Kategorie: Allgemein

Deutungshoheit über einen virtuellen Raum

  Der erste Blick auf den handlichen, in blau-weiß gefassten Gedichtband löst gewisse Erwartungen aus, denn der Titel assoziiert plötzlichen Stimmungsumschwung, lunare Einflussnahme auf einen psychischen Zustand und das Erstaunen darüber, ob man das „Laune nennen kann.“ Also ein witziges…

HALLO TIER

  Weiterführend → Mehr über die Hungertuchpreisträgerin Katja Butt.

Der Koffer meines Vaters

  Seit 36 Jahren steht der Koffer meines Vaters nun schon ungeöffnet in meinem Keller. Jetzt, da ich schon fast genauso alt bin wie er, als er damals fortging mit seinem kleinen Koffer ins Spital, werde ich diesen alten Koffer…

I assume beyond

reasonable doubt       circumstances are surrounding me   three   was it in London or in Madrid is this the same at the end? *** Spam Poetry von Joanna Lisiak, KUNO 2017 Die Lyrikerin Joanna Lisiak hat aus…

bienenzucht

  leben bienen in stöcken aus korbgeflecht legt eine hand sich auf ihr eigentum fressen sie rosinen und feigen lädt der besitzer sie zur hochzeit ein meldet er ihnen geburten und tode  in der familie lüften sie ihren bau trägt…

Nach Lage der Dinge

Nach Lage der Dinge gibt es Verschiebungen.
 Entgegengesetztes trifft sich in Ergänzung.
Verwandtes trennt sich vom Plan,
 ParallelLaufendes wächst zusammen.
Die Täuschung entlarvt, was Fehler benannt haben.
 Ein Satz kräuselt sich bildhaft schön, ja,
ein Wort zur Lage ein paarmal gewendet,
ein Trümmer, ein…

Drive in

Ich habe es eilig. Ich will pünktlich zu meiner Verabredung kommen. Aber wohin? Ich weiß nicht mehr den Weg. Ich setze mich ins Auto und fahre nach Hause. Hast du vergessen, wo du hin willst? Nein, ich will mich besuchen,…

jagd

sinkt am grünen horizont die sonne singen vögel über meinem sarg folgen mir hirsche hör ich gebell beginnt die schonzeit erst am ort ohne grund erwache ich im wald hinterm wind unterm mond in silbernem licht trag ich hörner nicht…

Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten analogen Galaxis

  „Digital ist besser“ behaupteten die zum Sloganizing neigenden Tocotronics. In der taz stellte Frank Keil ein analoges Medium vor, das von Jörg Meyer kuratierte Kieler Lyriktelefon (zu erreichen unter der Festnetznummer 0431/901-1156) Hier lesen Autoren ihre Gedichte vor, und neuerdings…

„Wo nichts zu sehen ist, fließt der Fluss“

Dem Phänomen des fließenden Wassers geht der französische Grenzforscher Marcel Crépon auf den Grund: Er bewegt sich seit Jahren am Rhein entlang und über ihn hinweg, sammelt Eindrücke, Geschichten und Objekte, die der Fluss mit sich bringt – am Rheinfall…

Durchschnittlich schön

Im Widerspruch zur allgemeinen Meinung sage ich, sagt Arthur, die wahre Schönheit liegt im reinen Durchschnitt. Dann sind also die meisten Leute schön?, sage ich. Wo denkst du hin!, sagt Arthur. Der reine Durchschnitt ist genauso selten wie extreme Hässlichkeit.…

Ein Neuer

Typischer als dieser Beamte, vermutlich einer Verwaltungsbehörde, vielleicht sogar eines Finanzamtes, kann wirklich niemand sein. Er reist guter Dinge in seinem strahlend weißen Kleinwagen an. Klinisch strahlend weißer VW up. Das hat ja fast schon den vagen Hauch des Trendigen…

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Dauer   Dornen und Pfeile. und Sonne hängt als Licht hinterm Geäst:   Frag ruhig die Ewigkeit aus sie sagt immer nur   ja       ***   Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem…

Auf Liffeys vielen Brückenköpfen

  Auf Liffeys vielen Brückenköpfen Von Ost nach West: Die Clarke Bridge, die ihre Pfeiler nach Bedarf Zum Hafen öffnet, im Gegensatz zur Beckett-Bridge, Die ihre vielen Kabel in Dublins Himmel zirkelt, Und generös die Schiffe unter sich passieren lässt.…

