Kategorie: Allgemein

Hertzrasen

  Periodisch schwingt in gebotener Taktfrequenz pro Sekunde regelmäßig wiederholendes Ereignis endlose Zyklen umfasst es kakophonischen Kammerton des Hertzrasens mit Lichtgeschwindigkeit flimmert Vorhof der Iris gebrochenes Weiß in den Tränen deiner Augen.     *** Freilauf, Miniaturen von Stefan Oehm,…

Sprache ist Heimat

Mit dem Geburtsort wird auch die Muttersprache als Ursprung und Wiege des Ich gesucht, aber nur als eine ihm fremde gefunden. Letztendlich wird die gemeinsame Fremdheit von Fremd- und Muttersprache zu einer ausgewogenen – indes labilen – Vertrautheit. So wie…

Die schwelgerische Lust am Satzbau

Wenn ein neues Buch erscheint, lies du ein altes. Arno Schmidt A.J. Weigonis Werk ist ein Kassiber an die Nachgeborenen. Wir müssen die Hinterlassenschaft entziffern. Es ist die Komplexität der formalen Mittel, die seine Bücher so aufregend machen. verfügte über…

Die Stadt Düsseldorf ist sehr schön

  Ja, Madame, dort bin ich geboren, und ich bemerke dieses ausdrücklich für den Fall, daß etwa, nach meinem Tode, sieben Städte – Schilda, Krähwinkel, Polkwitz, Bockum, Dülken, Göttingen und Schöppenstädt – sich um die Ehre streiten, meine Vaterstadt zu…

Triebökonomie

  Bei Lachsstrudel und französischem Weisswein plaudert es sich angenehm. Der Textilkaufmann Wolfram Keyl umgarnt seinen Geschäftspartner Hagen Wundschick. Er beherzigt, dass man Menschen so elegant über den Tisch ziehen muss, dass die dabei entstehende Reibungshitze als Nestwärme empfunden wird.…

ein buch der sublimierungen

Die Schrift ist gegenüber dem Medium der mündlichen Sprache und Kommunikation minderwertig, da sie sich nachteilig auf das Erinnerungsvermögen auswirkt. Platon das lesekatalogundhörbuch zum gattungsübergreifenden und multimedialen »Projekt 630«, das auch ein buchkatalog ist, verbindet eine novelle von a.j. weigoni…

Leben’n’Werk, eine Verlustanzeige

Auch ich werde sterben, und meine Werke werden verschwinden; es hat sich gelohnt, sie zu schaffen, aber es ist überflüssig, sich ihretwegen Sorgen zu machen. Sie leben ihr eigenartiges Leben, wie und solange sie es können. Imre Kertész A.J. Weigoni…

Rheintor · Rückblick

Was ist uns Kunst wert – und was besagt das über ihren Marktpreis? Was die Artisten dieser Reihe verbindet, ist der Rhein. Alles im Fluß, in Fluß. Es begann ganz lässig mit dem Kunstprojekt Drei über Wasser 1989, im Rheintor trafen…

Liebe Leser*Innen!

  Sie reisen in popmoderner Grossraumprosa. Eine Klimaanlage sorgt für Ihr Wohlbefinden. Ihrer Bequemlichkeit dienen: * Überschriften mit Nackenstütze. * Sätze mit verstellbarer Rückenlehne. (Verstellbar in den Nebensätzen) * Hochklappbare Armlehnen zwischen den Sätzen. * Leseleuchten über jedem Absatz. *…

Kein Geräusch deutet auf Gefahr

  Keine Bewegung der an den Kanälen montierten Maschinen unterstützt die Notwendigkeit von Warnmaßnahmen. Die Möwen kreisen wie gelenkt immer um dasselbe Becken. Der im Wärterhaus endlich hinter einer Zeitung verborgene Pförtner rechnet nicht damit, dass man ihn durch die…

Clicks, Cuts, copy & paste

  Es macht die Faszination von Literatur aus, die Flucht in die Unwahrheit in die schönste Lüge zu verwandeln, die wir kennen – in Poesie. Poesie ist gemeingefährlich. Ohne sich durch Logik, Vernunft, oder Benimmregeln beeinflussen zu lassen, dringt sie…

