Kategorie: Allgemein

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  der Besitz   Schädel an Stacheln aus Draht gebaute Haut   Hirn hängt baumelt von der Decke deren Stuck du doch so schön renoviert hast   Deine Hände haben mich in deine Wände geschraubt da darf ich schön sein…

Conditio sine qua non

  Schlange, sage ich, ich liebe dich, ich will mit dir zusammenleben. – Ich auch, sagt Schlange, ich liebe dich auch. – Wo ziehen wir hin?, sage ich, zu dir will ich nicht. – Zu dir will ich auch nicht,…

Déjà vu

  unerreichbare Stille je leiser die Trauer umso mehr bricht Verheiltes auf wird die Behausung gläsern liegt der erste Stein wurfbereit     *** Dichtungsring, eine Sondernummer für Ines Hagemeyer, Bonn, 2018 Aus dem Nachwort: „Mit dem Geburtsort wird auch…

Wehwehchen

Als Herr Nipp morgens aufstand, machte ihm sein Hals zu schaffen. Nicht nur, dass er sich am ersten Tag einen fiesen Sonnenbrand eingefangen hatte, der täglich trotz Lichtschutzfaktor 50+ neu gereizt wurde, sondern auch, dass eine noch viel gemeinere Stechmücke…

Wieder glücklich

Der mausfarbene Morgen, die honigroten Beine der Spinnen in der Sonne, in der Luft. Über den Gräsern. Wer seinen Bienenstock in die Stunde des Mittags trägt, in die Gegend freundlich und launisch, wer das Gewicht des Lichts weiß, hat keinen…

Im Flüchtlingsghetto

  Es treten aus den dunklen langen Schatten Die ersten Wesen an das Mittagslicht. Man sieht nur große Augen, kein Gesicht, Die Spinnenarme. Rennen da die Ratten?   Wer durch die Gassen geht, weiß, wo’s gebricht. Die Reichen, die nichts…

Der Hopfnungsträger

Auch Wasser wird zum edlen Tropfen Mischt man es mit Malz und Hopfen Sprichwort Vorbemerkung der Redaktion: Das Kultusministerium NRW unterstützt die Arbeit an diesem Roman mit einem Arbeitsstipendium. Die „Brauereifachfrau“ Martina Haimerl hat für KUNO einen Blick in das…

Und hier ist es … schon wieder …

  Wer sich in den 1970-er Jahren in Düsseldorf für Freitagnacht verabredete, traf sich auf der Ratinger, eine Seitenstraße der Düsseldorfer Altstadt. Gemeint war entweder das Uel, das Einhorn oder der Hof, wie Insider ein garagenähnliches Gebäude nannte; Touristen wollten…

Grellen

In der Nacht, wenn er sich unbemerkt weiß, kehrt er zurück. Dann überfliegt er die Städte, die sich zu seinen Füßen ausbreiten. Lautlos fast, nur ein sehnsüchtiges Pochen in den Ohren Augen Kopf spüren das heftiger, immer heftiger pulsiert das…

für Shoshanna

  liebes ich ging immer neben dir in deinem gefieder schlief licht unsere schatten wandten sich ab und kreuzten dein gesicht   steine schenken bitteren ruch seit du eisvogel fort bist monde durchwachen die nacht der stirn seit du nicht…

frank lampard

  frank lampard, dessen vater der alte frank lampard war wie auch seine drei brueder, ein aelterer, zwei juengere allesamt frank lampard hieszen, besagter frank lampard war ein fuszballspieler der extraklasse, weit besser noch als sein vater frank lampard, der…

Verklammerung von Großmachtpolitik und imperialen Wirtschaftsbeziehungen

  „Im Land der Männer“ (2006) und „Geschichte eines Verschwindens“ (2011) – mit diesen Erzählwerken hat der libysche Schriftsteller Matar, 1970 in New York als Sohn eines Dichters und Diplomaten geboren, auf das Schicksal seines Vaters aufmerksam gemacht. Er wurde…

