Kategorie: Allgemein

Die Kultivierung des „romantischen“ Araberbildes

  Das Thema des Essays ist ‚Die Kultivierung des „romantischen“ Araberbildes am Beispiel von ‚Lawrence von Arabien‘ stellt die historische Persönlichkeit T. E. Lawrence, der später unter dem Namen ‚Lawrence von Arabien‘ zur Legende wurde und die Araber in den…

Dekonstruktionen der Heimat

„Es lebe Bonn! Es lebe Deutschland! Es lebe die deutsch-französische Freundschaft!“ Charles de Gaulle   Mein Vater, Theo Schnarhelt, geboren 1908 auf einem Bauernhof in einem damals kleinen Dorf im Südoldenburgischen, (in der Nähe von Bremen in Norddeutschland) war der…

Das Gefühl für das Gute und Böse hängt großenteils von der Meinung ab, die wir davon hegen

  Die Menschen (sagt eine alte griechische Sentenz) werden von den Meinungen gequält, die sie von den Dingen hegen, und nicht von den Dingen selbst. Man hätte schon einen großen Schritt zur Erleichterung des menschlichen Elendes gewonnen, wenn man diesem…

Rückverwandlungen dienstbarer Geister

Bedarf es des Magischen, um uns Texte nicht nur näher zu bringen, sondern auch ganz nahe für ein tiefgehendes Verstehen? Bedarf es der Berührung mit einem magischen Ding, etwa dem Zauberstab eines Fachmannes oder etlicher Tropfen vom Zauberwasser aus der…

Die analoge mail • Revisited

Ein Briefwechsel ist ein Gespräch unter Abwesenden. Die wahrscheinlich erste rhetorische Brieftheorie über diesen Austausch stammt vermutlich von Artemon aus dem 1. Jahrhundert. Im Vorwort seiner Aristoteles-Briefausgabe nennt er den Brief die eine Hälfte eines Dialoges, den Briefwechsel „ein Gespräch…

Ein Gespenst

  Es war ein Abend meines siebenten oder achten Jahres vor unserer babelsberger Sommerwohnung. Eins unserer Mädchen steht noch eine Weile am Gittertor, das auf, ich weiß nicht welche, Allee herausführt. Der große Garten, in dessen verwilderten Randgebieten ich mich…

DIE ALTE

  ich liege reglos auf einer wiese und feiner blütenstaub bedeckt mich, den insekten zerstäuben, wodurch er ständig aufwirbelt und niederfällt. und ich spüre, wie in mir der wein verbrennt, den ich zuvor getrunken habe. plötzlich sehe ich rauch aus…

Das leise Verstören

  Was und wie es aus der Kopfhaut herauswächst, bleibt unkontrollierbar und ungestalt. Es ist das Haar, das als Wort ausgesprochen und in all seinen möglichen und aussprechbaren Buchstabenvariationen Aggressionen provoziert: raah!, raha!, arah!, aarh!, rhaa! Es wächst lautlos, unsichtbar,…

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  Schatten Baum Blätter die als würden sie beten sich hineinfalten in sich selbst es lügt also auch dieser Wald       *** Baumzyklen, Gedichte von Sophie Reyer, KUNO 2023 Weiterführend →  Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In…

Die Jungfrau

  Maria Mondmilch war das einzige Kind des Kunsthistorikers Doktor Maximilian Mondmilch und der schönen Frau Marga Mondmilch. Frau Mondmilch soll früher Wassermädchen in dem Kaffeehaus gewesen sein, in welchem Herr Mondmilch – der damals Student war – Tee trank…

Worte

  „In solchen Situationen geht es nicht um Stringenz oder gar eine irgendwie entschlüsselbare Kontinuität, sondern um den Genuss am Umgang mit dem Anderen, mit den Anderen“, dachte Herr Nipp. Er reflektierte vor dem flackernden Kamin sitzend über die Kunst…

Selbander – Gestaltung

  Wie sich ihre Frisuren verändern, wenn sie beginnen, an ihren Erfolg zu glauben! Gegen die Gewohnheit der Natur formen sie ihr Haar zu Hüten früh am Morgen! Sie befürchten, dass man ihnen ohne Hüte keinen Zutritt gewährt zu ihren…

Loos

  Von der Seite betrachtet, erinnert sein Kopf an den Totenschädel eines Gorillas; wendet mir Loos langsam das Gesicht zu, prüfen mich scharf des Gorillas runde, hellbraune Augen. Die sind gefährlich, greifen aus einem andern Denken, aus einem fremden, geschwinden…

Larissa Reissner

  Die ist in ihrem eignen Saft gekocht. Wir haben so viel alte Weiber unter den Journalisten – eine so kluge, eine so kräftige war noch nicht dabei. Ihre ausgewählten Schriften liegen nun unter dem Titel ›Oktober‹ im Neuen Deutschen…

Licht, mehr Licht!