Neuer deutscher Jugendfreund

  Die Beseligung, mit welcher man ihn entgegennahm, kaum wagte, einen Blick hineinzuwerfen, war die des Gastes, der auf einem Schlosse angekommen, kaum wagt, mit einem Blicke der Bewunderung die langen Fluchten von Gemächern zu streifen, die er bis zu…

Fachsprachengewirrwarr

  “…ist zu dunkel, kann nichts mehr sicher ansprechen, baume ab.“ Herr Nipp sitzt neben einem Freund in einer Kanzel zum Ansitzen. Das ist eine Form der Jagd, aber was der Freund da faselt, das versteht er nicht, also fragt…

Heißzeit. Die Welt erscheint im Pyrozän

  Die sich zum Klima bekennen, das Schwinden der Eisschilde nicht leugnen, das einströmende Salz in der Umwelt, die sauren Ozeane, verhalten sich zur Zukunft; das bringt neben unerhörten und unverstan­denen Forderungen die Gefahr von Erstarrungen und Verkrampfungen mit sich.…

Partikularrealitæt

  das Rætselhafte des Lebe–Wesens erkunden die Weltgeschichte der Umwelt verfassen & eine Wahrnehmungsnotiz der Landschaft schreiben = in dieser Naturgeschichte kœnnten Erkenntnistheorie & Ontologie nicht mehr von einander getrennt werden   Formen der Wahrnehmung & des Verhaltens bestimmen die…

Über Lob, Preis und Ruhm

  Ich spreche von Ruhm an und für sich selbst. Denn er hat oft sehr nützliche Folgen, weswegen er wünschenswürdig werden kann: Er erwirbt uns Wohlwollen und schützt uns einigermaßen vor Anfällen und Beleidigungen von andern Menschen und so mehr…

Dis go dis way, this go that way

Free Your Mind… and Your Ass Will Follow Funkadelic Menschen tanzen gern. Seit jeher! Voneinander zu lernen und einander Moves abzuschauen, eine spontane Synchronisierung. Egal ob Breaking, Waacking und Krump, Voguing, Electro und Dancehall, der indische Kathak, Patsula aus Südafrika…

Tod auf Stelzen

AJ gewidmet   Er war müde. Seine Weltmännerschritte überquerten die gleichmütig entfaltenen Architekturen städtischer Lethargie.   Dann schrie er.   Weltmanns genug, im letzten Scheitern die Spitzel in den prokastinösen Gehäusen halb über halb unter sich mit irren Wortgeräuschen aus…

Eine Hommage an das Bahnhofskino

Bahnhofsgegend. Ein mieses Viertel, gerade für Kinogeher. Schlechte Projektionsbedingungen. Popkornorgien in Schachtelkinos, abhängende Kiffer im Raucherkino. Daneben Pornokinos: die Raincoatbrigade in der Nachmittagsvorstellung, Studenten im Hauptfilm, Intellektuelle in der Spätvorstellung. Das Vorspiel ist beendet, bevor es angefangen hat. Der Hauptfilm…

Wut über die verlorene Zeit

In der analogen Welt hat man stundenlang in Plattenläden nach der einen Schallplatte gesucht, hat sie dann wie einen Schatz nach Hause getragen, gehütet und gesammelt. Heute haben wir 100 Millionen Musiktitel gratis auf Spotify abrufbereit. Hartmut Rosa Punk war…

Wunsch:

  Dass man die Städte einmal pur sehen kann: ohne die parkierten, die fahrenden Autos, ohne die Menschen in der Stadt, ohne Müll. Die Stadt als Stadt eben, rein und ganz sich selbst überlassen. Dass wir all die Autos, all…

Minestrone o Minestra?