Poésie pure

  Den wert der dichtung entscheidet nicht der sinn (sonst wäre sie etwa weisheit gelahrtheit) sondern die form.       *** Zum 150. Geburtstag von Stefan George, eine Erinnerung an den Symbolisten. Vorbild für Georges Gedankengebilde war Friedrich Hölderlin…

Ahnt wohl,

welchem Gefühl entlehnt: diese Gefühle zusammengezogen und schmerzfrei. Wer spürte, was die nächste Wolke bespricht. Wer geht nun einwärts durchs Distelgestrüpp und setzt die lahmenden Vögel vor die Füße der Liebenden     *** Vom Raben was, von Arthur Breinlinger,…

Disruption als neues Geschäftsmodell

Wie die Strategie „Product as a Service“ die Wirtschafts- und Arbeitswelt verändert Die Digitalisierung wirbelt nicht nur die Arbeits- und Lebensweisen durcheinander. Sie schafft auch neue Geschäftsmodelle. Die Konsequenzen dieser Veränderungen sind den meisten nicht klar. Damit dieses Wissen nicht…

Kunst am Bau, entschärft

    Ein Achtel, grob gerundet, der Insassen missbilligt solcherlei Verhüllungskunst: „Was die da planen, ist doch nicht zu fassen! Zum zweiten Mal das Hohe Haus verhunzt!   Ganz offensichtlich gegen uns gerichtet.“ – Bald lastet plattgewalztes Leichtmetall darauf. Politisch…

Geschlechtervielfaltsgesetz

Als das Binnen I in die Spache kam, fiel den aufmerksamen LeserInnen schnell auf, daß FaschistInnen und RassistInnen nicht vorkommen. Inzwischen ist gendergerecht ein * dazugekommen. Diese gendergerechte Didaktik, oft auch gendersensible Didaktik genannt, soll darauf abzielen, dass sie Frauen…

Papier. Material, Medium und Faszination

„Die gängigen Papiertüten heissen gewickelte oder geklebte Spitztüten, Flachbeutel, Kreuzbodenbeutel und Klotzbodenbeutel.“ In der digitalisierten Welt, wo Inhalte zunehmend durch Touchscreen und eReader vermittelt werden, gewinnt das klassische Material Papier wieder an Aktualität: Immer mehr Menschen sind von der Haptik…

Wer Antwort wüsste

auf das Herübergefragte. Ich setze auf das Weiße im Schwalbengefieder. Ich hab auf den Sommer gesetzt und kenne, was er ausstreut. Vergesse, im Schatten geblieben, nicht, wer vorübergeht, habe niemand gekannt     *** Vom Raben was, von Arthur Breinlinger,…

Wenn ich die Ferne nenne

  Wenn ich die Ferne nenne, sprech‘ ich vom Befinden und dem, was vorhanden, ich meine Gewesenes, meine den Nachhall von Vergänglichkeit, der sich im Wort weitet.  Ist  Ferne ein Wort der Vergangenheit, birgt sie die Beschwörung von Geistes Gegenwart.…

Gummistiefel

Als er mal wieder in einem der Felder nicht weiter kommt, weil sich vor ihm über einige hundert Quadratmeter ein Tümpel, ein kleiner Teich auftut, Reste der letzten Regenfälle, muss er an die Menschen in den Überschwemmungsgebieten denken, die jetzt…

Der plötzliche Spaziergang

  Wenn man sich am Abend endgültig entschlossen zu haben scheint, zu Hause zu bleiben, den Hausrock angezogen hat, nach dem Nachtmahl beim beleuchteten Tische sitzt und jene Arbeit oder jenes Spiel vorgenommen hat, nach dessen Beendigung man gewohnheitsgemäß schlafen…

Dirk Baecker zum Systembegriff – reloaded

Am 9. April 2018 veröffentlichte ich einen Beitrag mit dem Titel „Anti-Aufklärung? Kriegstechnologie? Anmerkungen zu blinden Flecken im Narrativ der Kybernetik“. Der Soziologe Dirk Baecker sprach mir als einer der ersten seine Anerkennung aus, der Beitrag sei seiner Auffassung nach…

Assoziationen zur Frage: Ist das Kunst?