Die Kulturgeschichte von Klang und Ton

Vorbemerkung der Redaktion: Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den wichtigsten identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, weiteres in unserer poetologischen Positionsbestimmung. Seit 2000 wird jedes Jahr der Welttag der Poesie gefeiert. Er soll an „die Vielfalt des Kulturguts Sprache und…

Der Unzufriedne

  Schicksal! unglücksvolle Leiden Heißt du Sterblichen die Freuden, Die die steile Laufbahn hat, Grausam rauben. Bange Tränen, Die sich nach der Bahre sehnen, Zu erzwingen ist dein Rat.     *** Weiterführend → Ulrich Bergmann hat das Stück „Der Tod…

Schokolädchen

  Ich frag’ mich, was ich an dir lieb, An Weihnachten, mein süßes Mädchen. Ich öffnete ein weitres Lädchen, Als ich dir diese Verse schrieb,   Am Weihnachtskalendarium Und stahl daraus ein Schokolädchen. Das war ein herziges Gerätchen: Ich schlotze…

Schatzkästlein des Rheinischen Hausfreundes

Alle Dinge sind leicht, schwer ist nur die Kunst, dahin zu gelangen, wo sie es werden. Adolf Muschg Letztens brachte Weigoni eine Flasche Schumacher mit ins Sauerland. Dabei handeltes sich um eine Literflasche mit einem Bügelverschluss, der beim Öffnen ein…

Hobby Horse

  Mein Vater hatte eine kleine Lieblingsstute, die er von einem sehr schönen arabischen Hengste belegen ließ, um von ihm ein Reitpferd für sich zu erzielen. Sanguinisch, wie er in all seinen Plänen war, sprach er nun tagtäglich von seinem…

Heute bei Langmann zu Besuch

Es ist die Leere des Sichtbaren, des nicht Benennbaren. Was hier verboten, ist dort legal, Geldströme sind grenzübergreifend neutral. Der Kleinkriminelle ist nur ein Parasit am Körper des großen Geschäfts. Zugang und Einblick bleiben ihm versperrt. Die Unruhe stand Stern…

Berge türmen

Majestätisch erheben sie sich, die Berge. Du hast zu ihnen aufzublicken, während sie aus luftiger Höhe spöttisch auf dich herabsehen. Ehrfurcht gebietend beschränken und beschatten sie dich. Engen dich ein. Was nutzt es da, wenn du eilfertig die Schultern der…

Narrenmode

Manchmal, sagt Arthur, denke ich, ich bin ein Modell für viele. Etwa in Modefragen?, frage ich. Gute Frage!, sagt er. Alle sagen, was ich denke, obwohl ich nie denke, was alle sagen. Das spricht für dich, sage ich. Ich weiß…

HORCH AUF DIE TROMMEL BRUDER

  Kennst du den klang und den gesang aus flötenkehlen die pausen der dommel* Du kannst nicht fehlen bruder   Kennst du die schwarzen stiere bruder nachts unterm mond die frauen in dunklen zelten Kennst du die grausen augen der…

9 Fragen an den Schriftsteller Steffen Marciniak

Eine Gesprächsreihe Geführt von Tamara Kudryavtseva, Germanistin (Moskau)   T.K.: Auf der 4. Internationalen Gräzistik-Konferenz im April 2017 in Moskau hielt ich den Vortrag: „Über das Schaffen Steffen Marciniaks: Hellenischer Geist in moderner deutscher Darstellung“. In Vorbereitung auf diese Veranstaltung…

Guten Flug, Arnfried Astel

Die Amsel fliegt auf Der Zweig winkt ihr nach     Er brauchte nicht viel Worte, bevorzugte Epigramme und die japanische Kurzform des Haiku. Selbst 140 Zeichen unterschritt er regelmäsig und darf ein analoger Vorläufer der Twitteratur gelten.    …

Flüchtlingsgeschichte

  Der Eroberungskrieg der Mussolini-Diktatur gegen das Kaiserreich Abessinien gehört in der Kolonialgeschichte Italiens gehört zu jenen Kapiteln, deren Aufklärung bislang weitgehend verdrängt wurde. Mit dem vorliegenden Familienepos von Francesca Melandri, 1964 in Rom geboren, einer erfolgreichen Drehbuchautorin und Prosaikerin,…