  Sir Peter und Ich, diesmal in leichteren Gesprächsebenen … Well, sagt Er, ich könnte jetzt eine Kleinigkeit essen. – Wo du das sagst, sage Ich, bekomme ich auch Appetit. – Es gibt Minestrone, sagt Er. – Aha, Gemüsesuppe, nicht…

Siepenteich

  Kleine Kerbtäler, in denen tröpfchenweise kleinste Quellen ihr sickerndes Wasser mit Bedacht und wohldosiert an die Oberfläche schicken, werden in dieser Gegend auch Siepen genannt. Oft idyllische Rückzugsgebiete für seltene Pflanzen und Tiere. Orte, die früher gerne zugeschüttet wurden.…

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  wenn das magische Mädchen auf dem Baum ist so wächst er zu den Plejaden empor oder       *** Baumzyklen, Gedichte von Sophie Reyer, KUNO 2021 Weiterführend →  Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht…

Permanenter Ausnahmezustand

  A.J. Weigoni ist von uns gegangen, die Aufgabe des Lesers besteht darin, sich aus diesem Konvolut an Bruchstücken, Scherben und Fragmenten ein Zeitbild zusammenzusetzen. Sein Werk ist eine Röntgenaufnahme dieser Wechselwirkungen. Weigoni konnte nicht existieren, ohne zu schreiben, und…

Snow’s Lecture

Cambridge, 1959 Man könnte die Menschen in zwei Klassen einteilen, notierte Heinrich von Kleist, in solche, die sich auf eine Metapher und in solche, die sich auf eine Formel verstehen. Das war zwar schon damals keine neue Erkenntnis, doch hatte…

Altbierperspektiven

  Der Ungarorheinländer, Poet, Novellist, Dramatiker, Romancier und Gesamtkünstler A.J. Weigoni hat mit Lokalhelden einen weiteren Roman vorgelegt. Diesmal reflektiert er über die deutsche Republik in den Neunzigern des vergangenen Jahrhunderts nach der Wiedervereinigung. Die „Bonner Republik“, so nennt man…

Archäologie eines rätselhaften Bergvölkchens

Sauerland, mein Herz schlägt für das Sauerland Begrabt mich mal am Lennestrand Wo die Misthaufen qualmen, da gibt’s keine Palmen (Zoff) Der Autor des Essays stammt aus Meinerzhagen, einer Stadt im Westen des Sauerlands. Ulrich Raulff lädt uns ein, eine…

Gratkanten

  dauernde Abbrueche & Neuansætze syntaktische Verwerfungen offenbaren mit sprechlosen Zeichen den fragmentarischen Charakter des Lebens der Welt entkommen sich unmittelbar verschenken & dabei den Augenblick der Anmut wieder herstellen   in hochalpiner Zone strahlt gœttliche Schœnheit im Gletscher lauert…

Über den Wert des Analogen

KUNO interessiert sich dafür, was sich nach Karl Kraus‘ Fackel entzündete Wir stellen auf KUNO von Zeit zu Zeit sehr gern Literaturzeitschriften vor, wie unlängst durch Maximilian Zander geschehen. Wir schätzen auch eine eine Lit.-ZS wie die Matrix, die sich…

Archivrecherchen in Berlin und Riga

  Wer sich auf die Suche nach Quellen monströser nationalsozialistischer Mordtaten während der Zweiten Weltkriegs in Osteuropa begibt, der wird bereits nach der Lektüre des Vorwortes von Prof. Sabine Schleiermacher hellwach. „Volksdeutsches“ Selbstverständnis, das mit der ethnischen Neuordnung Osteuropas verbunden…

Freiheit

  Die gesamte Unterkellerung des Bahnhofsgebäudes übernehmen die Zugänge zu den U-Bahnen. Dort finden sich dann auch alle zwanzig Meter blaue Hinweisschilder mit weißer Aufschrift. Diese bezeichnen nicht nur die Ein und Ausgänge des Bahnhofs nach Himmelsrichtungen, sondern auch städtische…

Bayreuther Bier

Bin ich erstmal in Bayreuth, Himmel, wie werd ich trinken …      ***   Lokalhelden, Roman von A. J. Weigoni, Edition Das Labor, Mülheim 2018 – Limitierte und handsignierte Ausgabe des Buches als Hardcover. Weiterführend → Lesenswert auch das…

