Kategorie: Allgemein

Zauberbuch

Schlange, sagt Zauber, komm, ich habe Hunger! – Wir haben doch eben erst gegessen, sagt Schlange. – Aber ich bin noch gar nicht richtig satt, sagt Zauber, ich habe den anderen Hunger. – Ich auch, sagt Schlange, ich lese gerade…

Das Tier

Eines Tages saß ein wundersames Tier an der Scheibe unseres Wohnzimmerfensters; ich weiß nicht, wie lange es schon dort gesessen hatte, als wir es entdeckten. Max nahm es zuerst wahr: „Schau mal, Mama, wie schön!“, rief er aus. Im ersten…

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Und sind so Menschen in genormten Häusern geformt aus Worten Meinungen  Bildern   Was sich herausschneiden lässt aus dem  Flimmerquadrat: Und ist nicht die Welt   Und ist auch nicht wahr: Das Leben in die Zwangsjacken der Abstraktion quetschen  …

Die irdischen Bilder des Überirdischen

Anhand des Verhaltens von Steinmarder und Kaninchen wird gleich zu Beginn klargemacht: In der Natur gibt es bereits Kunst: Hier als artifizielles Gebaren des Jägers (Steinmarder), der ulkige Tänze aufführt, um seine naive Beute in hilfloses Staunen zu versetzen, und…

Gedankenstrich

  Eine Frau mit unpassendem Schuhwerk auf Eis gehend. Ihre Bewegungen so, als würde ihre Hüfte aus einem einzigen Kugellager bestehen.     *** Gedankenstriche von Joanna Lisiak, Kulturnotizen 2016 Weiterführend → Lesen Sie auch das Porträt der Autorin und…

Reisepass für das Paradies

I Die Augen der Frau wackelten einige Male, bevor sie in die Laubblätter fielen, und die Laubblätter schauten nun mit den gelben Augen der Frau in die Augen des Windes. Im nächsten Augenblick wurde der Himmel trüb und die Zweige…

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  Jedes Ding hat seinen Schlummerton alle spielen auf unbekannten Saiten:   In der Mitte das Wiesenschaumkraut weiter hinten der Kirschbaum der im Sprung sich krümmende Eichhörnchenkörper der Vogel  der Anlauf nimmt der Himmel/ bittere Zunge/ Vergissmeinnicht   Herzweh für…

L.H.O.O.Q.

Ich liebe dich, David!, sagt Schlange. – Ich liebe dich auch, Mona Lisa, sage ich. – Willst du mit mir sterben gehen, David?, fragt Mona Lisa, sagt Schlange. – Aber ja, sage ich, wir lieben den Tod, sagt David lächelnd…

Über die Bedeutungsdimensionen der kurzen Prosa

Von manchen Autoren wird wortreich vieles endlos wiederholt oder variiert. Francisca Ricinski ist die Ausnahme von dieser Regel. Auf großes Echo stieß sie mit Auf silikonweichen Pfoten. Ihr Band Als käme noch jemand widmet sich in intensiven und ergreifenden literarischen…

Natürlich

  Die wahre Schönheit liegt im reinen Durchschnitt, sage ich – Dann sind also die meisten Frauen schön?, sagt Schlange. – Nein, sage ich, der reine Durchschnitt ist so selten wie extreme Hässlichkeit. – Dann ist es unsinnig von Schönheit…

Ein Hoax?

Das Wort Hoax ist zum ersten Mal 1796 belegt. Seine Herkunft ist nicht eindeutig nachgewiesen, es wird jedoch vermutet, dass es sich von Hocus ableitete, welches wiederum eine Verkürzung von Hocus Pocus („Hokuspokus“) war. Frühe Beispiele für die Verwendung des…

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  Zuerst sind so Menschen in die Zeit hinein gestreut und haben Bindehäute zwischen den Händen und glätten einander die Gesichter und ihre Finger umstricken einander  sind Halteseile und sie hören den lispelnden Himmeln zu und entsteigen dem Schweigen manchmal…

Wasser

  Da liegen die Abrechnungen mit Wasser (besser sollte man sagen : vom Wasserwerk) auf dem Tisch und scheinen zu warten. Nein, sie klagen nicht an, ganz und gar nicht. Das Wasser war wichtig, die Badewanne musste gefüllt werden, klar.…