Alles, was leuchtet, sieht. Gaston Bachelard Der Katalog ReferenzRäume bietet Anlass das bisherige Lebenswerk von Mischa Kuball assoziativ passe laufen zu lassen, ohne einen Nachrufmodus zu bedienen. Wie betrachten einen Querschnitt durch sein Werk der letzten vier Jahrzehnte. Diese „Referenzräume“…

Das Bronzepferd

  Im siebten Jahr verliebte sich Janus. Er sah das Mädchen mit den tiefblauen Augen und den langen schwarzen Haaren in der Mittagsstunde, als er auf dem Weg von der Schule nach Hause in die Große Steinstraße einbog. Schon lange…

Duldungsstarre

  Wenn man aus der Hochburg der Provinz herausfährt, verwandelt sich die Gegend ins Vorstädtische. Die Suburbia passt sich den Bedürfnissen der Mittelschicht nach Eigenheim, Shoppingmall und einem naturnahen Umfeld an. Man bewegt sich im blechgepanzerten Auto zur Arbeit, zum…

Größenwahn und Kontrollsucht – Das Ende der Demokratie?

Jahrtausende hindurch ist der Mensch das geblieben, was er für Aristoteles war: ein lebendes Tier, das auch einer politischen Existenz fähig ist. Der moderne Mensch ist ein Tier, in dessen Politik sein Leben als Lebewesen auf dem Spiel steht.  …

Das Käthchen von Heilbronn

  Fürwahr, es ist Mark darin und Geist und Schönheit. Von der dunkeln Tiefe des Gemüts bis hinauf zu jener heitern Höhe, auf welcher die Schöpfungskraft frei und besonnen waltet, führt uns ein lockender Weg, mit abwechselndem Reize, bald zwischen…

Über die Allegorie

  Als Philomele ihrer Zunge beraubt war, webte sie die Geschichte ihrer Leiden in ein Gewand und schickte es ihrer Schwester, welche, es auseinanderhüllend, mit furchtbarem Stillschweigen die gräßliche Erzählung las. Die stummen Charaktere sprachen lauter als Töne, die das…

Über Analyse und Interpretation

  Analysieren ist Beschreiben ist zugleich immer auch Deuten. Ohne Deutung keine Analyse, ohne Analyse keine angemessene Deutung. Interpretieren (Deuten) bedient sich der Analyse als einer Magd; dabei ist die Methode der Analyse nie starr, sondern stets auf (oft mehrere)…

RedenRedenReden, ein Ohr-Ratorium

  Mit Live-Hörspiel verbindet man immer noch Orson Welles CBS-Live-Thriller Krieg der Welten. Die Ansprüche an das heutige Hörspiel schienen lange Zeit unabhängig vom Genre in Anspruch und Produktionsweise kaum mehr für den Live-Auftritt geeignet. Dennoch gibt es einen Gegentrend…

Stirbt die Kunst?

  Diese seltsame Frage ist jetzt zum zweiten Male aufgetaucht. Schon vor Jahresfrist hatte Moszkowski, der Chefredakteur der ›Lustigen Blätter‹, die Frage gestellt, in etwas unklarer Weise behandelt und schließlich bejaht. Jetzt kommt ein Berufener, um sie abermals zu stellen…

9/ 11 – vor 50 Jahren

Die Völker schreiben die Geschichte, und die Geschichte gehört uns. Soziale Entwicklungen sind nicht zu bremsen, weder durch Verbrechen, noch durch Gewalt. Zwar bahnt sich der Verrat gerade seinen Weg. Aber ich habe Vertrauen in Chile und sein Schicksal. Früher…

OSKAR KOKOSCHKA

  Ich traf ihn im jahre 1908. Er hatte das plakat für die wiener „kunstschau“ gezeichnet. Es wurde mir gesagt, daß er ein angestellter der „Wiener Werkstätte“ sei und mit fächermalen, zeichnen von ansichtskarten und ähnlichem, nach deutscher art –…