Popkulturelle Blaupause

  Der Dauerbrenner des tropisch aufgeheizten Sommers: eine Hypercalypseleitmelodie verspricht in naher Zukunft eine ferne Sehnsucht zu realisieren. Aufreizend gutgelaunte Moderatoren versuchen die Zwischenzeit zu überbrücken. Nach dem Experiment der globalen Visualisierung hat das Digital–Audio–Broadcasting mit einer Neugestaltung des Programms…

Weniger ist mehr

Mein Buch des Jahres ist Theo Breuers neuer Lyrikband „Nicht weniger nicht mehr“ Norbert Scheuer Wir wollen weniger erhoben, / Und fleißiger gelesen sein, lesen wir in einem bekannten Vierzeiler Gotthold Ephraim Lessings. Kann man „fleißiger lesen“, als Theo Breuer…

Eine Erinnerung an die Nachtigall der Kurzform

  Das Schreiben spielt die Rolle, dass es mir vielleicht vorkommt, als hätte alles einen gewissen Sinn. Wenn mir zwei oder drei Sätze gelingen, dann habe ich das Gefühl, meine Existenz wäre nicht völlig absurd, als bliebe noch ein Funken…

Die berauschte Gesellschaft

  Der erste Blick auf das Inhaltsverzeichnis signalisiert den grundlegenden Aufklärungsanspruch der Studie. Stichworte wie riskanter Genuß, teuflische Wirkung von Bier und Wein, Alkohol als Ersatz für gesunde Lebensmittel, wider den totalen Rausch, Alkohol als Wirtschaftsfaktor, Laster der Trunkenheit wie…

Tautologisches Dasein

Heimat ist ein Schlüsselbegriff für das Verständnis der deutschen Kultur und Geschichte. Friederike Eigler Erinnern ist immer ein Verlangen nach Geschichte, nach Herkunft, nach Heimat. Heimat als konstruierter und dekonstruierter Raum. A.J. Weigonis Gefühle gegenüber Deutschland waren ebenso gespalten wie…

Am Vorabend

Was der Sozialismus hinter sich hat, hat der Kapitalismus vor sich Heiner Müller Effiziente Zweckmässigkeit. Hoch aufgetürmte Pappkartons sind als Schallwände im Raum verteilt. Modellbau für ein neues Bühnenbild, ihr übliches kreatives Chaos. Sabine nutzt als Zuzügerin die West–Berliner Insel…

Logbucheintrag:

die Zeit zeitlos verbringen in den Herbstzeitlosen am Rande der Welt, am Rande eines schwarzen Lochs, wo Zeit und Raum den Platz tauschen, strange, strange fühlt sich das an, blitz und blank und kein Entkommen innen drinnen, weil die Außenwelt…

Reine Kopfsache

Die exzessive politische Korrektheit hat etwas Totes in sich, sie tötet auch Sprache ab. Werner Herzog Wer einmal das 10. Gebot aufmerksam liest, stellt überrascht fest: Hier spricht der Gott der Christen und Juden (der ja auch der Gott des…

Das Praktikum

  Die verkalkte Maschine sprotzt. Kaffee ist gerade durchgelaufen. Die letzten Tropfen dröppeln über den Prött durch den Filter. Der Präparator ist ein grobschlächtiger Typ jenseits der Midlife–Crisis, seine Koteletten sind buschig und dicht wie der Schwanz des Eichhörnchens. Er…

Stein

  Manchmal, denkt Herr Nipp, reicht nur ein Wort, ein Geruch oder eine Berührung und schon entsteht ein ganzer Roman. Nicht geschrieben, klar, aber er ist dann da. In Gedanken  wird plötzlich verglichen mit den Erfahrungen, mit Begegnungen und Menschen,…

Verwandlung des Bösen

  Herbst: schwarzes Schreiten am Waldsaum; Minute stummer Zerstörung; auflauscht die Stirne des Aussätzigen unter dem kahlen Baum. Langvergangener Abend, der nun über die Stufen von Moos sinkt; November. Eine Glocke läutet und der Hirt führt eine Herde von schwarzen…