Mäandern im Materialsteinbruch

 Die Zeit verwandelt uns nicht. Sie entfaltet uns nur. Max Frisch Die meisten Menschen beherrschen ihre Muttersprache halbwegs, dazu eine Fremdsprache. Drei oder vier andere Dialekte verstehen sie vielleicht ansatzweise. Wie viele Sprachen man für einen lyrischen Über- und Durchblick…

Perpetua Rutunden die Erlauchte

Perpetua Rutunden ist Spiritistin. Perpetua Rutunden von sich selber auf metaphorischer Ebene: Perpetua Rutunden ist Gänsefüsse. Perpetua Rutunden hat einen angeborenen Tunnelblick. Perpetua Rutunden wird regelmässig von Wadenkrämpfen heimgesucht. Perpetua Rutunden wünscht sich neue Schönheitsideale: weibliche, männliche und sächliche. Perpetua…

In dubio pro dubio

Ich erzähle Schlange die kleine Geschichte von der Macht der Wahrscheinlichkeit: Unser Leben ist ein Spiel, in dem wir eine Wette eingehen: Entweder wir setzen darauf, dass die Liebe gut ist, oder darauf, dass sie nicht lohnt. Wenn wir diese…

auf ein neues

  die sekunde springt über die datumsgrenze   macht uns zu anfängern in sachen zukunft   eingebettet in ein gestern ein damals das uns begleitet   denken wir das morgen neu das uns blüht   noch ist was kommt versprechen…

In Between

It’s not country, it’s not blues, it’s not rock, we just do what we do. Margo Timmins Nach dem phänomenalen ersten Album The Trinity Session, mit dem die Cowboy Junkies ganz beiläufig die Americana begründeten, führte die Zugänglichkeit von The…

schatten

  lieg ich allein am offnen fenster in der nacht vergehn die stunden samen gleich die nicht befruchten bleibt unberührt mein schatten der verschorfte pfeil  im fleisch verliert sich das leben geh ich ins freie am morgen zerfällt er zu…

Böhmische Nachkriegsgeschichte

  Hinter dem lapidaren Titel des autobiographisch verbürgten Berichts des tschechischen Schriftstellers und Bürgerrechtlers František Šedivý (Jg. 1927) verbirgt sich eines der schrecklichsten Kapitel der böhmischen Nachkriegsgeschichte: die Produktion von Uranerz für die nach 1945 in der Sowjetunion einsetzende Herstellung…

Fünfzigtausend Anschläge

Ein Schwarzbuch ist eine Sammlung von Negativbeispielen aus der Sicht des Autors oder Herausgebers, die in Buchform veröffentlicht wird („Schmutzbuch“). Quelle: Wikipedia Nachdem das Jahrbuch der Lyrik 2015 für Furore gesorgt hatte, vor allem deshalb, weil „sich so gut wie kein politisches, zumindest gesellschaftskritisches Gedicht…

Erfahrungsseelenkunde

  der Ankunft eines Blicks hinter hertræumen & darauf warten bis… die Gedanken entzuengelt sind: Vitalitæt entlæd sich in Schueben   als Seismograf der Verænderung am Vermessungspunkt des Lebens den Nullpunkt der Existenz erfoschen = den Stoffwechsel von Fiktion &…

Der Panther

im Jardin des Plantes, Paris   Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, daß er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt.   Der weiche Gang geschmeidig…

Weihnachten

  Und wieder nun läßt aus dem Dunkeln die Weihnacht ihre Sterne funkeln! Die Engel im Himmel hört man sich küssen und die ganze Welt riecht nach Pfeffernüssen …   So heimlich war es die letzten Wochen, die Häuser nach…

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  als wär jedes licht am rande der straße ein brief den die liebe der großmutter mir schrieb: neig dich beug dich   als wär jede wolke jede ermattung der füße auf zu langen reise programmen ein ruf aus dem…

Crossmedia

Vorbemerkung der Redaktion: Für die in Österreich erscheinende Zeitschrift Autorensolidarität machte Dieter Scherr ein Interview mit Sophie Reyer. Im Vorjahr erschien Wortspielhalle, eine Gemeinschaftsarbeit mit dem Düsseldorfer Schriftsteller A.J. Weigoni, wie kam es dazu? Reyer: Aufgrund meines Filmstudiums an der…

