Kategorie: Allgemein

Masken

leb ich in hemd und mantel wie hinter masken seh ich den körper unter mir nur noch im abgrund wachs ich über die grenze der haut maskiert erst ganz der tod die letzte wiederkehr gibt mir das gesicht zurück ***…

Die Fackel

  Als zum erstenmal das Wort »Friede« ausgesprochen wurde, entstand auf der Börse eine Panik. Sie schrien auf im Schmerz: Wir haben verdient! Lasst uns den Krieg! Wir haben den Krieg verdient.     *** Karl Kraus ist der Großmeister…

Neues ergründen

  Wie groß auch der Reichtum des schon zutage Geförderten ist, so ist der des Unbekannten doch noch unendlich größer und größer, und die Menschen haben unaufhörlich zu lernen, teils um Neues zu ergründen, teils um das Vorhandene sich einzuprägen.…

Herrn Dante Alighieri / Berlin / Reichssicherheitshauptamt

Abt.: Einrichtung von Lagern. Nie werden die Denkmale Ihres reichen Geistes – Auschwitz, Dachau, Buchenwald, Belsen – im Gedächtnis der Nachwelt untergehen! Sollte man diese auch dereinst schliessen, werden doch ihre genialen Anregungen immer wieder anderswo auf empfänglichen Boden fallen und…

Gitarrendämmerung

  Ein Bibliomaner muss keine musikarchäologische Grabungsarbeit verrichten. Es reicht, die Hörgewohnheiten mit hymnischen Lärm zu durchbrechen. Den universalistischen Prinzipien von Klang und Vibration nachlauschen. Der Aktionsradius des Klangs erweitertet sich konzentrisch. Er ist dagegen machtlos.     *** Mikrogramme…

Dichten

  Dichten ist verbale Boulimie nach lexikalischem großem Fressen.     *** Weiterführend → Das erste Fazit von Ulrich Bergmann zur Twitteratur viel eher skeptisch aus. Er stellte KUNO seine Hypochondrische Aphorismen zur Verfügung. Zur weiteren Information ein Essay über die neue…

Flüchtigkeit

    Wenn die Flüchtigkeit der Schönheit traurig stimmt, so muss die Endlosigkeit des Grauens zur Depression führen.   *** Von Herrn Nipp waren auf KUNO zwischen 1989 und 1994 Aperçus, Bonmots, und Sentenzen zu lesen. Eine Vorform der Twitteratur.…

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kein Zwang liest sich am Namen ab die Angst nicht dokumentierbar Schädel Basis Bruch und dann nur noch eine Überlebende sein auf einer letzten Matratze als sei ein Bein nur Laub im Fall raschelt ohne dein Gehen ein Weg der…

Limerick auf Tom de Toys

    Es war mal ein Künstler aus Jülich, der kann was, so dacht’ ich, so fühlt’ ich – doch er kann nur Gezerve produzieren mit Verve und wäscht seine Grütze in Spülich         Seit der Textsammlung:…

Der innere Meridian

  Er dachte, wäre er nur einmal richtig unglücklich, würde alles ganz einfach werden, weil man dann einfach nichts mehr von ihm verlangen könnte.     *** In 2011 beginnen die Aufzeichnungen von Ralph Pordzik, die 2019 in die Publikation…

Das Richtige

  Das Richtige ist kein Maßstab, der genügt.     *** Weiterführend → Das erste Fazit von Ulrich Bergmann zur Twitteratur viel eher skeptisch aus. Er stellte KUNO seine Hypochondrische Aphorismen zur Verfügung. Zur weiteren Information ein Essay über die neue Literaturgattung…

Das ewige Leben

  Das ewige Leben dem, der viel von der Liebe weiß zu sagen. Ein Mensch der Liebe kann nur auferstehen!     *** „Die größte Lyrikerin, die Deutschland je hatte“, sagte Gottfried Benn über Else Lasker-Schüler. Sie bewegte sich wie…

MetaPhon auf vordenker

  MetaPhon hat ein hellhörig-sensibles Ohr für die verborgene Musik der Sprache und für die erzählerische Dimension der Musik. Diese Texthineinhorcher vermögen Echoräume zu öffnen und die verschüttete Relevanz der Sprache zurückzugewinnen.     Weiterführend → Hörproben aus dem weiten…

Zynismus

  Zynismus: Äußerster Mangel an Einseitigkeit.         Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur.