Elberfeld im Rheinland

  Ich bin in Theben (Ägypten) geboren, wenn ich auch in Elberfeld zur Welt kam im Rheinland. Ich ging bis elf Jahre zur Schule, wurde Robinson, lebte fünf Jahre im Morgenlande, und seitdem vegetiere ich.     *** Else Lasker-Schüler…

Dreieinigkeit

Es gibt keinen Tod. Das Leben endet nie. Klingonisches Sprichwort Zum 1. November gedenken wir auf KUNO nicht nur den „Allerheiligen“ sondern auch der Ketzer. Und diese sind, wenn sie nicht gerade Auftragsarbeiten des Papsttums ausführen, zumeist Häretiker. Die KUNO-Redaktion…

Fata Morgana

    kaum näher gerückt zieht es wieder vorbei das wahrgenommene Geflecht der unaufhebbaren Zeit auf & davon nur gelegentlich mutiert sie zur Spiegelung       *** Fragen im Schlepptau, Gedichte von Ines Hagemeyer. Ludwigsburg: Pop Verlag 2021 Weiterführend…

Aufstand gegen die von Männern bestimmenten Machtverhältnisse

  Die Ich-Erzählerin Sylvie Meyer, eine dreiundfünfzigjährige Mutter von zwei Söhnen, von ihrem Ehemann geschieden, überrascht von Anfang an mit einem radikalen Bekenntnis. Sie kenne keine Gewalt, selbst die Gewalt in uns, die wir auf die anderen übertragen, sei ihr…

Der große Wurf, eine Sprechblasenoperette

  Oh Lord, won’t you buy me…“, säuselt die Vocalise aus dem blechern tönenden Lautsprecher des Autoradios. „… my friends all drive Porsche…“. Genau das würde der Taxifahrer Fridolin Fleppe lieber tun, als eine abgeschriebene Droschke durch die Stadt zu…

Von Drachen und Drachen

  Das Formgedicht KITE ist visuelle Poesie und verbindet fünfzig Sprachen und Dialekte miteinander, von denen in den seltensten Fällen alle Übersetzungen für den Rezipienten lesbar sein dürften. Ich sage bewusst „Rezipient“, denn das Formgedicht ist für den Leser und…

Holland ist ein Novum

  DADA in Holland ist ein Novum. Nur ein Holländer, I. K. BONSET, ist Dadaist. (Er wohnt in Wien.) Und eine Holländerin, PETRO VAN DOESBURG, ist Dadaistin. (Sie wohnt in Weimar.) Ich kenne dann noch einen holländischen Pseudo-dadaisten, er ist…

Eine Postkarte, diesmal aus Leipzig

  Den 26. Oktober Dear Peter, Richard, mit dem ich soeben im Café Central eine Limonade trank, lässt Sie herzlich grüßen! „Sagen Sie Sir Peter, er soll sich nicht zu sehr mit Bach herumquälen. Die Inventionen, so hübsch ihre Ideen…

Problemgeschichtliche Nachbarschaft

  Die Wirklichkeit literarisch auf der Höhe der Zeit auseinandernehmen. Und wieder zusammensetzen. In seinem ersten Roman stellt A. J. Weigoni die Welt auf die Vergänglichkeitsprobe. Er ist dabei auf ein Land gestossen, das sich abhanden gekommen ist. Zwischen November 1989…

Minnesängerinnen der Postmoderne

  Das  befreite Spiel mit der Liebe hat auch acht Jahrhunderte nach der frommen Anbetung der frouwelin durch den Troubadour oder den Minnesänger im abendländischen Gesang über die „Anbetung“ der Geliebten nicht zu deren Befreiung von Gewalt geführt. „Ich stehe…

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  Schatten Baum Blätter die als würden sie beten sich hineinfalten in sich selbst es lügt also auch dieser Wald     *** Baumzyklen, Gedichte von Sophie Reyer, KUNO 2021 Weiterführend →  Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem…

Recherche theatrale

  Als Angelina wieder einmal auf eine kulturelle Selbstbestätigung angewiesen ist, geht sie allein ins Theater. Da ihr die Zeit wegläuft, muss sie sich mit einer Droschke transportieren lassen. »Ins Theater wollen Sie?«, erkundigt sich der an Travis Bickle erinnernde…