Vorbemerkung der Redaktion: Über Kunst wird viel geschrieben. In den Feuilletons, in Fachzeitschriften, kunsthistorischen Seminaren, kulturpolitischen Ausschüssen oder in Kommissionen zum Thema ‚Kunst als Wirtschaftsfaktor‘. Aber wann wird einmal ganz grundsätzlich über Kunst nachgedacht, darüber, ob wir, wenn wir über…

I must confess

    I want to share my experience with you however I cannot reveal all the information inotherwords I am constrained to hold back   I intend to share with you we can discuss this matter that is of high…

fink

      ruft er metallisch klirrend in der frühe bleibt es kalt und regnet  zwischen dornen und disteln  erscheint er plötzlich scharenweise  sterben menschen fliegt er weiter  frei und flüchtig fängt man ihn  singt er geblendet im käfig  …

Ausflüge ins unergründliche Leben

  Feuer glimmen. Silben stieben auf. Sätze wärmen mit ihren imaginären Bildern, die sich im Leser ausbreiten wollen. Denn nicht anders entsteht Lyrik. Der Dichter legt nur Scheite auf, hält die Flammen wach. Drückt sie wieder nieder, sprüht Kühle, lässt…

Eine Seifenoper aus dem Buckingham Palace

Mein Leben gähnt mich an, wie ein großer weißer Bogen Papier, den ich vollschreiben soll, aber ich bringe keinen Buchstaben heraus. The Royals erzählt die Geschichte einer fiktiven Königsfamilie in England. Diese setzt sich konkret aus König Simon und seiner…

Der Tag

    Weiterführend → Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit…

Die Menschen die Beziehungen

die Freude die Vorbereitung der Schmerzen die Einigung die Lösungen die Auflösungen die Verknüpfung die Zusammenhänge die politischen Wissenschaften die Wissenschaft von der Politik die Wissenschaft des Geistes die Natur die Bevölkerung der Natur die Begriffe die Begrifflichkeit die Kreise…

Verkürzer

Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung an…

Vorzeichen

Manche Wanderungen starten zunächst unter eher schlechten Vorzeichen. Manche Vorzeichen allerdings werden von den Menschen auch aus Unkenntnis als schlecht bewertet, ohne eingehend geprüft oder gar nachgedacht zu haben. So gilt es vielen Menschen tatsächlich als ungünstig, wenn es nachts…

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  Altlasten   Dein Auge das Schlüsselloch in der Erinnerung umgedreht Requiem deiner Kinderblicke and how easy it was to kill: Krankheit Käfer, Käfersucht       ***   Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem…

Wortler

ist der Name eines Wortes männlichen Geschlechts. Wortler wirft ohne erkennbaren Sinn Geld in Spielautomaten und wartet nicht ab. Wortler besäuft sich ohne zu bezahlen. Wortler schläft in Freudenhäusern im Klo oder in besonderen Fällen und tagsüber in der Besenkammer.…

Ich bin ein armes epigon

  Ich bin ein armes epigon ich faule in dem schwarzen wald die städte sind schon abgefeilt   Ich bin ein armes epigon wo soll ich hin mit meiner maut wo setz ich meine Baale aus   Ich bin ein…

eine Zeit

  jenseits der Zeit voller Einschußlöcher Doppelbildlandschaft das Gesicht des Krieges mit den Totenköpfen der Lebenden     *** Rückblick auf: Dichtungsring, eine Sondernummer für Ines Hagemeyer, Bonn, 2018 „Mit dem Geburtsort wird auch die Muttersprache als Ursprung und Wiege…

Schon vorbei

  Es mag der Satz sich nicht zu Reden formen: Die Sprache will nicht mehr ein Helfer sein. Der Mensch ist so geboren, ganz allein. Die Norm will Norm nicht sein bei dem Abnormen,   Was jetzt geschieht. Entsetzlich kalt…

Heimat – ein Begriff wird umkodiert

Vorbemerkung der Redaktion: Das Kultusministerium NRW unterstützt die Arbeit an diesem Roman mit einem Arbeitsstipendium. Betty Davis hat für KUNO einen Blick in das Typoskript geworfen: Die Lokalhelden sind von einem ethnologischen Gestus geprägt. A.J. Weigoni betätigt sich als literarischer…