KARUSSELL

  hinsteuernd auf das Ende stellen wir alles auf Anfang       *** Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur.

Bewegung ins Offene

  Vordergründig machen es einem sowohl die Gedichte als auch die lyrische Prosa von Andreas Noga leicht. Leider unterläuft es einem dabei, daß man sie überliest. Glücklicherweise haben Bücher eine gute Eigenschaft, sie laufen nicht weg und warten auf den…

Am Wasser gebaut

  Meine Stadt ist am Wasser gebaut. Sie liegt zwischen zwei Flüssen, die sich treffen. Nach einem langen Weg finden sie hier zu– und ineinander, vermischen ihre Wasser, werden eins. In dieser Stadt zwischen den Flüssen wurde ich geboren. Das…

Heimspiel

Der bildende Künstler Klaus Krumscheid ist geradeheraus, höflich und bescheiden, macht nicht viele Worte und hat einen feinen Sinn für Humor. Als starker Idealist hat er den Glauben an seine Kunst und besitzt den Mut, auszuharren trotz des Widerstands der…

WAT

  Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung…

Gedankenstrich

  Sich die Frage stellen, worüber man noch nicht nachgedacht hat.     *** Eine Vorschau auf das Projekt: Gedankenstriche von Joanna Lisiak Weiterführend → Lesen Sie auch das Porträt der Autorin und das Kollegengespräch zwischen Sebastian Schmidt und Joanna…

Neue Ideen

    Neue Ideen sind nur durch ihre Ungewohnheit schwerverständlich.     *** Franz Marc formulierte bereits vor 100 Jahren eine Vorform der Twitteratur. Es sind faszinierende Aphorismen über Kunst. Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur, sowie ein Recap des…

Weltende

  Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut, In allen Lüften hallt es wie Geschrei. Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.   Der Sturm ist da, die wilden…

Als

  Als Frauen Zimmer die blauen Strümpfe abgestreift / legt sie sich ihm unter / er gibt den Fersen Geld / als sie Mary Wollstonecraft zitiert     *** Mit seiner micropoetry gelingt es Denis Ullrich eine übernutzte Sprache zu entkernen.…

MetaPhon, eine Textonologie

Metaphon ist ein phonetischer Algorithmus zur Indizierung von Wörtern und Phrasen nach ihrem Klang Das Inwendig-Lesen trifft nicht nur in der Reihe MetaPhon auf das Auswendig-Sagen. Möglicherweise liegen alle Worte schon in der Luft, seit Menschengedenken, und wenn die Zeit…

Es galt aus den Scherben Neues zu bauen

  Man kann auch mit Müllabfällen schreien, und das tat ich, indem ich sie zusammenleimte und -nagelte. Ich nannte es Merz, es war aber mein Gebet über den siegreichen Ausgang des Krieges, denn noch einmal hatte der Frieden wieder gesiegt.…

Papier als Spannungsfeld polarer Gegensätze

Der Buchkünstler Haimo Hieronymus betätigt sich künstlerisch vielfältig in der Malerei wie der Zeichnung, er erstellt Objekte, Holzschnitte, Radierungen, Collagen und publiziert Künstlerbücher. Die bekannten Formen und Motive unterlegt er poetisch, schafft Verbindungen zwischen Wort und Zeichen, mit einem skeptischen…

Blumendekoratismus

  Alle Jahre wieder bricht sich die Angst Bahn, niemals wieder malen zu können, als habe der Faden, der zwischen Bild und Maler alles zusammenhält eine unsichtbare Stelle bekommen. Ein Riss in der Wahrnehmung der Welt. Ein abgeschnittenes Ende, da…