Zeit der Kettenhunde

Vorbemerkung der Redaktion: Daß ausgerechnet der unkomplizierteste Zugang zur Viefalt der Lyrik in Verruf geraten ist, ärgert Axel Kutsch, einen der leidenschaftlichsten Herausgeber: Rezensionen von Lyrik-Anthologien findet man eher selten in den Medien – und wenn doch, dann kommt es…

hautstille | im gegenlicht

für Friederike Mayröcker 2014 regenschirme treiben vorbei das leben zahlt sich aus tage wabern im sommerlicht wie algenteppiche oder wasserlinsen im mäander auf einem berg stand ich am parnass sagen wir besser an einem abhang und stürzte in ein thrakisches…

Zum Geleit

Vorbemerkung der Redaktion: Zum näheren Verständnis zu den Gedichten aus der Zeit der Tang-Dynastie baten wir den Übersetzer Ulrich Bergmann um eine Vertiefung: Was verbindet die ausgewählten Gedichte aus dem 7. – 10. Jahrhundert (Tang-Dynastie) und dem turbulenten 20. Jahrhundert?…

Ichzerlegung eines Wesensfallenstellers

  auf der Suche nach einer Biologie des Geistes in die Wesenseinheitsfalle geraten > in vor gefertigte Identitætskæstchen abgelegt werden & sich als eine von sieben Milliarden identischen biochemischen Maschinen erkennen   metaphysische Innenræume erkunden im Binnenraum der Sprache auf…

Sonette – XII

  Einst wird von dem Gedenken und Vergessen Nichts bleiben als ein Lied an seiner Wiege Das nichts verriete und das nichts verschwiege Wortloses Lied das Worte nicht ermessen   Ein Lied das aus dem Grund der Seele stiege Wie…

Who is who / is who or what

  nach Kai Pohl   Leninallee heißt jetzt Landsberger Dimitroff heißt jetzt Danziger Wilhelh-Pieck- heißt jetzt Torstraße Joan Baez heißt jetzt Kultur- und Schankwirtschaft BAIZ Burger King heißt jetzt Kaffee Burger Klum heißt jetzt Samuel Feldbusch heißt jetzt Pooth Po…

Baracke, nebenan Feierabend

  Wenn es begann, waren wir vollzählig. Die Erzählungen über frühere Arbeitspausen zu Arbeitsbeginn schlugen immer wie Granaten ein. Die Frühstückspausen revolutionierten Gefahr, die Mittagspausen griffen realistisch an, die Kaffeepausen am Nachmittag bombten alles Leben aus. Sieh mich an, Lebenswille,…

Die Mitte und kein Ende

In Dichterkreisen wird gestritten, und es kursieren Positionen um die Frage: Wie hat ein Gedicht zu sein? Sie bewegen sich zwischen Verrätselung und Hermetik auf der einen Seite und zugänglichen Formen und Inhalten auf der anderen. Während die einen die…

Die Macht am Rhein

    restlos bunt flach graugeflutet kieselsteinwurftakt herzlaufzeit eile weg sommerweiße dampfer schieben bilder vor sich her die möwe schreibt ins blau basaltglanz im fell der katze die junge jahresfahnen sich nach süden strecken sieht sonnenrebengoldenes entsetzen blüht hangaufwärts und…

Landschaft, Winter

  Der Schnee, die unsichtbaren Wege. Der Stand der Eichen gibt die Richtung an, in die wir gehn. Aus ihrer Borke sehn uns tausende Gesichter nach und auf dem Hügel stehn die Birken wie Odins tote Krieger.   Die Nachrichten…

Öffentliche Beziehungen

Vorbemerkung der Redaktion: Unter „Kunst im öffentlichen Raum“ verstand man früher das Reiter- oder Kriegerdenkmal, Sklupturales oder Brunnen. Seit den nuller Jahren ist eine veränderte Wahrnehmung bekannt scheinender urbaner Kontexte zu beobachten. Im 21. Jahrhundert nennen Künstler ihre Werke „Interventionen“. Diese…

Poetische Performance

Awch behelt daz gemell dy gestalt der menschen nach irem steben. Albrecht Dürer  A.J. Weigoni erinnert mit seiner dichten Lockenmähne nicht nur an einen attraktiv gealterten Rockstar, das selbstironisch verwendete Vor-Bild findet sich auf einem Gemälde, Albrecht Dürers Selbstbildnis im…

