Kategorie: Allgemein

Der legendäre erste Satz

  Über dem Atlantik befand sich ein barometrisches Minimum; es wanderte ostwärts, einem über Rußlandlagernden Maximum zu, und verriet noch nicht die Neigung, diesem nördlich auszuweichen. DieIsothermen und kodieren taten ihre Schuldigkeit. Die Lufttemperatur stand in einem ordnungsgemäßen Verhältnis zur…

Hinterland

  »Natur ist, wo du ohne dich allein bist« – in dieser Definition steckt nicht nur Polgars ganze Sprachkunst; sie ist der archimedische Punkt, von wo aus er die Welt sieht. »Der archimedische Punkt, von wo aus er die Welt…

gut menschlich

augustsonne versucht haut kontakte locken unter dünne stoffe auf gebleichten morallisten sammeln wieder ihre apostel pluspunkte für gutmenschen büßer reiben ihre glatten blassen gesichter an öffentlichen klagemauern stehen sie nicken und geifern anstand macht ihren wahnsinn zum stolz nicht einmal…

Duett

  Opulenz und Heiterkeit haben in der Rockgeschichte selten jene Lobbyarbeit erfahren, die Askese und Finsternis für sich verbuchen konnten. Doc Hecl beendet seine Karriere, als die Gesellschaft, der er ästhetisch verpflichtet ist, zu Ende geht. Er findet den Mut…

Kunstwerke

  Alle Kunstwerke, und Kunst insgesamt, sind Rätsel; das hat von altersher die Theorie der Kunst irritiert. Daß Kunstwerke etwas sagen und mit dem gleichen Atemzug es verbergen, nennt den Rätselcharakter unterm Aspekt der Sprache. Theodor W. Adorno   ***…

Mitten im Schlaf

  Mitten im Schlaf fährt man auf, im Traum ist man um Jahre zurückgefallen. Die Betonmischer auf der Baustelle schweigen und tropfen, im Park fallen die Kinder von ihren Spielgeräten. Das Leben ist nur noch eine Frage von Überstunden.  …

Hemmungslose Hemmung

  Während unten die mehr oder minder begabten – meist eher minder – Musiker proben und vor allem die unglaublich versehentlich schiefen, nicht zu verwechseln mit gewollt schiefen der Könner, Töne sich den Weg durch meterdicke Mauern bahnen, die unrhythmischen…

Krisis des Romans

  Das Dasein ist im Sinne der Epik ein Meer. Es gibt nichts Epischeres als das Meer. Man kann sich natürlich zum Meer sehr verschieden verhalten. Zum Beispiel an den Strand legen, der Brandung zuhören und die Muscheln, die sie…

Frei

  Ich war mein Leben lang ‚freier‘ (das heisst auch: schlecht bezahlter) Schriftsteller, ‚freier‘ (das heisst: parteiloser) Bürger, ‚freier‘ Denker (das heisst auch: nie Freidenker): ein Mensch also, der immer so frei war, sich ohne Gewissensbisse zu widersprechen, von keiner…

Elberfeld im Wuppertal

Vorbemerkung der Redaktion. Am 01.08.1929 ist die Stadtgründung von Wuppertal im Rahmen des Gesetzes über die kommunale Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebiets erfolgt. Zu dieser Zeit wohnte die Elfenfelderin Else Lasker-Schüler bereits in Berlin.   Wir wohnten am Fuße des Hügels. Steilauf…

Raoul Richter

  Zu Ende Juli abends gewahrte ich in der Andrianschen Villa, die sonst verschlossen war, ein offenes Fenster und sah einen jungen Mann sitzen, der, sich selber am Klavier begleitend, ohne Noten leidenschaftlich in die Dämmerung hineinsang. Ich erkannte ihn…

Dentist

  Mittlerweile gibt es beim Zahnarzt gut gepolsterte Stühle, Hintergrund- oder Kopfhörermusik als Versuch gegen den unsäglichen Lärm in deinem Kopf. Es gibt auch eine Hand, die den Phobiepatienten hält, doch was noch fehlt in dieser modernisierten Professionalität, ist eine…

Briefe aus Paris

    Seit ich fühle, habe ich Goethe gehaßt, seit ich denke, weiß ich warum.     *** Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur.  