Brief eines Dichters an einen anderen

  Mein teurer Freund! Jüngsthin, als ich dich bei der Lektüre meiner Gedichte fand, verbreitetest du dich, mit außerordentlicher Beredsamkeit, über die Form, und unter beifälligen Rückblicken über die Schule, nach der ich mich, wie du vorauszusetzen beliebst, gebildet habe;…

Die Dreifalzgikeit der Nonkonformistischen Literatur

Victor Otto Stomps, 72. Der Knittel-Poet, Fabel-Dichter und Verleger ohne Mehrwert (so sein Autor Horst Bingel), als VauO unter Deutschlands Literaten längst legendär, hat fast ein halbes Jahrhundert lang in seinen Kleinverlagen (Rabenpresse, Eremiten-Presse, Neue Rabenpresse) junge Talente, von Günter…

ACHTUNG STUFEN!

  Arbeit an einer guten Prosa hat drei Stufen: eine musikalische, auf der sie komponiert, eine architektonische, auf der sie gebaut, endlich eine textile, auf der sie gewoben wird.   ***

In eigener Sache

Der eine sucht dies, der andere das, jeder nach seinem Bedarf. Michel de Montaigne Zeitläufte nehmen überraschende Wendungen, zu oft falsche Abbiegungen. Bisher wurde die Geschichte von den Siegern geschrieben. Nun ist unabhängiger Jornalismus und freie Kunst möglich um den…

Dä Stadtstrünzer, eine rheinische Legende

  Der rheinische Dialekt ist voller seltsamer Worte mit einer putzigen Punktierung. Das Leben der Rheinländer beginnt oft als Strünzer Pänz, womit die jungen Menschen bereits im Vorschulalter die punktierten Buchstaben kennenlernen. Wenn die Kinder eingeschult werden vollzieht sich der…

schleife

  worte, letzte worte fallen dir als echo in den rücken dir zu leibe, die worte, letzte worte fallen dir als echo in den rücken dir zu leibe, die worte, letzte worte fallen dir als echo in den rücken dir…

Sprache

  Das Menschlichste, was wir haben, ist doch die Sprache.           Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur. → Lesenwert auch der Der Essay Unsere lyrische und epische Poesie seit 1848  

Die Kiste (Zeit)

  Natürlich verfliegt die Zeit, das weiß jeder Mensch. Früher verflog sie einfach so, die Sonne ging irgendwann auf und wieder unter, dazwischen lag der Tag, und in dieser Zeit konnte das Leben passieren. Wenn es dunkel war, wurde geschlafen…

Streichelzoo

  Pech: Er dichtet für die Ewigkeit. Nur hat sie für ihn keine Zeit.   Leiden: Der Dichter leidet an der Welt, bis er Preis um Preis erhält.   Zum Weglaufen: Zwanzig Dichter auf einem Haufen.   Kollegialer Gruß: Danke,…

Straßenkinder

  Ich hätte von Straßenkindern mehr gelernt als in der Schule und im Elternhaus. Die Mängel des breiten Bildungsbürgertums haben einen größeren Schaden in der Geschichte nicht nur des deutschen Volkes angerichtet, als man annimmt. Zu positiv wird selbst der…

Mutmassungen über Heiner

  Heiner ist weg. Als er die Kommerzgirlanden der Innenstädte hinter sich lässt, erblickt er einen Himmel, in dessen Schwärze hier und da die Positionslampen eines Flugzeugs, weiter oben die rotierenden Satelliten ihre Leuchtspur einzeichnen. Darüber stehen unverrückt die Sterne.…

Kugelförmig

  Die aufgedonnerte Weihnachtskugel war sehr korpulent gebaut. Sie schwor aufgedunsen bei den silbernen Talern der Götter, dass sie bis Heiligabend weder pellte noch platzte.     Eine Vorschau auf: Gedankenstriche von Joanna Lisiak Weiterführend → „Gedankenstriche ist eine mischung…