Der Sprache aufs Maul schauen

Zähes Schreiben nährt den Geist. A.J. Weigoni belohnt seine Leser mit Erkenntnisgewinn. Mischa Kuball VerDichtung bedeutet für A.J. Weigoni ersetzen, tauschen, überschreiben, eskamotieren, reduzieren, übersetzen, selbst vom Deutschen ins Deutsche. Es ist eine unablässige Durchdringung von Sprachspiel und Gedankengang; eine…

Die 53. Woche

  1976, als Traian Pop Traian in Temeswar Gedichte wie „Der letzte Schnee“ verfasste, notierte ich in mein Tagebuch, wie ich das Fahrrad geflickt hatte, um mit den Nachbarskindern um die Wette zu fahren. Dass es Rumänien gab und wo…

O.T.

  canapé-kommando die spackos fahren konvoi   truschige schnappatmer keuchen tsipras doch die rettungsschwimmer sehen gut aus (neil young weiß auch nichts genaues)   das schranzenkonvolut zählt die falter in der cola lackmustest gescheitert darauf einen ouzu   –  …

Wir warten

  Wir warten die stumpfen Bahnen des künftigen Starts Wir starten von Tüchern ins Blaue   Wir landen an Rändern von Zonen, das spart die Gebühren zur Pflege der Ahnen.   Wir warten. Schon ist unser Meister in Sicht, er…

Zitat

  Als Zitat gesehen über die Zeit eines Lebens verliert jenes seinen Sinn die Sinnlichkeit des Augenblicks   Als Zitat gelebt über die Zeit eines Augenblicks verliert dieser seinen Schrecken Sinnlichkeit des Erlebens     *** Das Mittelmaß der Welt,…

Der lüfte schaukeln wie von neuen dingen

  Der lüfte schaukeln wie von neuen dingen · Aus grauem himmel brechend milde feuer Und rauschen heimatwärts gewandter schwingen Entbietet mir ein neues abenteuer Du all die jahre hin mir glanz und glaube Bei dir · und wo die…

Im Winter

  Der Acker leuchtet weiß und kalt. Der Himmel ist einsam und ungeheuer. Dohlen kreisen über dem Weiher Und Jäger steigen nieder vom Wald.   Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt. Ein Feuerschein huscht aus den Hütten. Bisweilen schellt sehr…

Modernes Antiquariat

  Zu den traurigsten Nachrichten gehörte in diesem Jahr, daß “Der große Conrady“ auf dem Ramschtisch gelandet ist.  Es ist die Mutter aller Lyrik-Anthologien, die mit dem Wessobrunner Gebet aus dem 9. Jahrhundert beginnt und mit einem Gedicht von Ann Cotten endet.…

Was muss ein Gedicht, was darf es?

ein Gedicht muss gar nichts ein Gedicht darf alles es wählt seine Form selbst, unabhängig von Jahreszeiten, Prosa und sonstigen Gewohnheiten es ist niemandem Rechenschaft schuldig, es ist kein Kredit, kein Fast-Food, keine Laune der Natur es darf sich seine…

SPÄT NACHTS

  Woher dein Licht, entlaubter Hain? Du schimmerst in tiefem Blau. Wie Adern sind Deine Äste. Ist’s von der Stadt: der Widerschein? Ich kam dorther. Die Nacht war trüb und die Gassen Klangen vom Regen: beim matten Glanz der Laternen…

Frische Fahrt

  Laue Luft kommt blau geflossen, Frühling, Frühling soll es sein! Waldwärts Hörnerklang geschossen, Mut’ger Augen lichter Schein, Und das Wirren bunt und bunter Wird ein magisch wilder Fluß, In die schöne Welt hinunter Lockt dich dieses Stromes Gruß. Und…

Punkt

  Wenn man gleich große Kreise regelmäßig und dichtest möglich zusammenrückt, so entsteht der Eindruck von Sechsecken automatisch. Unterbricht man diese Regelmäßigkeit auch nur teilweise, so erscheint es, als sei das Chaos mutwillig entstanden. Regelmäßigkeit scheint durch die direkte Beziehung…

Kuehle Intarsien

  ueberwache Konzentrationsstarre > ein Sich– Versenken in frostklirrende Vergletscherung: Schleifspuren der Vergangenheit fuehren in die Geheimnislosigkeit eines Panoptikums   Begriffsschneisen durch die Zeitlæufte schlagen die konstitionelle Muedigkeit hinter dem Entscheidungsfuror freilegen & fuer seinen Wortvertreter einstehen   an der…