Gezeitengespräch 9

Vorbemerkung der Redaktion: In diesem Jahr machen wir das vergriffene Gezeitengespräch von Haimo Hieronymus und Karl Hosse auf KUNO recherchierbar.   Zeitnah: Ja, die Mütter, unsere Mütter und deren Mütter, immer hängt es doch wieder an ihnen. Die Bilder im Kopf…

Lendenwirbel

  Gegen Abend fuhr ich nach Chicago – eine eigentümliche, modern und antiquiert zugleich erscheinende Skyscraper-Architektur, gute (teure) Geschäfte, Blumenkästen in den Straßen, weniger pollution als in Manhattan. Strand am Lake Michigan, direkt vor der skyline. Ich ging schwimmen und…

Etwas vom Humor

  Beim alten Schopenhauer steht, wie alles, so auch das: »Denn näher betrachtet, beruht der Humor auf einer subjektiven, aber ernsten und erhabenen Stimmung, welche unwillkürlich in Konflikt gerät mit einer ihr sehr heterogenen, gemeinen Außenwelt, der sie weder ausweichen,…

Zerstreute Betrachtungen über verschiedene ästhetische Gegenstände

  Alle Eigenschaften der Dinge, wodurch sie ästhetisch werden können, lassen sich unter viererley Klassen bringen, die sowohl nach ihrer objectiven Verschiedenheit, als nach ihrer verschiednen subjectiven Beziehung auf unser leidendes oder thätiges Vermögen ein nicht bloß der Stärke sondern…

Maler male

  Wo hast Du dich da hingestellt? Da passt du gar nicht hin. Du machst stets das denkbar Unbequemste  aus deiner Lage. Gibst zu früh nach, zu spät auf, zu viel dazu, zu offen klein bei. Tausendmal gebrauchte unhygienisch gewordene…

Freiheit

  Auf dem Weg war ihm schon häufiger aufgefallen, dass einige Passagen eine überproportionale Ermüdung zur Folge hatten. Er fühlte sich einfach ausgelaugt, wenn bestimmte Abschnitte dieser Strecke befahren wurden. Da konnten noch so viele Kurven wie aus dem Nichts…

Du aber

  An manchen Tagen ist die Welt bereits da zuende, wo sich der Blick aus dem Fenster an der erstbesten Häuserfassade stößt. Ist es Tag, vermag einer sich noch vorzustellen, was da hinter den Gar- dinen vorgeht: Die Bedrückung wird…

Von der Pedanterei

  In meiner Jugend hab‘ ich mich oft darüber ereifert, wann ich in der italienischen Komödie beständig einen Pedanten als lustige Person auftreten sah und dabei bemerkte, daß die Benennung Magister bei uns eben keine ehrenvolle Bedeutung enthielt. Denn, da…

Warten

  Helle Rosen liebt sie und die schwarze Vase. Abtönung! ich werde sie entblättern. der Duft! toll! ein Mädchen auf meinem Zimmer! das hätt ich nicht von ihr gedacht. sie ist so fein. aber wer nicht nimmt. ich bin immer…

Ohrenzwinkern

Der Rundfunk hat die Literatur zu einem stummen Gebiet gemacht. Alfred Döblin, 1921 A.J. Weigoni erlag der Faszination des Mediums Radio in seinen Kindertagen, als der Rundfunk zu einem Zauberinstrument des Wortes wurde, zur akustischen Probebühne der Poesie, zum Atem…

Redaktionelle Anzeigen und Erklärungen

  Unser Bestreben, die edelsten und bedeutendsten Künstler und Kunstfreunde für eine allgemeinere Verbindung zu gewinnen, als sie bereits in Dresden, dem Lieblingssitze der deutschen Kunst, existierte, hat den glücklichsten Fortgang. Demnach beginnen wir mit dem Jahre 1808, nach dem…

Nächtliche Schaufenster

  Wenn ich spät nach Mitternacht in der Potsdamerstraße nach Hause ging, eilte ich mich meistens nicht sehr, denn die Nachtluft kam mir erfrischend entgegen. Sie war wie ein Wanderer, der aus Grenzwäldern über Flüsse und Seen herkam und über…

Der Goethe des westöstlichen Divans

  Als das Schicksal es wollte, mußte Mahomet, der Prophet, fliehen, und von dem Jahre seiner Hegire aus Mekka nach Medina begannen die Völker, die ihm anhingen, ihre Zeit zu zählen. Der Erinnerung an diese Flucht entnimmt Goethe, als er…