HALTEPLATZ FÜR NICHT MEHR ALS 3 DROSCHKEN

  Ich stand an einer Stelle zehn Minuten und wartete auf einen Omnibus. „L’Intran … Paris-Soir … La Liberté“ rief hinter mir ununterbrochen mit unverändertem Tonfall eine Zeitungsfrau. „L’Intran … Paris-Soir … La Liberté“ –– eine Zuchthauszelle von dreieckigem Grundriß.…

Narzisstische Fallen

  Das Sonett hat zerebrale Gefahren, öffnet narzisstische Fallen, ist also eine Art didaktisches Extremum.     *** Weiterführend → Das erste Fazit von Ulrich Bergmann zur Twitteratur viel eher skeptisch aus. Er stellte KUNO seine Hypochondrische Aphorismen zur Verfügung. Zur weiteren…

Klaustrophobie

  Schwarzer Rauch. Die Leiche des Wirtschaftsbosses liegt auf der Strasse. Eine Störung unterbricht den gewohnten Ablauf. Ein Hinweisschild verschafft dem Erklärungsnotstand eine Atempause… schon läuft der Kontext: Die empörte Politikerin lehnt sich weit aus dem Fernseher. Ist sich ihrer…

Häcksel und die Bergwerkflöhe

  Häcksel war der Sohn des Finsterer, und der war Bergmann im Annaschacht gewesen. Und Finsterer war der Sohn des Labemann, und der war Bergmann im Annaschacht gewesen. Und Labemann war der Sohn des Flegels, und Flegel war Bergmann im…

Die Kiste VII

  Wieder und wieder hatte er die letzten Tage versucht, blind einen Zettel herauszufischen, immer wieder waren ihm die kleinen Textschnipsel entwischt, als wären sie kleine Fische im Aquarium, die nicht gefangen werden wollen. Aufzuchtstation. Herr Nipp hatte schon seit…

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wenn ein Mund dich ansieht bitteres Land Krieg Ukraine und nicht weit von hier wo ist noch wohnen *** Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie der Frage nach, wie das Schreiben durch…

Oskar Maria Graf als Erzähler

  Vor zwei Jahren hat Oskar Maria Graf seine schönen Kalenderge­schichten erscheinen lassen. »Geschichten vom Land« hieß der eine, »Geschichten aus der Stadt« der andere Band, und man hat zu dieser Einteilung richtig bemerkt, daß sie seinen eigenen Werdenszwiespalt dokumentiert, »den…

Moral

  Es gibt nichts Gutes ausser: Man tut es.           Hans Fallada gelang es, das alte deutsche Sinngedicht wiederzubeleben und zumindest einige vollendete Epigramme zu schaffen, wie etwa dieses. Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung…

Die Geschichte

  Die Geschichte rechtfertigt, was immer man will. Sie lehrt schlechterdings nichts, denn es gibt nichts, was sich mit ihr nicht beweisen ließe. Paul Valéry       Zu Lebzeiten galt Paul Valéry als größter französischer Lyriker seiner Zeit. Sein…

Mitteilung

  Eine Locke eröffnete eine schmucke Boutique. Mode für alle. Mode für sie und für ihn. Zur Einweihung lockte ein Ausverkauf. Ein Meer geblümter Muster, der Meter Stoff für neunzig Cents. Die Weiber angelockt den Köder schluckten flink. Der Wissenschaftler…

Erinnerung an Christa Päffgen

  Die Hölle sieht aus wie eine zerstörte Stadt. Und sie ist wunderschön anzusehen. Nico   Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur, sowie ein Recap des Hungertuchpreises.