Die Landschaft

  Die Landschaft breitete sich im Zimmer aus. Sie zog immer mehr darin befindliche Dinge zu sich herein. Die Dinge fügten sich, ohne, dass die Natur der Landschaft sich sichtbar veränderte, ohne das Zimmer seiner Zuständlichkeit zu entheben. Man konnte…

todestag

es ist dein todestag / und dein leben beginnt / ein anderes / alles hinter dir / und wer glaubt es gäbe nur ein leben / dem sagst du nein / leben gibt es viele / ein neues beginnt jetzt…

Haiku

  Elektrischer Trost Kitty surft auf der Welle Hui, das rockt und rollt   *** Die KUNO-Redaktion empfiehlt: Pension Durant, Gedichte von Patricia Brooks. Mit Bildern von Ilse Kilic & Fritz Widhalm. wohnzimmers buntes lyrikheft nr.9 Weiterführend → Lesen Sie…

Der beharrliche Versuch

Der beharrliche Versuch, die Dinge in ihrer fremden Umgebung wiederzubeleben, misslang/die Erinnerungen zählten sich falsch zusammen. Man bleibt unterwegs zwischen eindeutig Bestimmbarem und sucht nach Unmaßgeblichkeiten. Die Dinge überbieten sich an Nützlichkeit, sodass  man ihnen keinen festen Standort zuweisen kann,…

Illusionen im Räderwerk der hypermodernen Gesellschaft

Der Rheinländer hängt amfürsich einem schlampigen Sprechnaturalismus nach. Die Rheinländer sind gefangen in einer Gesellschaft der Singularitäten, als solche einem fundamentale Strukturwandel der Industriegesellschaft im Zuge von Globalisierung und Individualisierung unterlegen. Ihre zentralen Bezugsgrössen waren bisher die sozialen Klassen, Schichten…

Wanderseelen

Ich denke manchmal, sagt Arthur, mit Schrecken, ich wache auf in einem anderen. Vielleicht wachen wir täglich, sage ich, immer woanders auf, wer weiß. Komisch, sagt Arthur, aber jedes Mal, wenn ich so aufwache, treffe ich dich. Du kannst nicht…

Tabula Rasa

  Eine Flugschrift über die polnische Krise, die seit der Regierungsübernahme durch die Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) im Jahr 2015 weite Kreise der polnischen Bevölkerung und die europäische demokratische Öffentlichkeit beunruhigt – ein solches publizistisches Dokument verdient besondere Aufmerksamkeit.…

Kellerleiche

Der öffentliche Nahverkehr ist immer wieder eine Einladung zum Studium gesellschaftlicher Strukturen. Zogen die Anthropologen vor Jahren in den jetzt nicht mehr vorhandenen Urwald, um noch nicht beschriebene Kulturen zu entdecken und zu erforschen, so finden sie sich heute in…

Kein Erbarmen

Natascha Wodin ist die Tochter ukrainischer Zwangsarbeiter und in Deutschland geboren. Ihre Mutter beging Selbstmord, als sie zehn Jahre alt war, über ihre Familie in der Ukraine weiß sie kaum etwas. Nun mit über siebzig Jahren beginnt sie über ihre…

Die gespreizte Hand

  Die gespreizte Hand, stille TatSache für Geübte, Gesichtsspanne. Nebenbei Punkte fixieren, außerhalb. Trödeln, wenn’s drückt.“ Und immer gewahr – den Horizont. Was bedeckt, verschieben, was entblößt bleibt, freigeben, ziehen lassen, die Sterne, die ganzen Bilder, das Gedächtnis überhaupt, aus…

Zeitnot

Es geht immer um Minuten, nie um Stunden, sagt Arthur, als wir das Theater verlassen. Wenn es um Stunden ginge, wäre alles schon zu spät – oder zu früh, sagt Arthur. Arthur, ich versteh kein Wort, du redest bestimmt wieder…

DIN – Elektronorma

Vor 100 Jahren begann die Deutsche Industrie damit Produkte und später auch Dienstleistungen zu normieren, mit der Deutschen Industrienorm (DIN). Lothar Müller befasst sich in der SZ mit etwas literarischeren und bürohistorischen Gesichtspunkten mit der DIN: 1922 wurden schließlich auch…