Der Busengott

  Doktor Stanislaus Kolbenhoff litt. Immer noch suchte er händeringend einen vernünftigen und qualifizierten Tennislehrer. Doch selbst Deutschlands bekanntester Schönheitschirurg erlebte auf dem edlen Grün des Tenniscourts schmerzlich seine Grenzen. Viel mehr als die Entspannung auf dem Sportplatz blieb Kolbenhoff…

Die Maske abgenommen

  Die Betriebsruhe der Corona-Zeit hat dem Photographen Peter Truschner etwas ermöglicht, das sonst für einen freischaffenden Künstler so gut wie unmöglich ist: sich eine Auszeit vom Tagesgeschäft zu nehmen und sich ohne Druck einer Sache zu widmen, die untergründig…

Weltbeschreibungsbücher

Die KUNO-Redaktion drückt die Rückspultaste: Eigentlich ist ein Konzeptalbum eine LP, bei dem die einzelnen Titel nicht isoliert, sondern in ihrer thematischen Beziehung zu den anderen Teilen des Albums als Gesamtwerk betrachtet werden. Durch die Ausarbeitung eines musikalischen und textlichen…

Gedæchtnisfalte

  sich Biographemen zuwenden die Synthese von Werk & Leben nachzeichnen & Denken am Leitfaden des Leibs = unaussprechliches Heimweh nach einer unvollendeten Vergangenheit haben & der Welt der Surrogate entkommen   Radikale Reduktion / betonte Kœrperlichkeit hypermoderne Nomaden beziehen…

Randständige Texte

Wenn es Videoclips gibt, muss auch die Literatur auf die veränderten medialen Verhältnisse reagieren. A.J. Weigoni, 1991 Dieser Sprechsteller hatte ein feines Gespür für eine Literatur in den Zwischenräumen des in Bild, Text und Ton überlieferten. Literatur im Spannungsfeld der…

Kreislauf

  In leeren Wartesälen hallt von kahlen Wänden jeder Schritt wider und wieder und wider die Wände mürbe gekratzt von ratlos rastlosen Händen lose Worte zerfetzter Sinn aus der Zeit gefallen auf blanken Boden gescheuert geschunden getreten dein schwerer Gang…

Kein Spaß im Cyberraum?

 Glaubwürdige Digitalisierungkritik muss präzise sein Joachim Paul Dass der Autor ein ausgewachsenes Problem mit den Auswüchsen des globalen Kapitalismus hat, sollte nicht insofern missverstanden werden, er liefere in seinen Texten ein alternatives Gestaltungsangebot menschlichen Wirtschaftens und Verhaltens. Er begnügt sich…

Wie man im Rheinland ein anderer wird, um derselbe zu bleiben

Ein geschriebenes Wort ist die köstlichste Reliquie. Henry David Thoreau In seinem bis hinter das „tolle Jahr“ 1848 – in den deutschen Vormärz zurückgreifenden Roman – erzählt A.J. Weigoni von den rheinischen Umbrüchen. Einfache Antworten liefert er keine, auch nicht…

$exchange

  Der Padrone gibt sich cool. Pomade bändigt sein südländisches Temperament. Der Machismo ist ihm angeboren. Sein chromblitzendes Lächeln wird regelmässig von einem Mechaniker gewartet. Es harmoniert prächtig mit der Inneneinrichtung des Szene–Cafés und dem stylischen Soundtrack des Easy Electronic…

Bewusstseinsdunkel

  Charismatiker der Verlorenheit ueber den Abgruenden einer geschundenen Seele mit dem verzweifelten Versuch auf vermintem Terrain anschlussfæhig zu blieben   in der Gravitationskraft des Fleisches die eigene Hinfælligkeit entdecken mit den Ausstuelpungen der Physiognomie das Animalische des Leibs herausstellen…

Überlegungen zum lyrischen Gesamtwerk von A.J. Weigoni

Dieser Lyriker ist ein Sprachspieler, der die Worte abklopft als wären es Fruchthülsen. im altertum verglich man das dichten mit der webkunst. marcus terentius varro sprach vom flechten der verse. auch kirchenslawisch und arabisch gab es die tradition des verseflechtens.…