Lost and found im Underground

Die Redaktion hat sich schon immer für Pop interessiert, gerade dort wo er sich zu Trash vulgarisiert. Einer Medientheorie zufolge verschwinden Medien nicht, die Palette des Ausdrucks verbreitet sich lediglich. Kassettenrekorder sind eine spezielle Form von Audiorekordern, bei denen die…

Das Werden im Vergehen

  Das untergehende Vaterland, Natur und Menschen, insofern sie in einer besondern Wechselwirkung stehen, eine besondere ideal gewordene Welt, und Verbindung der Dinge ausmachen, und sich insofern auflösen, damit aus ihr und aus dem überbleibenden Geschlechte und den überbleibenden Kräften…

Das Verhältnis der schopenhauerschen Philosophie zu einer deutschen Kultur

  Im lieben niederträchtigen Deutschland liegt jetzt die Bildung so verkommen auf den Straßen, regiert die Scheelsucht auf alles Große so schamlos und tönt der allgemeine Tumult der zum »Glücke« Rennenden so ohrbetäubend, daß man einen starken Glauben, fast im…

Borges’ Erzählung Der Süden (El Sur) gelesen.

  Der Bibliothekar Juan Dahlmann hat deutsche und argentinische Wurzeln. Besonders stolz ist er auf seine argentinischen Vorfahren mütterlicherseits. Zu seinen Erbstücken zählt eine Farm, die Dahlmann noch nie aufgesucht hat. Im Februar 1939 ersteht Dahlmann ein Exemplar von Tausendundeine…

ORNAMENT UND ERZIEHUNG

Antwort auf eine rundfrage Sehr geehrter herr professor! Ihre anfrage erreicht mich gerade zur rechten zeit. Es gibt wahrheiten, die man verschweigen muß. Samen auf steinigen boden zu werfen, ist verschwendung. Seit siebenundzwanzig jahren zögere ich daher, das auszusprechen, was…

Rudolf Schmied

  In seinem Knabenbuch »Carlos und Nicolà« namentlich der Nicolà sieht ihm auf ein Haar ähnlich. Also ganz genaue der Nicolà ist der Rudolf Schmied selbst. Ich höre ihn im alten Café des Westens und in München im Stephanie ebenso…

Kontakte

  Ganz oben am letzten Ende der Alm hatte er einen genehmen Patz gefunden, hier konnte er unbeachtet die Wanderer beobachten, der mal mehr, mal weniger entspannten Sprache der Mitmenschen lauschen, ohne auch nur ein Wort zu verstehen. Eher der…

Die Vertreibung aus dem Paradiese

  Das ist eine Welt, die zwischen Morgen- und Abendblatt lebt und sich von dem Dämmerschein des neuen Jahrhunderts nicht bange machen lässt. Irgendwo ist ihr plötzlich der Begriff für Dimensionen abhanden gekommen und sie beeilt sich darum, jeder Winzigkeit…

Er denkt an sein Land

  Es galt, die dunkelsten Stellen auf dem Papier abzulichten. Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren. Es galt, die Grenzen des Sagbaren – oder Unsagbaren – immer weiter hinauszutreiben, in Regionen, in denen ihre Sprache…

Nachbarn

  Florin hat sich völlig zurückgezogen. Er will in Ruhe seine Dissertation über die so genannte Rote Armee Fraktion zu Ende bringen. Die Gliederung über den Deutschen Herbst ist stimmig. Die Sekundärliteratur komplett. Seine Notizen hat er bereits vollständig geordnet.…

Dies ist kein Wiegenlied

Über das Schaukeln: Collagierter Wach-Traum und Fremd-Sein in eigenen Bildern bei Herta Müller Immer dieselbe Frage sickert tröpfchenweise in mein Denken, wenn ich versuche, Herta Müller zu lesen: Wo fange ich diesmal an und wo ende ich? ‒ Diese Frage…

Des Künstlers Seele

An Vernissagen von Galerien würde man ihm mit grosser Wahrscheinlichkeit begegnen, denn gewissermassen ist es seine Pflicht, an solcherlei Anlässen zu erscheinen. Diese Feierlichkeiten – eher von politischer und banaler denn ästhetisch-philosophischer Natur. Er ist also zugegen, hat seine Atelierumgebung…