Tuğçe

Mädchen aus Fleisch und Blut, mit feurig loderndem Mut. Verloren in großer Tat, wiedergeboren für den endlosen Tag. Tapfere Streiterin mit echtem Mut, wiedergeboren für den endlosen Tag. Gesegnet mit ehrbarem Mut, gehalten im Geiste Aller für den endlosen Tag.…

luzid

Wir spielten uns selbst und gerieten beim Sprechen in Verse.                                                                                         (Peter Kurzeck) die treppenstufen gezählt21 22 23die herzschläge24 25 26oben angekommen und wieder nach untenalles noch einmal von vornedie treppenstufen der herzschlag am ende die müdigkeit und schließlich fingen wir…

Sonette – XI

  Einst war die weiße Stadt von seinen Schritten Wie Sang erfüllt in ihren Fenstern starb Sein Blick gespiegelt und das Aug verbarg Vor ihm der Tag in stumpfer Himmel Mitten   Die sengend hingen über altem Park Wo ihn…

Die zehnte Elegie

  Daß ich dereinst, an dem Ausgang der grimmigen Einsicht, Jubel und Ruhm aufsinge zustimmenden Engeln. Daß von den klar geschlagenen Hämmern des Herzens keiner versage an weichen, zweifelnden oder reißenden Saiten. Daß mich mein strömendes Antlitz glänzender mache; daß…

Partiale, visuelle Versatzstücke des Unbewussten

 Er ist schön […] wie die zufällige Begegnung eines Regenschirmes mit einer Nähmaschine auf dem Seziertisch. Lautréamont. Die Entwicklungsgeschichte des in Siegen ausgebildeten Künstlers Haimo Hieronymus kann als Suchscheinwerfer auf die zerklüftete Landschaft der heutigen Malerei gedeutet werden. Er denkt…

grabwunsch

liegt das brot am abend vor mir wie eine totenspeise spür ich jeden bissen als wunde im fleisch  hör ich als stimme mich um mitternacht zerfällt der apfel in der hand zu asche sitz ich gefangen zwischen den wänden  der…

Leopold Federmairs Erzählungen streben „Ins Licht“

  Nichts bleibt, wie es ist – ein Wort, eine Feststellung, die Gnade und Grauen zugleich birgt. Womöglich ist es die Kunde vom „Irrlicht dieser Zeit“, wie es bereits im 17. Jahrhundert Andreas Gryphius im Angesicht der unglaublichen Gemetzel und…

Pflotsch!

  Der 1982 bei Bern aufgewachsene (fast erblindete) Schweizer Autor diktiert seine Texte in den Computer. Er erzählt „eine existenzielle Geschichte zum Thema Schuld.“ Es ist ein mysteriöser Kriminalfall, den der Leser mehr erahnen muss, als dass er aufgeklärt wird.…

Vergeblichkeitsgesten

  Kulturinformatiker kommentieren den Fortgang des Erkundens durch genaues Hinsehen exakt im richtigen Moment & entlarven eine kaschierte Unsicherheit in der Formulierungsautoritæt dem Jargon der Eigentlichkeit   Verantwortungspathetiker verbinden history & mystery zu einem Refugium der Utopien: eine neue Ordnung…

Vom Seemann Kuttel Daddeldu

  Eine Bark lief ein in Le Haver, Von Sidnee kommend, nachts elf Uhr drei. Es roch nach Himbeeressig am Kai, Und nach Hundekadaver. Kuttel Daddeldu ging an Land. Die Rü Albani war ihm bekannt. Er kannte nahezu alle Hafenplätze.…

Hungertuch 2015 für die Kategorie Literatur: Enno Stahl

Der Name des Verlags, den Dietmar Pokoyski und Enno Stahl 1988 begründeten, war Programm: KRASH. Seine Existenzberechtigung lag in einer konsequenten Fortführung der Moderne: von Dada und Surrealismus, den Experimenten von Laut- und visueller Poesie zur Postmoderne; ein Konzept, das…

Endlich

  Der Metzgerhund schnappt nach dem goldenen Ring. Die Fee ist gut, aber der Kaffee hart und der Granit weichgekocht wie eine Haube aus Katzenfell. Die Knaben, die Männer, die Greise. Sie sitzen auf der Mauer und beraten. Sie deuten…

Füllhorn

  Vittore Baroni gehört zu den aktivsten Künstlern der internationalen Mail Art-Szene. Mittels dieser Kunstform bildeten Künstler Netzwerke lange bevor dieser Begriff von der Computertechnik vereinnahmt wurde. Und lange vor dem Fall des Eisernen Vorhangs wurden damit Ideen, Konzepte und…

TRIEBSPIEL = SPIELTRIEB ?