Kopfkino ein WortVideo für eingeweihte Ohryeure

Germany’s Next Top Novel Vor 35 Jahren ist Orson Welles gestorben, er hat unfertige Filme hinterlassen, einen davon hat Netflix fertiggestellt. Gedreht wurde The Other Side of the Wind von 1970–1976, es ist, eine Satire über Hollywood, in der John…

Die Medienpluralität hat das Monomedium Buch verdrängt

  Das literarische Sprach-Handwerk spricht vom Sterblichen, Poesie zielt seit dem Gilgameschepos aber auf Unsterblichkeit. In den Schmauchspuren drückt sich das schmerzende Gefühl des Verlustes der Metaphysik aus. Spätestens seit einem Verkehrsunfall mit Nahtoterfahrung wusste A.J. Weigoni um einem Leben…

Was den Deutschen abgeht

  Was der deutsche Geist sein könnte, wer hätte nicht schon darüber seine schwermütigen Gedanken gehabt! Aber dies Volk hat sich willkürlich verdummt, seit einem Jahrtausend beinahe: nirgendswo sind die zwei großen europäischen Narkotika, Alkohol und Christentum, lasterhafter gemißbraucht worden.…

BRIEFMARKEN-HANDLUNG

  Wer Stapel alter Briefschaften durchsieht, dem sagt oft eine Marke, die längst außer Kurs ist, auf einem brüchigen Umschlag mehr als Dutzende von durchlesenen Seiten. Manchmal begegnet man ihnen auf Ansichtskarten und weiß dann nicht, soll man sie ablösen…

Das Rheinland als Projektionsraum

Zuhause bin ich, wo ich meinen Ärger habe. Peter Bichsel Obwohl A.J. Weigoni für diesen Roman das Arbeitsstipendium des Landes NRW erhalten hatte, sind die Lokalhelden in der lokalen Presse auffällig beschwiegen worden. Offensichtlich hat hier jemand einen Tabuzaun beschädigt.…

Kein Ankerplatz, nirgendwo

  Nomen est omen – der Titel ihres neuen Gedichtbands sagt schon viel: Fragen im Schlepptau. Ines Hagemeyer legt der Öffentlichkeit nach fünf Jahren neue Gedichte vor, die um alte Themen kreisen. Es sind die Fragen, die sie – und…

Gedränge

  Früher ist es ihm nicht so aufgefallen, das Gedränge allerorten. Zu manchen Veranstaltungen gehört es einfach, Kirmes, Fußballstadion, Openairkonzert und wahrscheinlich vielen anderen. Es war ihm allerdings nie so bewusst wie jetzt, dass es Menschen gibt, die es auf…

Meinungsdeutungen seit der Wiedervereinigung

Nach der sogenannten Wiedervereinigung herrschte die Annahme, die beiden Landesteile würden innerhalb einer Generation zusammenwachsen. Zum 30. Jahrestag ist Deutschland so parzelliert, wie vor 1871 Die Deutsch-Deutsche Geschichte besteht seit 1848 aus ausgefransten Rändern, inneren Brüchen und holprigen Übergängen. Als…

Der Rhein

  Im dunkeln Efeu saß ich, an der PforteDes Waldes, eben, da der goldene Mittag,Den Quell besuchend, herunterkamVon Treppen des Alpengebirgs,Das mir die göttlichgebaute,Die Burg der Himmlischen heißtNach alter Meinung, wo aberGeheim noch manches entschiedenZu Menschen gelanget; von daVernahm ich…

Bonn, ohne Datum. Am Schreibtisch

  Caro Signor Pirandello, in der Tat: ich begann vor 14 Jahren damit, meine Sündenfotos zu sammeln. Nicht wegen der Schönheit der Bildnisse, sondern … ich weiß nicht recht … ich ahnte, dass es eine Serie mit vielen sehr unterschiedlichen…

Theresienstädter Requiem

  Die 1963 in Prag publizierte Novelle „Theresienstädter Requiem“ aus der Feder von Josef Bor wurde nach ihrer Veröffentlichung in zahlreiche europäische Sprachen übersetzt. Der Autor, 1906 in einer tschechisch-jüdischen Familie in Ostrava geboren, geriet 1942 mit seiner Familie in…