Ein Weihnachtsengel

Mit den Tannenbäumen begann es. Eines Morgens, als wir zur Schule gingen, hafteten an den Straßenecken die grünen Siegel, die die Stadt wie ein großes Weihnachtspaket an hundert Ecken und Kanten zu sichern schienen. Dann barst sie eines schönen Tages…

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  der kahlrasierte schädel auf/ geknackt wie wassermelone on the road       *** binnen, Gedichte von Sophie Reyer, Leykam Verlag, 2010. Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie der…

Die Kiste (Wein)

  Während von draußen der Sturm an die Fenster knallt, jene, die Herr Nipp auf Kippe hat, übel klappern lässt, und an den Türen rüttelt, erscheint es ihm ganz gemütlich auf seiner bloßen Matratze, die er sich vom Bettgestell heruntergezogen…

Jazz ist nicht tot

Jazz ist nicht tot, er riecht nur angestaubt. Frank Zappa     Bestand die Modernität des Aphorismus bisher in der Operativität, so entspricht diese literarische Form im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit der Denkgenauigkeit der Spätmoderne. Es ist Twitteratur. Weiterführend → ein…

Notizen zu Friederike Mayröckers Werk nach 2000

ihre dichtung hat eine meinen hals ausrenkende höhe erreicht, die so sehr weiter zu steigern ihre absicht ist, daß sie das alter von 150 zu erreichen proklamiert hat. Ernst Jandl 1 Zurück vom rundweg ›himmlischen‹ Gang durch weißen, schweigenden Wald…

Das bucklichte Männlein

  Solange ich klein war, sah ich beim Spazierengehen gern durch jene waagerechten Gatter, die auch dann erlaubten, vor einem Schaufenster sich aufzustellen, wenn gerade unter ihm ein Schacht sich auftat, welcher dazu diente, mit etwas Licht und Luft die…

Urschleim

  Schwerelos im Wasser treiben / Spuren = die nirgendwo hinführen… ausser in die Tiefenschichten menschlicher Abgründigkeit.       *** Mikrogramme von A.J. Weigoni, KUNO 2006 – 2011 Diese Bruchstücke aus der Realität sind verwandt mit den Miszellen (von…

Suchtiefe

für Raymond Roussel   Lauter währt, wenn dich Stil verfehlt, Leere.   Laut, er wehrt: wendig, still verfällt Lehre.       Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt…

Das Büffelherz hat aufgehört zu schlagen

If anyone in the world of rock music really deserves to be labeled as a genius, I think that he could be it. John Peel Erstmals hört ich Captain Beefheart in der Rolle des Willie the Pimp, ein Lied aus…

Wehe

  Wehe wenn der Wind über Felder tost sein Kriegsgeschrei ertönt zur Schlacht ruft von Ferne her Wellen um Wellen schlägt und nahend bricht an aufgebrochenen Furchen stolpert taumelt fallend türmt der Schnee sich auf zu Palisaden die Wehen sich…

BAUSTELLE

  Pedantisch über Herstellung von Gegenständen – Anschauungsmitteln, Spielzeug oder Büchern – die sich für Kinder eignen sollen, zu grübeln, ist töricht. Seit der Aufklärung ist das eine der muffigsten Spekulationen der Pädagogen. Ihre Vergaffung in Psychologie hindert sie zu…

things change

  b (da bleib ich kühl) mein haus steht unter dem eisenbahn-viadukt. kurz vor sechs uhr abends fährt der cisalpino darüber hinweg. und ich darin. im haus habe ich alles so gelassen, die ordnung und die unordnung. heute morgen war…

Leben in Möglichkeitsfloskeln XXII

Ist es nicht merkwürdig: Erst wenn man keine Chance mehr hat, tut man, was man schon immer wollte.   Weiterfühend → Lesen Sie auch den Nachruf über Peter Meilchens Lebenswerk und den Essay 50 Jahre Krumscheid / Meilchen über die Retrospektive im Kunstverein…