Die Bühnenfassung von Juli Zehs Roman SPIELTRIEB in der Werkstattbühne (Oper Bonn) ist ausgezeichnet und schauspielerisch großartig umgesetzt. Mir gefiel die hoch begabte junge Schauspielerin in der Hauptrolle (Ada). Eine unterhaltsame Aufführung, 100 Minuten lang Freude für Hirn und Herz,…

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  ränderling immer noch unverändert wieder hier   wo du warst das dazwischen:   weißt nicht mehr alter anfang tat sich schwer   wieder hier tut sich mut   bist du alt keine rahmen für das herz   unverändert immer…

Petersburger Hängung 2.0

  Wenn Theo Breuer sich lange nicht meldet, ist stark davon auszugehen, daß er über einem neuen Lyrikprojekt brütet. Unlängst meldete er sich nach langer Zeit und wies unverzüglich auf einen Textanhang, der den Anlaß seines Schreibens erklären würde. Die…

Hungertuch 2015 für die Kategorie Musik: AESTATE

  Mit ihren kompromisslosen audiovisuellen Transformationen positionieren sich AESTATE zwischen Kunst und Club, Kultur und Party. Chris Huff und Sven Piayda gründeten das Projekt 2006 und produzierten seitdem drei Alben, viele digitale EPs, ein Remixalbum sowie eine Live-DVD. Sie arbeiten…

Vergegenwärtigung eines geschichtlichen Gegenstandes

Ich verstehe Ihre Frage so, daß es Menschen in Westdeutschland gibt, die wünschen, daß wir die Bauarbeiter der Hauptstadt der DDR mobilisieren, um eine Mauer aufzurichten, ja? …  Mir ist nicht bekannt, daß eine solche Absicht besteht, da sich die…

Adabei

Vorbemerkung der Redaktion: Gerne weisen wir auf lit21.de, den literarischen Metablog hin: Der Perlentaucher lanciert lit21.de, ein literarisches Metablog, das literarisch relevante Texte und Informationen aus Blogs, Zeitungen und Radios bündelt und als konzentrierten Neuigkeitenstrom darstellt. Das neue Metablog lit21.de…

Über das Schreiben

  Die Schreibmaschine wird dem Federhalter die Hand des Literaten erst dann entfremden, wenn die Genauigkeit typographischer Formungen unmittelbar in die Konzeption seiner Bücher eingeht. Vermutlich wird man dann neue Systeme mit variablerer Schriftgestaltung benötigen. Sie werden die Innervation der…

Gedichte aus der Zeit der Tang-Dynastie

Übersetzen ist Deuten. In diesem Sinn ist Malen ebenfalls Übertragung und Deutung. Wir begegnen also in diesem Buch zwei Übersetzern, der eine bemüht das Wort, die andere den Pinsel. Lassen wir uns auf ihre Deutungen ein. Es könnte unser Glück…

schweigen

  lieg ich in mich gepreßt bin ich für mich selber nacht lastet nichts mehr auf mir hör ich im traum nur schritte die sich zu mir wenden seh ich gleißend weiß eine figur vor mir  magern die worte ab…

Zukunft

  Möglichkeiten und Unmöglichkeiten hängen oft nicht von Tatsachen ab, sondern davon, ob man sie für möglich oder unmöglich hält.   *** Von Herrn Nipp waren auf KUNO zwischen 1989 und 1994 Aperçus, Bonmots, und Sentenzen zu lesen. Eine Vorform…

Wortflora

  im Abhub der Geschichte trifft finsterste Schœnheit auf anruehrende Emotionalitæt… an Rændern der Epiphanien des Ephemeren lauern Dæmonen & Abgruende rumoren in Wurzeln einer alten Eiche & schicken kleine Pilze hinauf ans Tageslicht   die aufgebrochene Krume dampft nichts…

O.T.