Stilles Requiem auf die Demokratie

Seit der Bestellung von Leo Trotzki zum Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten im Jahr 1918 machte die Ernennung keines anderen Ministers mehr so viel Furore wie die von Yanis Varoufakis zum griechischen Finanzminister; erstmals seit den Tagen der Oktoberrevolution entzündete im…

Wohnung

Die Wohnung hatte schon so manchen kommen und gehen sehen. Manche kamen auf leisen Sohlen. Manche blieben nur eine Nacht. Manche gingen früh. Manche sah man nie. Manche sahen im Leben nie was anderes. Manche lachten wohl dann und wann.…

Die Möwe

  kam gestern zu uns herab und predigte lauthals vor Kameras von Nächten in denen sie als Keilschrift durch den   Himmel gefallen war. dabei waren es erst tausend moderne Gedichte gewesen aus denen sie in geschwungene Sfären   geströmt,…

weimar, 14. mai 2018, 21.52 uhr

  entlasse ich in den abend eine drohne eine saxophonsequenz ein vielversiges epos über die spannweite der sterne die vom nahen bergrücken auf die stadt nieder schauen war dominique hier und vor ihm david judith küssend zum abschied in die…

ERZÄHLUNGEN

  ich höre erzählen vom tanzen der wandrer ums auge zwischen göttern und dingen die welt stand still solange sie tanzten sie riefen die götter in magischen ringen die antwort kam aus dem mund der schlange die lebte der erde…

Die Suche nach dem Glam

1 Eine Reise beginnt. Die Suche nach dem Kitt. Die Suche nach dem Heroin. Die Suche nach dem Glam. Glam kurz für Glamour. Wo findet sich dieser Stoff, der alles besser macht, das Pulver, der Feinstaub, der alle Bedeutung erhöht?…

Eine dekonstruierte Legende

  „Der restaurative Geist der achtziger Jahre begünstigte die historische Verdrängungsarbeit, die Beuys buchstäblich ins Werk setzte. Die postmoderne Sehnsucht strebt nach Friede, Freude, Eierkuchen im Fabulieren von „individuellen Mythologien“. Und mit geradezu kindlichem Eifer nahmen die Vertreter der Kunstkritik…

Revolutionsheikus

  Die aus dem Zeitraum von 2009 bis 2016 stammenden Gedichte des ukrainischen Lyrikers und Publizisten zeichnen sich durch Gedankengänge aus, die ungeachtet ihrer vielschichtigen Visionen keine Lösungen anbieten. Vielmehr verlieren die Figuren bei der Suche nach irgendwelchen sinnträchtigen Zielen…

Fehlversuche

WARUM nicht mit dem Ort beginnen? So, als gäbe es eine Einheit des Ortes in dieser Geschichte wie in anderen Geschichten, aber wenn die Seele, wie es heißt, Prügel bezogen hat, weiß man nicht, wo oben ist, wo unten, es…

Herr Glück

  *** Gott schmiert keine Stullen von Eva Kurowski, rowohlt Seit der Textsammlung: Twitterature. The World’s Greatest Books Retold Through Twitter von Alexander Aciman und Emmet Rensin fragt sich KUNO, wer zu den Vorläufern dieser neuen Literaturgattung gehört. Der Limerick…

Der erste Neger

Ich habe den ersten Neger gesehen. Ein Soldat der US-Army. Er saß auf einem Panzer oder auf einem LKW oder in einem Jeep; so genau weiß ich das nicht mehr. Er war sehr groß und saß sehr lässig da; wie…

AUF DER FUSSGÄNGERZONE FREITAG UM ZEHN

  der in den bus steigt hat eine steuersache am bein er führt die Shoshanna bar und wird sozi empfänger sein die dame sammelt der schwänze wegen fotos aus DON der junge macht sich mit zwei mark achzig von mutter…

Dieser Frühling

und dieser und dieser Frühling oder: ein Fisch, ein Fisch ohne Augen, aber jetzt: im Sommer, als die Vögel von überall her kleine Teile zusammentragen und bauen … Nester nicht, keine Nester, kleine Maschinen ohne Flügel, doch redend wie der,…

