Autor: Wolfgang Schiffer

Die Tänzer

  (Sie tanzen ohne mich. Ich tanze nicht auf dem Vulkan.)   Zu oft schon hat der letzte, schnelle Zorn die Welt verändert, doch sie gewandelt? Nie. Jetzt sitz ich still, im Leib ein Dorn, inmitten Scharen schwarzer Vögel und…

Leben

von Satz zu Satz, in Zeiten der Mühe ein Wort, in die Leere pfuschst du ein Komma und streichst es aus gegen ein Geräusch, ein lautes Bild gegen das Vergessen: Du gingst, schon mit Haar im Gesicht, in den Keller,…

Rückblick

von Sjón Tage wie schnelle Eidechsen wie schweigsame Gläser mit Wasser gefüllt und ein winziger Sturm ums Kinn   Tage wie ein schuppiger Faden im roten Stoff des Kleids für die Abschiedsstunde wie Schere oder fallende Schwalben   Tage wie…

Landschaft, Winter

  Der Schnee, die unsichtbaren Wege. Der Stand der Eichen gibt die Richtung an, in die wir gehn. Aus ihrer Borke sehn uns tausende Gesichter nach und auf dem Hügel stehn die Birken wie Odins tote Krieger.   Die Nachrichten…

Die Saison geht zu Ende

  Ein Gartenrestaurant. Stille, kaum Wind in den letzten Blättern. Ein Lastwagen fährt vorbei.   Stimmen von weit her ohne Körper. Stühle, in Ketten gelegt unter einer Eiche. Daneben Hundekot und eine Regenpfütze.   Querdurch eine Fahrradspur vom Gartentor zur…

Sommerabend

von Snorri Hjartarson    Vom Norden treibt das Wetter Wolkenpolster vor sich her und webt sie an den Fuß des Hangs, der Quelle und dem Weiher brennt sprühend Regen in den scharfen Augen, der Schilfteich graut, schwer neigen sich die…

Sommer

von Stefán Hörður Grímsson    Die braunen Fischernetze des Dorfes hängen an Latten und Seilen Angelschnüre und Fangleinen im Rund warten im halbdunklen Eck.   Bleigraue Wellen im Fjord plätschern um Brückenpfähle und hofieren Bordwände versiegelt mit Teer.   Hinter…

Aussicht im Dunkeln

von Stefán Hörður Grímsson     Ein rotes Haus an der Ecke eines anderen Hauses Ein Schornstein auf dem First der Scheune schräg nach West Ein alter Mann am Stock summt eine Strophe vor sich hin über den Schöpfer des…

Noch ist es Morgen,

  kalt steht die Sonne, die Stämme der Kiefern sind lackschwarze Streifen auf dem Wasser.   Kein Wind. In der Luft noch der Schrei der Katzen und doch schon das Singen der Vögel. Nicht Lärm, und auch ich versuche, geräuschlos…

Lass deine Flügel ruhen

  von Jón úr Vör Lass deine Flügel ruhen in meinem Gedicht, kleiner Vogel, beim weiten Flug vom Morgen bis in die Nacht.   Lehne dich, Stern, an eine Blume in meinem Garten, einen Atemzug lang, auf deiner Reise durch…

Am Meer

  Hier sitzen: Sand und Gischt und Muschelwerk die Sonne blutet aus der Wind schreit Möwen an wenn sie ihm allzu dreist den Weg verstellen es ist, als knatterts im Gefieder oder täuscht mich das verletzte Ohr das ich noch…

Kaltgeplatztes Grau liegt auf dem Acker,

  die schwarzen Vögel picken sich die Schnäbel krumm und fliegen auf, verstört.   Gestern noch haben wir getanzt und im Scherz gesagt, wir tanzen auf einem sterbenden Planeten. Heute hats sicher einen zu Boden geschlagen, morgen schlägts dich.  …

L. im Oktober

  Erste Kälte in den Straßen. Ein gelber Hund. Die Sprache der Mauern. Wind. Kein Wind. Die Haut raut sich von innen auf. Die Welt in mir steht still.   Ruhe. Keine Ruhe, diese Stille. Nicht atmen, die Kälte nur…

V. im Januar

  (für den Unbekannten, der sich Jonny Remember nannte und für mich sang, vor dem Eingang zum Teatro Fenice)   Du hast geschrien inmitten der Menge, die Donizetti hören wollte.   Du hast gesungen in meinen Armen, bis ich trunken…