Wie du wenn einmal

Wie du wenn einmal oder als demnächst wodurch wieder stumm. Später die Ansage, da sei was. Zudem die Verspätung, vom Sagen der Rest. Ein Geheimnis von Ortsnamen ausgenommen die Reise. Anfänglich wundern, die Spanne HOHL gesetzt. Die ganz verwilderten Bilder/ins…

orakel

    ruft der kuckuck aus verborgenem ist es zeit zu pflügen die äcker und körper  damit der boden fruchtbar sei wälzen menschen sich durchs gras fragen sie nach ihrer liebe ihren kindern ihrem tod schweigt er stirbt wer ihn…

I am monitoring

  in a good manner     Doctor is my health good I hope since I am checking foreigners I look for clarification vital information is welcome   I learnt to only operate alone in my appartment family is genuine…

Rodneys Underground Press, RUP

  Es gibt sie noch, die alternativen Kleinverlage, die sich bewusst gegen den Internet-Giganten Amazon stellen, denn alternativ ist ja eine Wahl zwischen den Möglichkeiten, und alternativlos nur das Unwort des Jahres 2010. Seit die VG-Wort ihre Ausschüttungen neu regeln…

Altes Haus

  Er hat die Möglichkeit durch dieses alte Haus zu gehen. Denkmalgeschützt, uraltes Fachwerk mit ziemlichen Zuglücken zwischen Balken und Gefache. Überall bröckelt der alte Lehmputz, der glücklicherweise nicht herausgeschlagen wurde. An anderen Stellen hat man alles mit Gips genichtet.…

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  Güte   Geruhsam werden wie Wunsch jedes Jahr ein älteres Gesicht als Schmerz Falte so zart deine Herzfratze im Arm halten absichtslos unachtsam Fallengelassenes aufheben sagen: macht nichts       ***   Weiterführend → Ein Porträt von Sophie…

Definitionssachen

Arthur, sage ich, wir werden immer schwieriger. Du wirst schwieriger, sagt Arthur, deine Leichtigkeit war das Fundament unserer Freundschaft. Arthur, sage ich, du definierst dich doch nicht über mich! Nein nein, sagt Arthur, ich definier mich schon selbst! Aber damit…

AUF DER STRASSE DER LETZTEN LEIDEN

  Bob kauft die bomben auf damit sie kein anderer kriegt Einer legt friedenstauben vorn bolzen daß eine fliegt Howard geht aufn strich und biet sich zum dirty sex an Kann der wind da die antwort vermeiden? wenn der wind…

Der Gedanke an Flucht

Der Gedanke an Flucht. Die Übergänge leugnen. Was zwischen HIER und DORT liegt, auf die Sekunde bringen. Einmal hingelangt, splittert schnell, was als Vermutung nahe lag: Das Plötzliche schaltet sich ab, nun als Hohlraum bewohnbar, die Dauer teilt sich in…

Eroberung

  Ich steh’ vor diesem Bild und bleibe stumm. Zum ersten Mal hat’s mir das Wort verschlagen. Ich kann mich dieses Blickes kaum entsagen: Ich stehe also da und fühl mich dumm.   Was ist mit mir geschehen, will ich…

Tiefenhermeneutische Kulturanalyse des Rheinlands

  Avantgarde und Heimat, A.J. Weigoni bringt Unvereinbares zusammen. Den Typus des Rheinländers betrachtet er als ein Sammelsurium von Verhaltens- und Denkmustern, die sich im dialektalen Sprechverhalten identifizieren lassen. Weigoni nutzt einen multiperspektivischen Ansatz, der den Unübersichtlichkeiten dieser Zeit entspricht.…

Wie du wenn einmal

Wie du wenn einmal oder als demnächst wodurch wieder stumm. Später die Ansage, da sei was. Zudem die Verspätung, vom Sagen der Rest. Ein Geheimnis von Ortsnamen ausgenommen die Reise. Anfänglich wundern, die Spanne HOHL gesetzt. Die ganz verwilderten Bilder/ins…