Glück

  Es war nicht leicht, aber der kleine Boris bemühte sich. Nach einer zweistündigen Aktion fand der kleine Boris, was er gesucht hatte: Ein ansehnliches, vierblättriges Kleeblatt. Der kleine Boris freute sich darüber sehr und machte demzufolge kleine Luftsprünge. Und…

Aphorismen und Fragmente

    Es sind in Deutschland die Theologen, die dem lieben Gott ein Ende machen –  verraten wird man nur von seinen Freunden.     Heinrich Heine gilt als als Überwinder der Romantik. Er machte die Alltagssprache lyrikfähig, erhob das…

Laik Wörtschel – ein Künstler der Stille

  Bereits im Jahr 1999 wird er das erste Mal voller Erstaunen in einem Artikel des Feuilletons der Süddeutschen Zeitung benannt, in welchem über die Kunst des zukünftigen Jahrtausends breit spekuliert wurde. „Eine radikal zurückgezogene Position des Versteckens in der…

Malerei und Photographie

Peter Meilchen und Walter Benjamin sind sich nie begegnet. KUNO erinnert mit einer Denkfigur an den einen ohne den anderen nicht zu vergessen. Wenn man an Sonn- und Feiertagen bei erträglichem Wetter in den Pariser Stadtvierteln Montparnasse oder Montmartre spazieren…

Ein alter Tibetteppich

    Deine Seele, die die meine liebet Ist verwirkt mit ihr im Teppichtibet   Strahl in Strahl, verliebte Farben, Sterne, die sich himmellang umwarben.   Unsere Füsse ruhen auf der Kostbarkeit Maschentausendabertausendweit.   Süsser Lamasohn auf Moschuspflanzentron Wie lange…

Angelika Janz und das Barackenleben

Wir müssen uns gegenseitig unsere Geschichten erzählen. Um Texte wie die von Angelika Janz – ich meine nicht die Lyrik, die ich sehr schätze, sondern ihre halb essayistische oder essayistische Prosa in Texten wie Barackenleben, Die Implodierten oder In Scheindemokratien…

Was schenke ich einem Snob?

  Einen Snob beschenken heißt, sich auf eine Pokerpartie einlassen. Die Seele des Snobismus ist nämlich der Bluff. Bluff aus Frechheit oder aus Angst, das kann man hier so wenig wie im Poker unterscheiden. Jedenfalls könnte man gar keinen größeren…

König Bohusch

  Als der große Mime Norinski um drei Uhr nachmittags in das National-Café, welches vor dem Prager tschechischen Theater liegt, eintrat, erschrak er ein wenig, lächelte aber gleich darauf sein verächtlichstes Lächeln: in dem Spiegel, schräg gegenüber der Tür, hatte…

Die Kiste XII

  Neben sich auf dem Tisch steht eine Flasche Cola. Alte Marke, die in den siebziger Jahren revolutionäre Werbung machte. Afri – Cola. Nein, sie schmeckt nicht so glatt wie das andere braune Gebräu (das ist nicht politisch gemeint), das…

fragiles fragment

sentenz vom gedicht im deutschen sprachraum nach 2000 The poem is a machine made out of words William Carlos Williams Mais Degas, ce n’est pas avec des idées qu’on fait des vers, c’est avec des motsStéphane Mallarmé No verse is…

Schränke

  Der erste Schrank, der aufging, wann ich wollte, war die Kommode. Ich hatte nur am Knopf zu ziehen, so schnappte die Tür aus ihrem Schlosse mir entgegen. Drinnen lag meine Wäsche aufbewahrt. Unter all meinen Hemden, Hosen, Leibchen, die…

Kindheitsmuster

  Das Kind, das in mir verkrochen war – ist es hervorgekommen? Oder hat es sich, aufgescheucht, ein tieferes, unzugänglicheres Versteck gesucht? Hat das Gedächtnis seine Schuldigkeit getan? Oder hat es sich dazu hergegeben durch Irreführung zu beweisen, dass es…