DER PASSANT

  ich habe eine bekannte besucht und fahre mit der straßenbahn zur arbeit durch jene straße, die ich sonst zeitgleich als fußgänger durchquere. ich stehe in der bahn am fenster und halte ausschau, ob ich mich draußen entlanggehen sehe. doch…

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  die Gefühle verschnörkelt eine Zungenprothese angelegt Protest mit Zähnen: gegen Rechts sich das Weiß ausbeißen bis es zu Schnee wird: wenn     *** Baumzyklen, Gedichte von Sophie Reyer, KUNO 2023 Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich…

Erinnerung an den Tag des Mauerbaus

Hier ist er also, der große Zeitroman für Marcel-Reich-Ranicki. Wend Kässens, NDR 3, Literatur vor Mitternacht Am 13. August unterbrachen die Bauarbeiter ihre Arbeit am Wohnungsbau und arbeiteten andere Statikpläne aus. Der SED-Parteichef wollte stets das Beste: Für die Partei,…

Unter Strom im Frühlicht

Das Grundrissbild aus der Orientierung gerissen, mit dem Wind in die Wüste. Ohne Halt das Gedächtnis, wenn die Transportkraft des Windes nachlässt. Ablagerung sein. Über Abgelagertem.   Die Berliner Oberbaumbrücke in Kreuzberg war in den 70er und 80er Jahren mein…

Gezeitengespräch 8

Vorbemerkung der Redaktion: In diesem Jahr machen wir das vergriffene Gezeitengespräch von Haimo Hieronymus und Karl Hosse auf KUNO recherchierbar.   Zeitnah (hier und dort): Es ist Frühling, ich weiß wohl, da kochen die Säfte wieder langsam auf. Da wäre das…

untiefen

  blieb wohl oder übel im gedankentreibsand stecken zwischen staubsauger und biotonne erschlägt eine zeitungszeile das nichts zum nächsten überlebenstraining warten hinter verregnetem fensterglas grau-schwarz lindengerippe auf den anflug flüchtender krähen des nachbars satellitenschüssel saugt bewegte bilder aus südost und…

Die Wirklichkeit und die Ewigkeit

Ein dialogischer Essay Aquin Kohl war ein vertrockneter Hegelianer, der sich immer mal wieder in die Einsiedelei ver­kroch und dann alles und jeden negierte. Aber auch als Hegelianer braucht man mitunter einige so­ziale Kontakte, um überleben zu können, zumal wenn…

Auf und unter Dach (Teil 2)

  Als durchaus frugal konnte dieses unerwartete Frühstück beschrieben werden. Herrlich diese frischen Brötchen und der einzeln aufgebrühte Kaffee. Die modernen Maschinen haben es für sich, das italienische Espressoungetüm nachzuahmen. Zwar sind sie nicht mehr so riesig und machen längst…

Über das Marionettentheater

  Als ich den Winter 1801 in M… zubrachte, traf ich daselbst eines Abends, in einem öffentlichen Garten, den Herrn C. an, der seit kurzem, in dieser Stadt, als erster Tänzer der Oper, angestellt war, und bei dem Publiko außerordentliches…

Eine Rückblende in die Mediengeschichte

Ich war dort oben beleidigt worden … Und so etwas muß ich erleben! … Nach der Lesung der Todesfuge. Paul Celan Wie wichtig Tonaufzeichnungen sind, belegt ein Mitschnitt aus einer Lesung vor der Gruppe 47. Paul Celans in eindringlichem Pathos…

DER STAAT UND DIE KUNST

Aus dem vorwort zu den „richtlinien für ein kunstamt“ Der staat hat sich zu entscheiden, ob er den künstlern helfen will oder der kunst. In der monarchie war der herrscher der schutzherr der kunst. In der republik ist es das…

Auf und unter Dach (Teil 1)

  Der Nebel lag noch in den Feldern, die meisten Menschen schliefen an diesem Samstagmorgen noch, als sich Herr Nipp aufmachte, die große Stadt in allernächster Nachbarschaft zu erkunden. Aus der Ferne betrachtet, hat diese Ansammlung an meist doch recht…

Leichenreden

Versehn is ooch verspielt! Berliner Redensart »Mensch«, sagt der Berliener, wenn er beim Skat sitzt und der Gegner klaubt ihm gar zu genau auseinander, wie er hätte spielen sollen und wie er nicht hätte spielen sollen, »nu halt dir nich…