Aufnahme

Woher sie kamen, weiß niemand. Plötzlich waren sie da, diese Fremden. Traten ein, als ob ihnen alle Türen offen stünden. Sprachen eine Sprache, die keiner verstand. Füllten den Raum mit ihrer schieren Anwesenheit. Standen einfach nur beieinander. Schauten. Staunten. Nahmen…

Vollkommen unvollkommen

Die Welt ist unvollkommen, sagt Arthur, Godard sagt, das Leben sei ohnehin nur ein schlecht gemachter Film. Er will das Leben besser konstruieren, wenigstens im Film, sage ich, aber mich interessiert, ob ich mein Leben in meinem Leben besser konstruieren…

RATSCHLAG FÜR P W

  Aus einer mädchenclique wähle dir nicht die schönste wähle die kopf schräg zuhört als die an dauer gewöhntste   deren hände beim säumen beim jäten nicht ermüden deren augen aus norden deren lippen aus süden   Die da hält…

Während BALD

Während BALD sich als Wort für das Nächstliegende anschickt, erreicht mich SPÄTER als Vertröstung auf Erreichbares. Damit rückt das Nächstliegende weiter ab, und die Umstände verengen sich umeinander. Solange ich mich aufs Ein-und Ausatmen besinnen kann, ist die Ferne meine…

flüsterasphalt

  die sonne schält sich ohne untergrund du verglühst noch immer unter ihr
als spielten unsere schatten miteinander!   deutest du noch immer den fixpunkt am äther in deinen zeilen, die wie waggons
mit abgewerteter währung entgleisen im flüsterasphalt der zeit stehst…

Mein Tanzlied

(Dem schönen Schauspieler Erich Kaiser-Titz)   Aus mir braust finstre Tanzmusik, Meine Seele kracht in tausend Stücken. Der Teufel holt sich mein Mißgeschick, Um es ans brandige Herz zu drücken. Die Rosen fliegen mir aus dem Haar Und mein Leben…

Über Leistungen eines Kunstwerkes

Vorbemerkung der Redaktion:  In unregelmäßiger Abfolge stellen wir auf den Kulturnotizen Literaturzeitschriften vor. Die fünfte Ausgabe des zweisprachigen Literaturmagazins The Transnational ist diesen Monat erschienen, KUNO bat den Herausgeber René Kanzler um einen Einblick in die redaktionelle Arbeit: Wir brauchen…

FRONLEICHNAMSFEST

  FRONLEICHNAM war mir in meiner Kindheit immer das mir liebste Fest. Da war der ganze Ort mit Birken und vielen Blumen sowie mit Heiligenbildern und brennenden Kerzen in den Fenstern der Häuser geschmückt. Und wir Kinder waren alle schön…

Konsequent inkonsequent

Godard, sagt Arthur, hat eine Podiumsdiskussion während der Filmfestspiele in Cannes mit den Worten beendet: Wir streiten hier über die Kunst des Filmschnitts, und draußen läuft die Revolution! Was wollte er damit sagen?, sage ich. Ich glaube, sagt Arthur, die…

Handlungsbeweggründe

  Sarah sitzt an ihrem Schreibtisch und telefoniert mit Kathrin. Sie schaltet endgültig in diese andere ihrer Welten um, bevölkert von Freunden. Von lebendigen: geschwätzig, liebenswürdig, Nerven tötend. Sie hört Kathrin seit fast einer halben Stunde zu. – „Sarah, ich…

Los, mit dem Foto in der Hand

Los, mit dem Foto in der Hand, wenn die Ereignisse sich überstürzen, wenn die Bilder sich jagen, was soviel heißt wie übergangslos. Los, mit dem Foto in der Hand, wenn die Bilder sich jagen. Das Festgehaltene bedarf der Rede nicht,…

Klein aber oho!

Seine Gedichte sprechen über die Unmittelbarkeit der Erfahrung. Enno Stahl Durch die nebensächlichsten Dinge schaut der Lyriker Stan Lafleur ins Weite der Welt. Sein kleiner aber sehr feiner Auswahlband MINI WELT beinhaltet 28 Gedichte über die Möwe im Zeitalter ihrer…

Meister des Gegensinns

  die prosaminiaturen von haimo hieronymus, einem meister des gegensinns, in Unerhörte Möglichkeiten / Kurznovellen aus dem Nippiversum, sind kaum länger als vier oder fünf zeilen. doch sie beschreiben gerade in ihrer verknappung präzise plötzliche dialektische umschläge, die, indem eine…