HÄUTE

lieg ich nackt auf den narben der erde wärmt mich  die leichendecke des himmels werf ich ab die haut  das pergament die deckung meines geistes hebt sich  der leib mit einem schwachen zittern der beine vergieß ich mein blut um…

Ein Außenseiter macht sich bemerkbar

  Uralt, vielleicht so alt wie das Schrifttum selber, ist in ihm der Typus des Mißvergnügten. Thersites, der homerische Lästerer, der erste, zweite, dritte Verschworene der Shakespeareschen Königsdramen, der Nörgler aus dem einzigen großen Drama des Weltkrieges, sind wechselnde Inkarnationen…

Brille

  Anstatt seine Argumente anzuhören, seine Brille anziehen und die Welt aus seiner Sicht betrachten.     *** Ein Ausblick auf: Blempek ist ein Trick, der sich bewährt, von Joanna Lisiak Weiterführend → Holger Benkel denkt in einem Rezensionsessay anhand…

Zuhausesein

  Ich habe die von Peter Ettl engagiert betreute Reihe schnell schätzen gelernt. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, habe ich diese sympathisch gestalteten Broschüren als Lyrikbände erlebt, die einen guten Einblick in die deutschsprachige Lyrikproduktion nach 2000 abseits der im Fokus…

Ästhetische Wiederverwertung

  Als Seismograph zunächst kaum wahrnehmbare Verschiebungen wahrnehmen. Die Sinnkrise mündet in eine Untergangsstimmung. Ein Sturzbach reißt alle Planken des Bewusstseins mit… Denken bedeutet, die Welt ins wahre Unvergängliche zu heben. Poesie ist kein Grabmal für eine untergegangene Welt, sie…

„Wo warst Du letzte Nacht?“

  „Das ist so lange her, ich erinnere mich nicht.“ „Sehen wir uns heute Nacht?“ „Ich plane nie so weit im voraus.“       *** Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur. Am 26. November 1942 feierte Casablanca in…

Das Karussell

Das Brett mit den dienstbaren Tieren rollte dicht überm Boden. Es hatte die Höhe, in der man am besten zu fliegen träumt. Musik setzte ein, und ruckweis rollte das Kind von seiner Mutter fort. Erst hatte es Angst, die Mutter…

Die Kiste XI

  Eine unglaubliche Müdigkeit hatte ihn seit Tagen erfasst, sogar rund um die Augen konnte man sehen, dass etwas los war mit ihm. Aber woran konnte es nur liegen? Vielleicht daran, dass kaum noch einmal Zeit war, um Ruhe zu…

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wenn bloss die Nacht nicht und die Sterne vorm Blick zittern glücklich wer keine Augen mehr hat *** Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie der Frage nach, wie das Schreiben durch das…

Die Wiederkehr des Flaneurs

  Wenn man alle Städteschilderungen, die es gibt, nach dem Geburtsorte der Verfasser in zwei Gruppen teilen wollte, dann würde sich bestimmt herausstellen, daß die von Einheimischen verfaßten sehr in der Minderzahl sind. Der oberflächliche Anlaß, das Exotische, Pittoreske wirkt…

Altar

    Mit demselben Gefühle, mit welchem du bei dem Abendmahle das Brot nimmst aus der Hand des Priesters, mit demselben Gefühle, sage ich, erwürgt der Mexikaner seinen Bruder vor dem Altare seines Götzen.   *** Heinrich von Kleist stand…

Pflanzen 3. (Fagus purpurea)

  Rot raschelts im Moerser Park: rot, tiefrot — dies ist die blutige Buche: die BlutundBodenbuche, die Steguweit grüßte bei Brühl: auf fettem Heimatgrund, der ihm gütiger schien als der von Flandern. Im flirren Blattwerk lischelt ein Wind, der auch…