Die Schwere des Leids ist kein verlässlicher Maßstab

  Es gibt keinen bedeutenden Dichter, der nicht sehr genau das Leben betrachtet und gefühlt hätte. Die Schwere des Leids ist kein verlässlicher Maßstab. Wissen vom Leben haben setzt Anteilnahme auch am Schicksal anderer voraus.     *** Weiterführend →…

Ein Buch für die, die Romane satt haben

  Vor kurzem erschien ein Buch »Men without women«. Es ist eine Novellen­sammlung. Hier aber soll von einer Sammlung von Essays die Rede sein, die es sämtlich mit wirklichen Menschen zu tun haben: Mystikern, Ärzten, Seefahrern, Dichtern; Deutschen, Schweizern, Engländern,…

things change

  ch (dank den tischen) ich habe die bauchtänzerin noch vor augen, als ich am nächsten kapitel schreibe. hier kommt ein sekretär vor, einer, wie sie auf dachböden von bürgerlichen häusern unter staubschichten begraben vergessen gehen. ich öffne das geheimfach,…

Schönes Entsetzen

  Der vierzehnte Juli. Von Sacré-Cœur aus übergießen bengalische Feuer Montmartre. Der Horizont hinter der Seine glüht. Feuergarben fahren auf und erlöschen über der Ebene. Zehntausende stehen am steilen Abhang gedrängt und folgen dem Schauspiel. Und diese Menge kräuselt unaufhörlich…

Fuppes

  „Es gibt Leute, die denken, Fussball sei eine Frage von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich kann Ihnen versichern, dass es noch sehr viel ernster ist“ Bill Shankly       Weiterführend → ein Essay über die…

Vor dem Gesetz

    Man sollte nicht den Respekt vor dem Gesetz pflegen, sondern vor der Gerechtigkeit.       *** Henry David Thoreau gilt als Schriftsteller auch in formaler Hinsicht als eine der markantesten Gestalten der klassischen amerikanischen Literatur. Eine Einführung…

Eine Chronik der deutschen Arbeitslosen

  Den Versuchen der Schriftsteller, über das Dasein und die Lebensbedingungen der Proletarier zu berichten, haben Vorurteile im Wege gestanden, die nicht an einem Tage zu überwinden gewesen sind. Eines der nachhaltigsten sah im Proletarier den »einfachen Mann aus dem…

Lesen ist gefährlich

  Lesen ist gefährlich, viel gefährlicher als Schreiben. Deshalb wird je länger desto mehr geschrieben und immer weniger gelesen. Hermann Burger           Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur.

blindgänger

  schwarz umnebelt schleich ich blindfürchte stündliches versagenalle fragen laute klagenscheugeschlagnes menschenkind dessen augen gläsern schießenbettelt böse bittermandelnzwingt mich – öde – zum verhandelnschleimhaut launisch bellt – verdrießen faust zuckt herrisch in der taschekind + ich verdrücken unskalte wälder splitterflasche…

CERN

An der Schnittstelle die Unschärfe Vibration der Polarität Vakuumfluktuation Schwarze. Energie- löcher im NICHTS und ein bisschen mehr gebrochene Symmetrie der Schritte zwischen Geist und Ding Gedanken sind Ruinen des Denkens sagten meine Dialog-Attrappen sind vernetzte Energien fehlprogrammierter Anfänge ***…

Ehrbarkeit

    Ehrbarkeit ist aller Laster Anfang.         Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur.

Halbwissen

  Das Halbwissen ist siegreicher, als das Ganzwissen: es kennt die Dinge einfacher, als sie sind, und macht daher seine Meinung fasslicher und überzeugender.     *** Friedrich Nietzsche ist ein Meister des Cynismus. Oft leisten seine Texte viel mehr:…

Blinde Stellen

  Unter’m Brennglas der Geschichte einen schmerzenden Verlust annehmen. Zurückdrängung des Individuums… Menschlichkeit in eine Schublade verräumen. Als das Gestalt gewordene Ideal der Romantik flackert dem Leben als absoluter Wert.     *** Mikrogramme von A.J. Weigoni, KUNO 2006 –…

Wasser mit Geschmack

  Nach dem Sport braucht der Mensch beizeiten eine Entspannung. Völlige geistige Ruhe. Der Körper soll aufgetankt werden mit neuer Energie, geschützt vor den Fährnissen der Umwelt. Was kann einem bei den winterlichen Temperaturen nicht alles passieren. Da rutscht versehentlich…