           ihre hände sind weich sie wissen wie man gibt und wie man nimmt                  ihre blicke sind zart sie weiß wie man reißt eindringt plündert   ihre zungen sind scharf sie weiß wie man gesund…

Briefwechsel

  Wenn die Post nachts käme und der Mond schöbe die Kränkungen unter die Tür: Sie erschienen wie Engel in ihren weißen Gewändern und stünden still im Flur.       *** Ein redaktioneller Hinweis auf: Verschenkter Rat. Gedichte von…

Der Müffler

  Natürlich bin ich treu. Also, im Rahmen meiner Möglichkeiten. Die Sache mit Mia würde ich auch nicht als Fremd- gehen bezeichnen, sondern als nicht ganz gelungenes soziosexuelles Experiment. Mia ist, nein, war die beste Freundin von Nadine, die immer…

DER GESANG DER SÄULEN

  Selige Säulen, mit Tag auf den Hüten und wirklicher Vögel Schritt rings um ihr obres Rund. Selige Säulen, wie Spindeln der Melodie! Jede singt, da sie steigt, Schweigen, das einig schweigt. Was ists, was ihr so erhebt, ihr euch…

Die neunte Elegie

  Warum, wenn es angeht, also die Frist des Daseins hinzubringen, als Lorbeer, ein wenig dunkler als alles andere Grün, mit kleinen Wellen an jedem Blattrand (wie eines Windes Lächeln) –: warum dann Menschliches müssen – und, Schicksal vermeidend, sich…

The Transnational

Vorbemerkung der Kulturnotizen-Redaktion: In unregelmäßiger Abfolge stellen wir auf den Kulturnotizen Literaturzeitschriften vor. Wir baten Sarah Katharina Kayß, die Herausgeberin des Transnational um einen Einblick auf die aktuelle Ausgabe. Es ist noch nicht allzu lange her, da haben die Menschen auf diesem…

Mehr nicht!

Es kommt darauf an, die menschliche Wirklichkeit im Angesicht des Todes zu verstehen. Der Tod existiert nur, weil es Leben gibt. Das ist die grosse Lyrik der Welt. Yasar Kemal     Weiterführend → Lesen Sie auch den Nachruf über…

Ich bin…ein Stern

  Ich bin…ein Stern.   Ich … glänze …   Traurig…flehend, tränenbleich, hebst du…zu mir dein…Gesicht.   Deine Hände…weinen:   „Tröste mich!“   Ich … glänze …   Alle meine Strahlen zittern in dein…Herz.       *** Den Essay…

Berauschendes Buchstabengestœber

Vorbemerkung der Redaktion: Für das Projekt Kollegengespräche hat A.J. Weigoni einen Austausch zwischen Schriftstellern angeregt. Auf KUNO ist diese Reihe wieder aufgelebt, daher bringen wir gern eine leicht modifizierte Übernahme aus der Reihe „Der lyrische Mittwoch“ zwischen Sebastian Schmidt und…

Folgerichtigkeit

    Nur wer die Regeln kennt, kann das Spiel auch spielen.     *** Von Herrn Nipp waren auf KUNO zwischen 1989 und 1994 Aperçus, Bonmots, und Sentenzen zu lesen. Eine Vorform der Twitteratur. Prägend für diesen Begriff ist…

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ich bin ein flächenbrand ohne ränder man band mir die hände ab die gewänder der augen schraubten sich fest abschaben und beschiffen ich stand in der bauchdeckee des regenbogens und höhlte die fracht ausm himmel heraus da wo hoffnung nistet…

Wunderwand

  *** Retrospektivausstellung von Janz / Eidmann in der Orangerie Putbus Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay…

Kopf gen Himmel

  Den Kopf gen Himmel heb‘ die Wolken weben uns ein Bett mit solchen Mäulern schwimmen in der Landschaft Fische umher den Kopf gen Himmel heb‘ ein Angler wirft die Rose nach uns laufen                        ineinander Träume barfuß zaghaft und tiefentief…

Die Kamera, ein Erkenntnisinstrument

Das Durchschnittswerk des heutigen Gelehrten will wie ein Katalog gelesen sein. Wann aber wird man soweit sein, Bücher wie Kataloge zu schreiben? Ist das schlechte Innere dergestalt in das Äußere gedrungen, so entsteht ein vortreffliches Schriftwerk, in dem der Wert…