In diese Richtung

  In diese Richtung die Gebärde mit der nächsten Flut. Wenn da drüben wirklich America liegt, ist es zwecklos, wieder im ADVANCED nachzuschlagen (und wieder die Tautologie). Vom letzten Haus bis zur Fahrer sind es keine hundert Schritte, die Fähre…

things change

  l  (im keller leben) claus aus st.pauli lädt mich dann zu sich ein. so lerne ich die hafenstraße kennen. aus wenigen wochen sind zuletzt sechs jahre geworden. claus lebt im sechserblock. eine selbstgebaute brücke überspannt den lichthof. im keller…

the bird

Wherever the bird with no feet flew, she found trees with no limbs,   *** Audre Geraldine Lorde (* 18. Februar 1934 in Harlem, New York City; † 17. November 1992 in Christiansted, Saint Croix, Amerikanische Jungferninseln) war eine US-amerikanische…

SPIELWAREN

  MODELLIERBILDERBOGEN. Buden haben wie große schwankende Kähne zu beiden Seiten die steinerne Mole angelaufen, auf der die Leute sich schieben. Es gibt Segler, die Masten aufragen lassen, an denen die Wimpel herunterhängen, Dampfer, aus deren Schornsteinen Rauch steigt, Lastkähne,…

Biermanns Dialektik

  Wolf Biermann sagt das Wahre immer so entsetzlich schief, dass es dadurch wieder falsch wird, Biermanns Dialektik ist schizophrene ungehobelte Scholastik.     *** Weiterführend → Das erste Fazit von Ulrich Bergmann zur Twitteratur viel eher skeptisch aus. Er stellte…

Bemerkungen über uns närrische Menschen

  An ungebildeten Leuten ärgert einen Eigennutz nicht.       *** Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur. Lesen Sie sowohl den Essay über Jean Paul auf KUNO, als auch feinstes Rezensionsfeuilleton von Wolfgang Schlott.

The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman

In diesem Sinne mach ich aufmerksam auf einen Mann, der die große Epoche reinerer Menschenkenntnis, edler Duldung, zarter Liebe in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zuerst angeregt und verbreitet hat. An diesen Mann, dem ich so viel verdanke, werd…

ANTIQUITÄTEN

  MEDAILLON. An allem, was mit Grund schön genannt wird, wirkt paradox, daß es erscheint. GEBETMÜHLE. Lebendig nährt den Willen nur das vorgestellte Bild. Am bloßen Wort dagegen kann er sich zu höchst entzünden, um dann brandig fortzuschwelen. Kein heiler…

Das Unwandelbare

  »Unaufhaltsam enteilet die Zeit.« – Sie sucht das Beständge. Sei getreu, und du legst ewige Fesseln ihr an.     *** Der Homo ludens ist ein Erklärungsmodell, wonach der Mensch seine kulturellen Fähigkeiten vor allem über das Spiel entwickelt: Der…

Die Untoten sind – lebendig!

Der Begriff Zombie leitet sich von dem Wort nzùmbe aus der in Nord-Angola beheimateten Bantusprache Kimbundu ab. Er bezeichnete dort ursprünglich einen Totengeist, eine Bedeutung, die das im Kreolischen gebräuchliche Wort zonbi (gesprochen zombi) in Haiti noch besitzt. Zombies, der…

Rückblende

  Die Sperrstunde naht. Kein Pardon. Hier ist man strenger als anderswo. Peter Nitsche, Inhaber der G–Bierbar, stellt noch einen Absacker auf den Tresen. Die verbliebenen Gäste kippen den Korn, stellen die Gläser mit einem Ruck auf der Theke ab,…

Der Himmel

  Der Himmel in schweren grauen Bahnen tapeziert, Heimkehrer in seiner eigenen Dämmerung, darunter Häuser wie verwaschene Skulpturen im Nebel. Der Tag schließt sich schweigend einer geheimnisvollen Mehrheit an. Die Ideen dämmern in den Schädel hinein. Man ist im Sitzen…

Übersetzungen

  Wer übersetzt, arbeitet in zwei Sprachen. Sein Material vielmehr: sein Organ – ist neben seiner Muttersprache nicht sowohl der fremde Text als vielmehr dessen Sprache. Aus beiden Sprachen baut er etwas auf und kann gemeinhin schon von Glück sagen,…