Kleine Fabel

  »Ach«, sagte die Maus, »die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese…

Max Brod, Franz Kafka. Eine Biographie

  Das Buch ist durch den fundamentalen Widerspruch gekennzeichnet, der zwischen der These des Verfassers einerseits, seiner Haltung andererseits obwaltet. Dabei ist die letztere danach angetan, die erstere einigermaßen zu diskreditieren, zu schweigen von den Bedenken, die sich gegen diese…

Die 2842 m lange Strecke

  Schuhmacher und Schwarz treffen sich in der Mitte der Strecke. Sie misst 2842 Meter. Dass sie sich mittig treffen, meint, dass Schuhmacher und Schwarz die gleiche Strecke abgelegt haben. Schuhmacher pfeift ein Liedchen und ist frohgemut, Schwarz ist genervt.…

Wetterlage

  Ein südlicher Wind lernte zu tanzen im Norden. Den Elchen gefiel’s.     *** Ein Ausblick auf die Reihe: Blempek ist ein Trick, der sich bewährt, von Joanna Lisiak Weiterführend → Holger Benkel denkt in einem Rezensionsessay anhand des…

Wie?

  Die Menschheit verdummt zugunsten des maschinellen Fortschrittes, und wir sollten uns diesen nicht einmal zunutze machen? Sollten mit der Dummheit Zwiesprache halten, wenn wir ihr in einem Automobil entfliehen können.     *** Karl Kraus ist der Godfather des…

Aura

  Erstens erscheint die echte Aura an allen Dingen. Nicht nur an bestimmten, wie die Leute sich einbilden. Zweitens ändert sich die Aura durchaus und von Grund auf mit jeder Bewegung, die das Ding macht, dessen Aura sie ist. Drittens…

Sinnfluenzer

  Das Vollkommene, das schlechthin Makellose, das Betörende und im wahrsten Sinne Poetische kann schlichterdings nicht verbessert werden.       *** Mikrogramme von A.J. Weigoni, KUNO 2006 – 2011 Diese Bruchstücke aus der Realität sind verwandt mit den Miszellen…

Eine Erinnerung an Adam Zielinski

  Wo soll ich anfangen mit meinem Erzählen? „Die sieben Leben des Adam Zielinski“ hieß eine einstündige Radiosendung im ORF auf Ö1, die ich im Auto hörte, als ich durch meine Mühlviertler Heimatlandschaft fuhr. Ein solcher Titel verweist schon auf…

OPTIKER

  Im Sommer fallen die dicken Leute auf, im Winter die dünnen. Im Frühling gewahrt man bei hellem Sonnenwetter das junge Laub, im kalten Regen die noch unbelaubten Äste. Wie ein gastlicher Abend verlaufen ist, das sieht an der Stellung…

Die Kiste VI

  Aus voller Brust und mit Inbrunst, wenn dieses Wort überhaupt noch Teil des aktiven deutschen Wortschatzes sein sollte, hatte er geniest. Nichts. Keine Antwort, obwohl um ihn herum einige Bekannte stehen. Früher galt es als höflich, dem anderen “Gesundheit”…

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in diese neue Stadt in der nichts stumm ist jedes Licht sich durchdringt jedes Geräusch kein Tier mehr nur wir *** Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie der Frage nach, wie das…

Nach den Korrekturen

Elegie vor den endlichen Ferien   Wohlan, es ist vollbracht! Vorbei die schöne Zeit. Dass sie so schnell verging, erscheint mir wie Betrug: Die vielen Jahre waren ja nur ein Funkenflug. Kollegen meinen neidisch: Sei froh, du bist befreit!  …

Eigenwillige Verzweigung

  Die seit 1988 in Deutschland lebende iranische Künstlerin und Schriftstellerin wählt in ihrem Gedichtband, der auf dem Cover neun farbige Reproduktionen aus ihrem malerischen Oeuvre zeigt, eine berühmte literarische Figur, die zum Sinnbild kapitalistischer Ausbeutung geworden ist. In der…