WIEPERSDORF

  Gegend – ja, und das Geräusch des märkischen Schweigens; Kein Armageddon tritt ein, nur die Eine, die letzte Perlschnur aus Licht.   Von den sich aufrollenden Wegen her Bäumen sich Schatten, die Putten Und verwachsenen Zwerge wispern Begehrlich Trochäen…

Ich hab mich gefragt

Ich hab mich gefragt, ins Entgegengesetzte und von dort hinüber in die „StrENGE des Augenblicks des Augenblicks“. WIE ich da stand, aus den Regeln gerissen, nicht gespielt hab ich und nichts vertauscht, lose lehnte ich mit der Zumutung in der…

Gefragte Antworten

Ist der Text umgekippt , sagt Arthur, oder liegt der Himmel am Boden, beschreibe ich mein Bild, oder beschreibt das Bild mich, bin ich aus dem Bild gefallen, oder ausgebrochen in die Freiheit der Leere, oder ist das Bild aus…

hallo

    können sie auf knopfdruck bereuen? heyaiajanauuj – hier werden sie später eingeholt wenn nicht dann wird es allerhöchste zeit     *** Spam Poetry von Joanna Lisiak, KUNO 2018 Die Lyrikerin Joanna Lisiak hat aus Spam-Emails Gedichte destilliert.…

Von einer Einmischung

Von einer Einmischung war die Rede, ein Erinnerungsfoto sollte Anlass sein. Eine Verweigerung hat sich eingeschlichen, das Foto hat gar nichts wiedergegeben. Die Mutmaßung hat sich nicht bestätigt, das Foto ist ein Beispiel. Eine Frage wollte lieber nicht gestellt sein,…

singvögel

  ahmen vögel töne nach begleiten sie chöre im hain verstummen sie  beim anblick ihrer jungen um nicht feinde anzulocken singen sie erst wieder  am grab des sängers hört man sie im paradies essen kinder ihr fleisch werden schöner ihre…

FÜR DIE ZIGEUNER IN HILDESHEIM

  du siebensaite schnurre deine klage du tamburin das deren habgier blechte die kinder sind die sterne unsrer tage die kessel sind die sonnen unsrer nächte   die hufabdrücke die das wasser halten beweint der mond   verschwunden sind die pferde…

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  Sternenhimmel   Du mein Aufgeschautes immer schon wie Kind umarmt   Kein Haar in der Milch mehr gefunden wie gut   Und Nachts die Dunkelheit in Wellen überm Wald als Atem ohne Angst     ***   Weiterführend →…

Wie die Verletzungen

Wie die Verletzungen zustande gekommen wären. Wie man sich hätte trotz des Ernstes der Lage weiter fortbewegen können. Wie man hätte den Ernst der Lage übersehen können. Wie man sich trotzdem den Ernst der Lage zunutze gemacht hatte. Wie weit…

Neugier auf die Welt

So provinziell Bayern von außen erscheint, dieser „Zwergstaat“ (Holger Czukay) hat großartige Künstler hervorgebracht, etwa Karl Valentin, Gerhard Polt und die Biermösl Blosn, sowie die Gruppe Embryo. Was Kraftwerk für Düsseldorf war Embryo für Munc. Künstler, die einer eingebildeten Metropole…

Abwehr

    Er hatte schon mehrfach gehalten. Konnten die aus der Abwehr denn nicht einmal aufpassen? Als der Hausmeister jedoch ausrutschte, durchschlug der Ball problemlos die Scheibe.   *** Von Herrn Nipp waren auf KUNO zwischen 1989 und 1994 Aperçus,…

Kehren

Der Weg endete in einer Sackgasse inmitten eines Wäldchens, das die Kinder nur Paradies nannten. Doch daran dachten sie nie. Die Kinder hatten immer nur Augen für die Kastanie, die sie nach der Schule eroberten. Für den Zaun, der den…

Es war eine Ebbe in meinem Blut

(Den lieben zwei Brüdern Helmut und Wieland Herzfelde)   Es war eine Ebbe in meinem Blut, Es schrie wie brüllende Ozeane. Und mit meiner Seele wehte der Tod Wie mit einer Siegesfahne. Zehn Könige standen um mein Bett, Zehn stolze,…