Ein kurzer Blick auf die heutige Lyrik

Einleitung Ich zeige in diesem Aufsatz kurz auf, wo heutzutage Lyrik zu finden ist und gehe der Frage nach, wieso sie einen so schlechten Ruf genießt. Dabei steht vor allem die These im Vordergrund, dass Lyrik derartig in Verruf geraten…

Apfelbäume

Abends sitzt er bei lauem Wetter gerne an der nahen Ruhr, die einst so tot dalag, nun aber ein neues Leben erhalten hat. Wenn in den anderen Teilen der Republik die Flüsse über ihre Ufer treten und die Innenstädte fluten,…

Res/o/nanz auf res·o·nant

Eine Annäherung an Mischa Kuball 1. Ein Bau wie keiner. Geradezu ein Un-Bau, unterirdische Achsen, schiefe Wände und unklimatisierte Betonschächte2. Eine Schnur-Gerade, die eine zickzack-fache gebrochene Linie, eine Bruchlinie durchschneidet und an den Schnittpunkten eine horizontale Bruchkante bildet, die in…

Mit Entfernungen umgehen

Mit Entfernungen umgehen wie mit Worten. Mit Worten Entfernungen umgehen. Entfernungen mit Worten umgeben. Die Abseitigkeit der Worte. Worte aus ihrer Entfernung zur Abseitigkeit rücken. Mit Worten ausrücken, ins Entfernte. Das Entfernte bleibt unerreichbar. Mit jeder Bewegung vorwärts bleibt das…

´68, das spiegelverkehrte 89`

Die Revolution ist gerade die Einführung der Idee in die geschichtliche Erfahrung, während die Revolte nur die Bewegung ist, die von der Erfahrung des Einzelnen zur Idee führt. Albert Camus Ein Zeitzeichen von KUNO zum internationalen „Kampftag der Arbeiterklasse“. Die…

I hope me with you

      full and all below should you prefer more I can with you   and well       *** Spam Poetry von Joanna Lisiak, KUNO 2018 Die Lyrikerin Joanna Lisiak hat aus Spam-Emails Gedichte destilliert. Diese Methode…

sperling

  der einst samen wilder gräser in der steppe fraß ahnte nicht wie fett er später im getreide lebt  zuckend und hüpfend am tempel der göttin  die ihn zwischen ihren brüsten in den händen hielt  ehe man sein fleisch für…

brot

als mein leib gewachsen war im ofen wurde ich herausgezogen  lag ich neben mir wie ungebacken begann mit der geburt die letzte lebensphase seither streu ich asche aus den knochen  spring in mich zurück und wachse  mir nach im geist…

FLUSSGESANG

  ich ging an den fluß in der morgenstille da die sonne sich sammelt am aufgang des himmels   das gespinst des gesangs seinen atem zu fangen und ich hörte sie singen ich hörte die Ganga*   von schweigenden räumen…

Woher Worte nehmen

Woher Worte nehmen, die an dem, was augenblicklich geschah, zu befestigen waren? Die Worte dafür geliehen und die Regeln, sie aneinanderzufügen zu einem einzigen Gegenstand, der unteilbar ist. Nach Regeln lief das augenblicklich Geschehende ab, ausgeliehen von einer Person, die…

Rot. Roter Sand auf dem Weg.

Der sandige Gehweg ist rot. Eine Bank und ein Vogel. Ein Vogel und eine Bank. Der Vogel war tot. Das Blut überm rechten Auge war schwarz oder rot? Oder saß einer im Sand oder über den Vogel gebeugt auf der…

Unbedarfter Laie

Einige Städte in Deutschland können mit sogenannten Bauhaussiedlungen aufwarten. Jeden Tag kommen hierhin einige Touristengruppen, meist ältere Besucher, die Zeit und Interesse haben. Mit guten Informationen ausgestattet, meist auch von professionellen Vorträgen begleitet stehen sie staunend vor den Vorbildern der…

Zeichnung auf Karton

  *** Weiterführend → Eine  Würdigung von Jürgen Diehl finden Sie hier. Hören Sie auch die Hommage an Jürgen Diehl auf MetaPhon.