Hannover

  Die Hannoveraner sind die Bewohner einer Stadt, einer Grosstadt. Hundekrankheiten bekommt der Hannoveraner nie. Hannovers Rathaus gehört den Hannoveranern, und das ist doch wohl eine berechtigte Forderung. Der Unterschied zwischen Hannover und Anna Blume ist der, dass man Anna…

entwirklichen

  was man nicht verwirklichen kann, läßt entwirklichen.       *** Eine Vorschau auf: Gedanken, die um Ecken biegen, Aphorismen von Holger Benkel Der in der Schwebe gelassene Sinn, die Produktion von Ambiguität – was für Roland Barthes Brecht…

Amplikationsfetischismus

  Mildes Ockergrün moduliert die Aufzeichnungsanstalt für musikalische Momente, das durch ein verglastes Fensterband von oben beleuchtet wird. Dadurch entsteht ein introvertierter Meditationsort. Der Maschinist legt den Hebel von offnach on. Das zitternde Peakmeter leuchtet im Spiegel seiner grünblauen Augen…

Verfänglich im Zimmer mit Möbeln

  Im möblierten Zimmer mit Möbeln Geschirr und Flanellwäsche bergend, sich pudern den Teint und die Nase, sonach heikel mustern das verfängliche Bild und zaudern und hadern damit.   *** Ein Ausblick auf: Blempek ist ein Trick, der sich bewährt,…

Der Zugbegleiter – über das Schaffen von Freiräumen

  Man kennt die Situation, sitzt im Zug, mit einem anderen Menschen, den man wirklich mag. Die Unterhaltung plätschert fröhlich vor sich hin, nichts Aufregendes, einfach nur nett. Natürlich hat man sich den größten Platz (Vierersitz) ausgesucht, weil man die…

ERSTE HILFE

  Ein höchst verworrenes Quartier, ein Straßennetz, das jahrelang von mir gemieden wurde, ward mir mit einem Schlage übersichtlich, als eines Tages ein geliebter Mensch dort einzog. Es war, als sei in seinem Fenster ein Scheinwerfer aufgestellt und zerlege die…

Die letzte Reise des Odysseus

  Ich habe mir das Paradies immer als eine Art Bibliothek vorgestellt.       *** Der in der Schwebe gelassene Sinn, die Produktion von Ambiguität – was für Roland Barthes Brecht im Theater geleistet hat, indem er die Sinnfrage…

HOCHHERRSCHAFTLICH MÖBLIERTE ZEHNZIMMERWOHNUNG

  Vom Möbelstil der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts gibt die einzig zulängliche Darstellung und Analysis zugleich eine gewisse Art von Kriminalromanen, in deren dynamischem Zentrum der Schrecken der Wohnung steht. Die Anordnung der Möbel ist zugleich der Lageplan der…

Gestirne

„Ist die Sonne der Poesie untergegangen, dann gehen ihre Monde auf: Gestirne, deren Widerschein sich einer unsichtbaren Lichtquelle verdankt; H. C. Artmanns Poesie ist eine solche indirekte Poesie geborgten Lichts, eine Poesie nach ihrem Untergang. […] Artmanns Poesie ist keineswegs…

O.T.

  Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung…

Sprüche und Widersprüche

  Dass Bäcker und Lehrer streiken, hat einen Sinn. Aber die Aufnahme der leiblichen oder geistigen Nahrung verweigern, ist grotesk. Wenn es nicht etwa deshalb geschieht, weil man sie für verfälscht hält. Die lächerlichste Sache von der Welt ist ein…

Danksagung

  Die Entstehung dieses Buches verdanke ich eigentlich dem Ernst Jandl. Wir sind nach einer Preisverleihung an die Kollegin Elisabeth Reichart, die ich auch schon seit mehr als dreißig Jahren, seit unserer Teilnahme an einer der Rauriser Literaturtage kenne, bei…