Von der Mäßigung

  Gleichsam als ob unsere Berührung etwas Ansteckendes hätte, verderben wir durch unser Behandeln solche Dinge, die an und für sich selbst schön und gut sind. Wir können die Tugend auf eine Art ergreifen, daß sie dadurch fehlerhaft wird; wenn…

Marias

  habe sie nicht gewusst wohin mit ihrer verzweiflung oder das ist zumindest die stimme die übrig blieb/ den mundtod weitergeben an das was aus der gebärmutter raus/ und ihr in eine welt geflutscht in der sie kein stimmrecht gehabt…

Der Faden im Kopf

  Irgendwann, ganz für mich war das, überkam mich der Gedanke, was wenn doch. Was, wenn all die Ideen, die in meiner Inspirations-Box liegen, doch eines Tages verwirklicht werden? Was, wenn ich die Schachtel einmal ganz bewusst öffne und alles…

DIE REISE NACH PHILIPPI

  ich fahre nach philippi, usa, wo eine freundin eine gotische kirche erbauen soll, weil die amerikaner so etwas nicht haben und den kinderkreuzzug nach jerusalem inszenieren wollen. ich wurde beauftragt, die dramaturgen zum satanskult zu beraten, und nahm diesen…

Die Kunst. Ihr Wesen und ihre Gesetze

  Eine Schrift, der ein derartiger Titel vorgedruckt ist, setzt damit ihren Inhalt sofort zwei Deutungen aus. Entweder, sagt man sich, sieht der Verfasser das Problem, das seiner Arbeit als Object dient, bereits für gelöst an und beschränkt sich nun…

Poetische Feldforschung

Dichter werden verstanden, indem sie gelesen werden. Und so gilt es denn, die Schriften zu studieren und zu drehen und zu wenden, bis uns ihre Bedeutung allmählich transparent wird. Holger Benkels utopische und apokalyptische Gedanken – beides scheint zusammenzugehören –…

Minderheitenliteratur in Österreich

  Verweigerung, Anpassung, Identität – was hat das mit der Sprache überhaupt, mit der Sprache einer Minorität zu tun, in welcher Beziehung stehen hier diese Bereiche zueinander? Wer verweigert? Wer paßt sich an? Wer wird zur Anpassung verleitet, verführt oder…

Vorher!

  Bei Albert Langen ist im Jahre 1910 ein Buch erschienen, das bereits hundertmal vorher geschrieben worden ist und noch Hunderte von Malen nachher geschrieben werden wird. Es heißt ›Hinter Schloß und Riegel‹ und schildert mit unerbittlicher Genauigkeit die deutsche…

Himalajafinsternis

  Das ist der Fluch und zugleich die Wollust des Reisens, daß es dir Orte, die dir vorher in der Unendlichkeit und in der Unerreichbarkeit lagen, endlich und erreichbar macht. Diese Endlichkeit und Erreichbarkeit zieht dir aber geistige Grenzen, die…

Courage

  Da stand er also vor dem Spiegel und sah in dieses Gesicht, das ihm immer schon fremd gewesen war. So, als habe irgendwann irgendjemand irgendwie dieses Etwas ihm aufgepflanzt. Warum hast du dieses Gesicht und warum passt es so…

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  Paradiesapfel der Sonne wie schön doch FORM follows FUNCTION radier die Träume aus: Radioaktivität     *** Baumzyklen, Gedichte von Sophie Reyer, KUNO 2023 Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie der Frage nach,…

Sartres heroischer Nihilismus

Vielleicht das Schönste, das Sartre geschrieben hat, ist das Textbuch zu dem Film „Les jeux sont faits“ (1947; als Theaterstück 1958): Dieses sprachlich einfache Werk ist ein Märchenspiel, in dem durchaus fraglich wird, ob Sartre mit der üblichen Kennzeichnung eines…

Ein Arbeiterkinderheim

  Man steigt von Elgersburg eine kleine halbe Stunde hinauf, den Blick ständig über den herrlichen Waldeshöhen, die, Goethes Spazierwege, nach Ilmenau und weiter führen. Dort, mitten im Thüringer Wald, liegen die beiden hübschen Häuser des Kinderheims Mopr. Dort, in…

Schwarz und weiß

  Der See hätte auseinanderbrechen müssen wie damals dem Moses und seinem Volk das Rote Meer, um eines Menschen Gedanken da hindurchführen zu können. Da, in der Mitte, der Länge nach, war nicht einmal Überschwang, nur RISS, das Allerentfernteste,  das…