FAHRSCHEIN

  ich will einen fahrschein nach bitterfeld-wolfen kaufen. am schalter im schönebecker bahnhof sitzt ein mir unbekannter älterer herr mit prägnantem gesicht, der fahrkarten verkauft, während er leise rätselhafte sätze spricht. ich gebe ihm das geld. als noch zwei oder…

RHYTHMUSSTÖRUNG

    Formen laden zum engen Tanz mit dem Leben ein, merkte der Strukturalist nach einem monströsen Lied. Willkür ist Spielraum minus bedingender Reaktion, singt dort sein Pianist und leckt die Kreuze weg. Sauberkeit hat ausgebeulte Akkorde zur Folge. Glatt…

Bonn, 27.9. Am Neutor

  Lieber Damonte, haben Sie herzlichen Dank für Ihre Karte! Ihr ‚Selbstporträt‘ auf der Rückseite erinnert mich an die frühen ‚Grisailles‘ Gerhard Richters, die verschwommenen Porträts, die er in Schwarzweißtönen malte, etwa den RAF-Zyklus ‚18. Oktober 1977‘ – dagegen ist…

Gedanken zur Stimmabgabe

  Der Kehlkopf ist eine bemerkenswerte Konstruktion. Er sitzt direkt auf der Luftröhre, quasi an der Kreuzung von Atem- und Speiseweg. Seine vordringliche Aufgabe ist es, zu verhindern, dass Nahrung in die Luftröhre gelangt, weshalb er gleich über zwei Verschlussmechanismen…

Bonn, 25.9. La Fontana

  Pirandello erwartete mich schon. „Signor Damonte“, rief er, „Sie haben La Traviata in Leipzig gesehen, stimmt’s?“ – „Woher wissen Sie …?“ – „Pschsch …“, machte er, „… egal! Sagen Sie, kennen Sie die Callas?“ – „Und ob!“, sagte ich,…

Das Ruhrgebeat, der Schnittpunkt der Popmoderne

Ein Streifzug durch die De-Industrialisierung Seit der Industrialisierung ist das Ruhrgebiet ein Schmelztiegel. Nach der Einstellung des Bergbaus zunehmend einer der Kulturen. Als einer der größten Ballungsräume Europas verfügt die Region, die lange vornehmlich durch die Stahlindustrie und den Bergbau…

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  mein Mund ist zerbrochen mein Wort kniet am Boden während ich noch ich sage rinne rinn so vor Sinn hin Knochenich mein Mund ist zerbrochen     *** Baumzyklen, Gedichte von Sophie Reyer, KUNO 2021 Weiterführend →  Ein Porträt von…

Geruchsbelästigung

  Er bemerkt hinter den sauber drapierten Gardinen wohleingerichtete Zimmer und auf den Fensterbänken Pflanzen sowie Anzeichen von Nahrungszubereitung. Beim Klappern von Geschirr zuckt er zusammen. Er heftet den Blick auf die ansteigenden Kleingärten hinter dem Haus, die hauptsächlich aus…

Toter Hase

    Weiterführend → Lesen Sie dazu auch die Reflexion Wie der tote Hase mir das Leben erklärt. → Mehr über die Hungertuchpreisträgerin Katja Butt.

Der Schwebezustand der Poesie

Literatur entsteht langsam, sie muss nicht reagieren wie etwa der Journalismus. Kreativität ist keine Tätigkeit, die man nicht am Reißbrett planen kann, dies läßt sich exemplarisch am Langsamschreiber A. J. Weigoni ablesen. Obwohl er seit fast 40 Jahren Prosa und…

Dedicated to Sir Peter

  In der berühmten Weimarer Gelateria di Giancarlo gegenüber Schillers Haus bestelle ich gerade den ersten Espresso des Tages, da treffe ich – du wirst es kaum glauben, lieber Leser – Arthurs Mutter. „Bonjour, Madame Adèle!“ – „Parbleu, Signore Rico,…