Fremdheit bei gleichzeitiger fast physischer Nähe

Der Titel stößt ob seiner Gelahrtheit den Leser vor den Kopf. Das mag gewollt sein, eine absichtliche (Ver)Störung des Rezipienten. Dies ergäbe insofern Sinn, als Verstörung (für mich) ein Kennzeichen der enthaltenen Lyrik ist, die so glasklar daherkommt, dass sie jedes Verständnis…

der Aufstand kommt so oder so

sag, was du zu sagen hast sag, wer du bist und sag vor allem, was du wirklich willst wovon bist du abhängig? wer bezahlt dich? wie hoch ist dein Preis? ab welcher Summe begehst auch du Verrat? und dann sag…

Wie es begann

    Ich traf dich auf dem Feld, das Leben heißt: Du klangst am Anfang nicht so sehr begeistert. Am Auge hing ein Lid, es war verkleistert. Der Mann, der dich total vom Hocker reißt,   Den hatte ich gespielt,…

Die Rheinländer, zum Leben verurteilt

  A.J. Weigonis Roman Lokalhelden erzählt von dem, was wir selbst an uns empfinden: Die Welt hat sich zur illusionslosen Realität verengt. Und durch dieses Nadelöhr fädelt sich jede schmalste Individualität, die sich nur aufputzt, um sich in Anführungszeichen eine…

Freier Fall

Das Leben, sage ich, ist eine dunkle Kammer mit zwei Türen. Ein Zimmer hat eine Tür und ein Fenster, sagt Arthur, zur Tür kam ich rein, zum Fenster hinaus geht mein Blick. Kannst du, sage ich, die Schwärze deiner Aussicht…

Sie entbinden sich aller Zutat

Sie entbinden sich aller Zutat, die auf Verknotungen beruht, solange sie einander befestigen am immer Beweglichen. Das Bewegliche hat geordneten Raum und eine Zeit, die sich der Dauer versichert, solange Haltlosigkeit sich Chaos nennt. Da gibt es offene Stellen ohne…

Tundralieder II

blicke aus kalten wüsten heute gelten sie dir du bist die stadt die sie singen wo dein palast steht ist hier   windüberdacht wirst du bauen himmels raspel ruht lange karawanen sendet dir Hatschepsut   unter dem regen glänzst du…

Einziehen

„Vater, ach hilf, wenn Macht euch Strömen gegeben! 
Wandele diese Gestalt, darin zu sehr ich gefallen.“ (Ovid, Metamorphosen) Als sie bei ihm einzieht, ist sie wieder einsam. Viel hat er ihr nicht erzählt von seinem Leben, das könnte man so…

Zeit Rhythmus Alarm – Zu den Gedichten Julia Dathes

Nach langem Leugnen räume ich mein Gedächtnis wieder ein Ein Ausblick, ach welch Winkschaden, steht ein Reh auf der Wiese. Die Wolken über der Stadt tragen Rot und Gelb statt Wetter, na sowas auch ein sattes Grün ist mit von…

hommage à jean krier

[Spiegelmensch und letzte Reise] es spielt keine rolle wo sich für uns das jenseits vom diesseits trennen wird nochmal eine reise also nach paris rom helsinki athen new york berlin yaoundé oder basse-terre wäre unsinnig aber danach fragen wir nicht…

Vita omnis mortis hora

  Arthur liest die Zeitung gern. Melancholie ist täglich Ziel und Ausgang seiner Sucht nach schweren Katastrophen, die ihn trösten, wenn er unter Schmerzen seiner Seele neues Leben findet. Sein Lebensthema ist der Tod, in allen Varianten liest er, was…

Ideale der Revolution

  Inmitten des blau-weißen Paperback-Umschlags blickt uns die fotografische Abbildung eines jungen Mannes an: Moyshe Kulbak, Autor des 1926 im Warschauer Verlag Kultur-Lige in jiddischer Sprache erschienenen Erzählbandes Montog. Eyn kleyner roman. Aufgeteilt in zwanzig Textpassagen erzählt uns ein vielstimmiger…

Wellen

  Wellen, Wellen, Marina Poncho one size, drahtlos im freien Raum die Wellen sie schweben so elektro und magnetisch – I tell you poems of science and love und wo ist jetzt mein Poncho? Luxemburg ist weit und west scottish…