Poesie im Zeitalter der neuen Informationstechnologien

1995 erklärte die UNESCO den 23. April zum „Welttag des Buches“, dem weltweiten Feiertag für das Lesen, für Bücher und die Rechte der Autoren. Die UN-Organisation für Kultur und Bildung hat sich dabei von dem katalanischen Brauch inspirieren lassen, zum…

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  Ratschlag   Halte dich in offene Armklammern gefaltet:   Hier ist alles zu langsam oder zu schnell für die Angst     ***   Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht…

Das gekommene Wort

Das gekommene Wort, in der ausgehöhlten Seite eines wiederholbaren Fehlers. Die Stirn wechselt Farben beim Aussprechen, der Ort des Heraustretens ist nicht aufzuspüren. Das Wort selbst ist WORT nicht mehr, als Verfügtes. Ab dann sind Gründe genug, einen Ort zu…

für G.

  Es war fürs paaren zu weit Das jahr sagte: nun ist genug Da gab uns die gegenzeit zusammen: setzte und schlug Wir trafen einander im laub der himmel voll wind   du gingst vor Ich hatte nichts als haut und…

Der Vegetarier

    *** Gott schmiert keine Stullen von Eva Kurowski, rowohlt Seit der Textsammlung: Twitterature. The World’s Greatest Books Retold Through Twitter von Alexander Aciman und Emmet Rensin fragt sich KUNO, wer zu den Vorläufern dieser neuen Literaturgattung gehört. Der…

Offener Brief an Richard David Precht

Sehr geehrter Herr Precht, viele Ihrer Positionen teile ich – insbesondere zum Themenbereich „Digitalisierung und Informationsgesellschaft“ – und halte Ihre allgemeinverständlichen und sympathischen Darstellungen der Problematik für ausgewogen, erfrischend und die gesellschaftliche Debatte bereichernd. Danke dafür! Allerdings machten Sie am…

rheinische lebensformen

Das Rheinland, ein Kosmos der skurrilen Nebenfiguren a.j. weigoni betrachtet in seinem roman Lokalhelden, der im jahrzehnt vor der jahrtausendwende im »Landeshauptdorf«, also düsseldorf, spielt, vor allem in der »Alkstadt«, die rheinländer im »Weltdorf«, und damit die globale provinz, ironisch…

„Ferne“ Du

„Ferne“ Du gehst & gehst/sprichst deutlich Visionäres darein  – unbegehbar undurchschaubar: Da gehst du die Unterschiede ab, triffst Verabredungen ohne Sympathie, du verspielst d a s Wort, indem du es Zugvögelscharen überlässt. Du machst das Wort  t i e f,…

Kreuzung

Er mühte sich von Wagen zu Wagen, war er doch gezwungen, sein Bein nachzuziehen. Der mächtige Koffer behinderte ihn. Sperrig, wie er war, schlug er dumpf an jede Ecke. Der Weg zu seinem Abteil erschien ihm endlos. Gang um Gang…

Die Möwe

  niemand hat uns überliefert, daß die Sprache der Möwen der Wind sei. daß er ihre Methode sei. ihr Testkanal. ihre eigene Lebensgeschichte   die sie kreuz und quer an den Himmel schreiben erst als wir begannen sie zu digitalisieren,…

ES BLEIBT IN DER FAMILIE

  des vaters firma läuft, man ist zufrieden. der sohn ist schwul, sie wissen’s nur noch nicht; doch eines tages nimmt er sich zusammen und sagt es ihnen einfach ins gesicht.   die mutter heult: wie kannst du uns das…

NACHRUF

  Das war ein braver Mensch, er war Soldat, natürlich starb er für sein Vaterland. Aus lauter echtem Idealismus ließ er Familie und Geliebte und floh. Er war ein braver Mensch, er war Patriot. Doch eines Tages an der Front…

R.I.P. Miloš Forman

Will mich Deutschland, mein geliebtes Vaterland, worauf ich (wie Sie wissen) stolz bin, nicht aufnehmen, so muß in Gottes Namen Frankreich oder England wieder um einen geschickten Deutschen mehr reich werden. Mozart in einem Brief an seinen Vater, 18. August…