Erkenntniskritische Vorrede

Da im Wissen sowohl als in der Reflexion kein Ganzes zusammengebracht werden kann, weil jenem das Innre, dieser das Äußere fehlt, so müssen wir uns die Wissenschaft notwendig als Kunst denken, wenn wir von ihr irgend eine Art von Ganzheit…

Die Außenseiterbande

Eine Erinnerung an die „Dirty Speech“-Bewegung in der BRD, die 1969 mit der Rolf Dieter Brinkmanns „Acid“ zu verorten ist. Es war eine Anthologie amerikanischer Beatliteratur, gesammelt und damit den Versuch eröffnend, auch in der deutschen Dichtung die bürgerliche Moral…

Metamorphose

  Shrillness. Travestie wird zum Schlüssel zur Wahrhaftigkeit. Ein manieriertes Spiel mit Masken und Moden. Auflösung eindeutiger Geschlechtsidentität. Die Idee eines Originals ist getilgt, der imitierten Weiblichkeit geht keine genuine Weiblichkeit voraus. Lasziv wirft Michel die Federboa über die Schulter.…

Die Stimme

Blicke auf Stimme Worte für Stimme Musik Trocken gesagt eine Sprache eine Win-Win Sache und darüber rentabel: ein Mal komponiert spielbar mannigfach ohne Materialermüdung dazu universell. Sie ist Freilauf des Gehirns. Auf Hörpromenaden klingende Skulpturen changierend in Form zwirbelnd wellend…

Poesie und Leben

Aus einem Vortrag Sie haben mich kommen lassen, damit ich Ihnen etwas über einen Dichter dieser Zeit erzähle, oder auch über einige Dichter oder über die Dichtung überhaupt. Sie hören gern, wovon ich, muß man denken, gerne reden mag; wir…

Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen

  Jede Äußerung menschlichen Geisteslebens kann als eine Art der Sprache aufgefaßt werden, und diese Auffassung erschließt nach Art einer wahrhaften Methode überall neue Fragestellungen. Man kann von einer Sprache der Musik und der Plastik reden, von einer Sprache der…

DAS MYSTERIUM DER AKUSTIK

  Man hat mich gefragt, ob der Bösendorfersaal erhalten werden solle. Der frager ging wohl von der voraussetzung aus, daß es eine sache der pietät wäre, einen saal, der in der musikgeschichte Wiens eine so große rolle gespielt hat, nicht…

Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat

  Ich bejahe von Herzen den Wahlspruch: „Die beste Regierung ist die, die am wenigsten regiert.“ Gerne würde ich sehen, daß schneller und gründlicher nach ihm gehandelt wird, denn dies würde schließlich zu etwas führen, das ich ebenfalls glaube: ”Die…

Gezeitengespräch 7

Vorbemerkung der Redaktion: In diesem Jahr machen wir das vergriffene Gezeitengespräch von Haimo Hieronymus und Karl Hosse auf KUNO recherchierbar.   Zeitnah (Raum Zeit): Du siehst das Magische, nicht weil es ist, sondern weil du bereit bist, es zu sehen.…

Macht und Wahrnehmung

Überall, wo soziales Leben stattfindet, findet auch Macht statt. Tatsächlich scheint, unabhängig vom Willen zur Macht, der jedem Menschen innewohnt (Nietzsche), Macht notwendig zu sein, um eine soziale Ordnung zu schaffen und anhand dieser Struktur Wohlbefinden sowie psychische Gesundheit. Bateson…

Aller Anfang ist Zeremonie oder Fragment als Haltung

Nach Lage der Dinge gibt es Verschiebungen. Entgegengesetztes trifft sich in Ergänzung. Verwandtes trennt sich vom Plan, Parallel-Laufendes wächst zusammen. Die Täuschung entlarvt, was Fehler benannt haben. Ein Satz kräuselt sich bildhaft schön, ja, ein Wort zur Lage ein paarmal…

Kurze Prosa, lange Nachwirkung

Flüsse sind wie Seelen – so grundverschieden, dass wir für jeden Fluss eine andere Sprache entwickeln müssten. Vladimir Nabokov Mit dem Erscheinen der Vignetten ging das Projekt Labor im Jahr 2009 in ein Label über. Wie alle Rebellen braucht auch…