Rodneys Grand Slam

Zwischen der unterdrückten Lust, Amok zu laufen, und der Angst vor dem plötzlichen eigenen Ende, hat Adelmann seine stilistischen Mittel sicher in der Hand. Tristesse cool serviert. Daniel Dubbe Das Wort vom „Szene-Veteran“ klingt beinahe nach Großväterchens Erzählungen von „Stalingrad“…

Dime Novels

  A Bad Boys Diary erschien 1880 erstmals anonym als Taschenbuch bei Ogilvie in New York und wurde zum großen Erfolg. Es erschien mit Rechtschreibfehlern und im Slang (»I was ate years ole yesturday, an Mamma she sez to me«)…

Das Pathos tradierten lyrischen Sprechens

  André Schinkels Verse sind in klassischer Metrik gesetzt, durch Reim gebunden, Genitivmetaphern finden sich häufig, Komposita ebenso wie das schmückende Beiwort, das ganze Programm also: Er beruft sich auf das Pathos tradierten lyrischen Sprechens. Dieser Anspruch zeigt sich vom…

Sprüche und Widersprüche

    Ein Weib, dessen Sinnlichkeit nie aussetzt, und ein Mann, dem ununterbrochen Gedanken kommen: zwei Ideale der Menschlichkeit, die der Menschheit krankhaft erscheinen.   *** Karl Kraus ist eine Meister des Aphorismus, in seinen Ausführungen finden wir aber auch…

Schulanekdote

  Abends bei Geburtstagsfeiern, wenn die Stunde etwas vorgerückt ist, die Zunge etwas lockerer sitzt, dann braucht man nur gewisse Themen anzusprechen und schon kann jeder etwas beitragen. Ganz zwanglos versteht sich. Es sollten grundlegende Themen sein, die nicht zu…

Das Gute

    Das Gute ist in gewissem Sinne trostlos.     *** Franz Kafka neigte zu aphoristischen Gedankensplittern und dem eigenwilligen Aneignen kollektiver, mythischer Diskurse, um einen Prozess der Selbstreflexion in Gang zu setzen, der vom bloss Persönlichen und Privaten…

things change

  s (lachen schlange lust) meine bekannte catherine ist einmal im museum mit zwei freunden blitzschnell hinter einer angelehnten magazintüre verschwunden. tauschten sie da hastige hekatomben von küssen oder noch viel mehr?. jetzt erscheinen sie wieder, die säle liegen genauso…

DREIZEHN THESEN WIDER SNOBISTEN

Snob im Privatkontor der Kunstkritik. Links eine Kinderzeichnung, rechts ein Fetisch. Snob: „Da kann der ganze Picasso einpacken.“)   I. Der Künstler macht ein Werk. Der Primitive äußert sich in Dokumenten. II. Das Kunstwerk ist nur nebenbei ein Dokument. Kein…

Limerick auf Thomas Nöske

    Ein Revoluzzer einst litt unter Muff, macht Social und Beat mit viel Suff. Doch dann denkt er: „fick’s! Das ändert doch nix!“ – Und seither ist er Philosuph.         Weiterführend → Zu den Gründungsmythen der…

Experiment und Lebenshaltung

   Der Umgang mit Wortmaterial ist Recycling.         Weiterfühend → Aus Recherchegründen hat der vordenker die zum 30. Jahrestag des VS erschienenen Kollegengespräche zuerst ins Netz gestellt. Die Kulturnotizen (KUNO) haben diese Reihe in loser Folge ab 2011…

Überall ist Musik:

im Fahrstuhl, im Restaurant, in der Parkgarage. Man stelle sich vor, auch die anderen Sinne würden, wo man auch hingeht, unentwegt angeregt: Hände, die einen überall streicheln, Essenshäppchen, die einem hingereicht werden, Gerüchewolken, die ausgeblasen werden, wenn man vorbei geht…

Wir schreiben

  Wir schreiben, um uns selbst zu entblössen, doch je mehr wir über uns sagen, desto besser verstecken wir uns, hinter Bekenntnissen und Wörtern. Thomas Espedal       Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur.

