenstufen gezählt21 22 23die herzschläge24 25 26oben angekommen und wieder nach untenalles noch einmal von vornedie treppenstufen der herzschlag am ende die müdigkeit und schließlich fingen wir…

GUTGLÄUBIGKEIT

  wir legen uns welt um den hals und steine in die taschen unsere kinder spielen mit schlangen und drachen in der zeitung steht dass es das alles nicht gibt und nichts gegen den schmerz     *** hautsterben, von…

NACHTS KEHREN STIMMEN

  an meine tür zurückoder ich beobachte sie draußen im gartenwie sie sich austobenmit den eulen im april haben die stimmen ausgangin den regen den schnee und die sonneauf die noch verlassenen almenim april sind die stimmen melancholischverirren sich in…

Haugemer Fasnacht *

  anderi sii welled‘ kinder un au d‘ erwachsenialli verkleidetwie wenn si anderi sii wodteals sie sin‘vielliicht sin‘ sie’s aufür e stund oder zweiwer chas wüsse   d‘ gugged‘ gugge trummle un bloosee chrachwie numme sälde im läbespöterwenn de heimgohschisches…

hautsterben

  heute ist hautsterben morgen werden sie dir sagen dass es dich nicht gibt ich spanne falter zwischen meine finger und zähle die farben meiner hand wir sahen haut sterben zu grabe getragen atmet sie noch wasser     ***…

SCHWARZWALD

  hügelketten so dahin geworfen hintereinander grün die farbe nicht blau grün   und der wald die hügel hinauf und wieder hinunter weit von den dingen von hier weit   hügel aneinander gekettet grüngeworfen waldweit blaugrün   hinter den hügeln…

ZURÜCK BÜHLERTAL

  der wald ist nicht der wald ist die magie des waldes die sehnsucht meiner seele nach wald grün wie die streuobstwiese hinter dem haus nicht die streuobstwiese ist erinnerung an kindheit ist an glückliche und unglückliche tage   in…

döllacher elegie (tauern und tage)

  wir gehen über haut andere vergnügungen gönnen wir uns nicht mehr dein gesicht liegt eingebettet zwischen moränen   du schmiegst dich in die landschaft grün feucht und kalt blättert haut auf wie rinde oder schiefer   das moos auf…

manchmal sind gedichte

  wie welke blätter die in nasses gras fallen manchmal wie schnee der auf den bergen taut eine flut im fluß auf dem wege zum meer gedichte können sterben weinen auch lachen manchmal haben sie die kraft einer frau oder…

abend der partisanen | kebec

Wir sind begeistert von Quebec, aber Edward will es nicht malen, also fahren wir morgen weiter. (Josephine „Jo“ Verstille Hopper, geb. Nivison, in einem Brief vom 24. Juni 1933)   abend der partisanen die nachbarn schlafen mit faltern lautlos stößt…