Der Kopf des Schreibers

  Der Kopf des Schreibers raucht. Das Zimmer auch. Es wagt sich niemand rein. Auch nicht hinaus. Das Licht ist an. Jetzt ist es aus. Der Kopf des Schreibers raucht. Das Zimmer auch. Aus.     *** KUNO empfiehlt die…

Dabei vergeht eine ganze Zeit:

  Gesehenes zu erinnern und Gehörtes, Worte zu finden für den schwer erlernten Gebrauch von Sätzen, von Beziehungen unter Wörtern und Sätzen. Dabei vergeht eine ganze Weile, die ganze Dauer von Augenblicken. Wie lange ist ein Auge ruhig und was…

Mocking Bird

  Was lockst Du so mit deinen roten Lippen? Was züngelst du mit deiner rosa Zunge? Da wächst zum Mann der kleinste blasse Junge, Sieht er dich mit den Highheels lässig wippen!   Mir preßt’s das Leben heiß aus meinen…

Eine Annäherung an das Werk Helmut Schweizers

Es wäre schön, wenn die Dinge immer so einfach wären, wie manche Auguren sie gerne hätten. So fühlen sich Wirtschaftsweise und Trendforscher häufig berufen, finale Aussagen über mögliche zukünftige Entwicklungen zu treffen – dabei sind solche Prognosen reine Vogelschau und…

ORDNUNGS-YOGA

  wie kann ich dieses und jenes tun, was unterlassen, wie wissen, was ich überhaupt will, wie eine checkliste schreiben, wie die übersicht nicht verlieren, wie prioritäten setzen, wie strukturieren, wie dabei möglichst bei mir sein und trotzdem kreativ. denn…

Worte aufschichten wie Holzscheite

Über den 1-maligen Dichter Arthur Breinlinger Arthur Breinlinger ist Maler, Dichter und Lehrer. 1943 wurde er in Minden geboren. Der Vater war Offizier. Breinlinger wuchs in Ulm auf. Lebenslang Fan des SSV Ulm, reist er zu den meisten Spielen und,…

Miguel

Er hatte nach etlichem Suchen in seinem verwühlten Papierkram die Adresse von Miguels Eltern gefunden und beschlossen, vorbeizuschauen, um Miguel zu treffen und ihn auszunutzen als kostenlosen Reiseführer Festivitätseinlader und Dolmetscher für die verwirrende Nachrevolutionsszenerie. Sie fragten einige Rentner, die…

Ich verdopple

    Ich verdopple mein Zögern daraus wird Sprechen ich verdopple mein Sprechen daraus wird Schreiben ich verdopple mein Schreiben daraus wird Zögern ich verdopple mein Sprechen daraus wird Zögern ich verdopple mein Schreiben daraus wird Sprechen     ***…

Vice versa

  Als ich mir die große Baselitz-Ausstellung ansehe, stelle ich mir vor, Schlange wäre wieder bei mir, und ich male mir aus, was sie mich beim Anschauen der Bilder fragen würde. Mir gefällt Baselitz immer besser, würde ich sagen. –…

Eule und Mond

    Da lagst du vor mir, dein perlendes Fleisch ins Mondlicht Gebügelt und: gestrafft von irrsinniger Lust. Innen Brachen sich Wellen – du riefst, die Brüste füllten sich An, wie Rotglut das Leuchten ihrer Spitzen, wie ab- Kühlendes Magma.…

Schlüsselfrage

Ein verlorener Schlüssel sorgt für Aufregung, Ob nun verloren oder aber entwendet. Große Frage. Alle Wege abgesucht, den Strand natürlich auch, jeden gefragt. Man kann an keinem Strand nachts einen Schlüssel finden, das ist schon mal klar. Der Türöffner bleibt…

OSTERSPAZIERGANG

  Heider weg häuser stehn jetzt dort wo früher wiesen waren wir gingen oft vom weg in schaumkrautweißrosa haaren   Friedhof eine flasche wein geleert in der grabplattenplicht durch marmor sehn die schmerzensmütter nicht   Wald I unsere keime sprossen…