aus meinem mittelgebirgischen dorf

  ich bin in meine natur geborenmittendrin im treffpunkt der windees herrschte heiterkeit im garten:trotz meiner blumen den bösen ich bin mein spätes winterglückpflück magritten zerbeiße mein lied in meinen träumen der nachtist mein – – – mein echo von…

Der Staatsbürger

  Dieser Beruf ist kein Beruf, sondern eine Berufung. Zum Sozialpädagogen ist man geboren. Das Licht der Welt erblickte Detlef, als sich Europa die letzte Asche des Krieges aus den Kleidern geschüttelt hat, der Sex noch schmutzig und die Luft…

LANDUNG

ich wolkentemperament der abgeschiedene jagt das ungezähmte verborgen in hemden häuten hirnen so spät beim tee entblättern die blüten fällt in die welt ein violinschlag schräg sag ich die größten träume kommen dissonant herab das macht bei dieser höh der…

Die Kiste V

  Alle Möglichkeiten würden ihm in Zukunft offen stehen, zumindest solange die Kiste noch Blätter enthielt. Aber nach jetzigem Stand war die Leere nicht unbedingt zu befürchten, das würde sich in kurzer Zeit nicht ändern. Immer wieder sollte ein Zettel…

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zuckendes Herzchen es knistern so Häuser geh in meine Schatten ein Meer vor deiner Zeit *** Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie der Frage nach, wie das Schreiben durch das schreibende Analysieren…

Warum belüge ich meine Leser?

  Ein guter Lehrer gibt sich dümmer, als er ist, damit seine Schüler denken können, sie seien gescheiter als er. Das Geheimnis meiner Lehre aber besteht darin, so lange dümmer zu scheinen als ich wirklich bin, bis meine Schüler glauben…

Wer jetzt die Kunst

  Weiterführend → Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin.

ICH DENKE AN DIE STADT meiner Kindheit.

  Ich bin in meinem Denken daran verloren und geborgen zugleich. Ich sehe, wie sie sich aus den feucht-grünen Wäldern und Äckern erhebt und sich an das doppelte Fließ, das sie prägt, verfügt, die Mulde, die Schwarzbach. Ein erloschener Kiesbagger…

CHINAWAREN

  In diesen Tagen darf sich niemand auf das versteifen, was er „kann“. In der Improvisation liegt die Stärke. Alle entscheidenden Schläge werden mit der linken Hand geführt werden. Ein Tor befindet sich am Anfang eines langen Weges, der bergab…

Nicht bleiben

  Wenn Kleider fallen, wenn Leiber beginnen sich zu verkeilen, wenn klitzekleine Keimlinge sich zu bewegen beginnen das Leben zu speien, wenn’s windet und flattert und zischt, wenn’s stöhnt und wenn’s quetscht, wenn’s klatscht und wenn’s flutscht, dann laufe, dann…

Aus dem Wort springt mir der junge Gedanke entgegen

  Ich beherrsche die Sprache nicht; aber die Sprache beherrscht mich vollkommen. Sie ist mir nicht die Dienerin meiner Gedanken. Ich lebe in einer Verbindung mit ihr, aus der ich Gedanken empfange, und sie kann mit mir machen, was sie…

Von Mir und vom Ich

  Motto: Seltsam, wie hier der Verstand An mir hämmert, an mir hirnert, Selbstsadistisch arrogant, Selbst den Stirner unterstirnert. Cogito ergo sum: Das Denken ist kein Beweis für das Ich, sondern das Ich ein Postulat des Denkens. Ein Bild und…

STÜCKGUT: SPEDITION UND VERPACKUNG

  Ich fuhr früh morgens mit dem Auto durch Marseille zur Bahn, und wie mir unterwegs bekannte Stellen, dann neue, unbekannte oder andere, die ich nur ungenau erinnern konnte, aufstießen, wurde die Stadt ein Buch in meinen Händen, in das…

Verbrennt mich! Ein Protest von Oskar Maria Graf

Nach meinem ganzen Leben und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, daß meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbanden gelangen! Verbrennt…