Kategorie: Allgemein

Das Psychologietheater

  Es ist evident, daß alle Psychologie ein Sicheinfühlen in die fremde Existenz, ins Objekt, in den Gegenstand voraussetzt. Um etwas »Psychologisches«, etwas über die Seele einer Sache, eines Menschen, eines Unternehmens aussagen zu können, bedarf es einer Fähigkeit des…

Mein Bruder Fridolin

Fridolin Wiplinger besuchte wenige Monate vor seinem Tod Heidegger und begann das Gespräch mit den Worten: »Was mich seit einiger Zeit umtreibt, ist der Anfang Ihres ›Briefes über den Humanismus‹ aus dem Jahre 1946.« Nach Heideggers Verweis auf »die Theoria…

Kommunismus, Philosophie und Klerisei

Hätte ich zur Zeit des Kaisers Nero in Rom privatisiert und etwa für die Oberpostamtszeitung von Böotien oder für die unoffizielle Staatszeitung von Abdera die Korrespondenz besorgt, so würden meine Kollegen nicht selten darüber gescherzt haben, daß ich z.B. von…

Die Arbeit als Leidenschaft, die fortgesetzte Partitur als Leben

Die Welt ist zweifellos das grösste Erlebnis, aber zum Grossteil erschöpft sie sich doch in einer entsetzlichen Anstrengung. Die Welt ist mehr und mehr ein enger Kerker, in welchem jener Untersuchungshäftling, der man ist, doch lebenslänglich die schlechtest denkbare Luft…

Die Eisenbahn

  Oben auf dem Oller, wie die Wuppertaler die Bodenkammern zu nennen pflegen, befand sich das Laboratorium meines jüngsten Bruders, »das Giftzimmer«, darin Flaschen mit verschiedenartigen Salzen und Säuren und allerlei Chemikalien seltsamsten Farbeninhalts standen. Namentlich die grünspangelben Schwefelwürfel wirkten…

Über den kritischen Lakonismus

Rezensenten sind literarische Polizeibeamte. Novalis Es gereicht Rezensenten, sie mögen nun Bücher, Menschen oder Verhältnisse beurteilen, zum größten Ruhme, wenn sie wie die Spartaner leben, nur Kupfergeld besitzen und schwarze Suppen essen; denn wer Vertrauen braucht, erhält es nur, wenn…

Hamburg

  Wie ein großer, eben gefangener, noch zuckender Fisch liegt Hamburg an der Nordsee. Ewige Nebel lagern auf den zugespitzten schuppigen Dächern seiner Häuser. Kein Tag hält seinem blassen, windigen, launischen Morgen die Treue. Mit Flut und Ebbe wechseln dumpf…

Schriftstellerbegegnungen

  Der jüngste Dichter, dem ich in meinem Leben begegnet bin, war Gert Jonke; damals gerade 16 Jahre alt. Das war im „Café Ingeborg“ in Klagenfurt in den frühen Sechzigerjahren. Jonke war ein schmächtiges Bürschchen, sehr schweigsam, sehr freundlich, sanftmütig.…

Aus Herrn Antrobus‘ Tagebuch

  Wir sind einen Kalendertag weitergekommen. Es gab keine Gasexplosion. Genügend Unglück stand in der Zeitung. Wir blieben verschont.   Unsere internen Katastrophen verursachen kein Geräusch. Wir werden nicht auffällig. Wie es aussieht, wird hier kurzfristig keiner zur Axt greifen.…

Eine Erinnerung an das Trauerspiel „Der Turm“

  Mit seinem neuen Trauerspiel »Der Turm« greift Hofmannsthal auf die Gestaltenfülle des Barock zurück. Als der geheimnisreichsten einer aus der Menge tritt Calderons Prinz Sigismund in ein neues Leben. Dem Drama liegt ein Stoff im eminenten Sinne, der des…

Was am »Grundriß« fehlt

Das Elementarische und Intime sagt von sich nicht selber aus. Mithin bleibt das Wesentliche als solches ungesagt. Verschweigt sich aber so sein Positives, dann kann es noch zum Bekenntnis werden vom Negativen her: an seinen Fehlern und Mängeln kann es…

Was uns verbindet ist das Papier

Die expressive Farbigkeit von Haimo Hieronymus, die man als vital bis aggressiv empfinden kann, korrespondiert mit dem Stachel der Analyse in Weigonis Texten wie umgekehrt die relativierende Denkhaltung derselben mit den ambivalenten Bedeutungen der Farben Schwarz, Rot und Weiß, die…

Garten

Das Vorbild aller Gärten ist der Zaubergarten, das Vorbild aller Zaubergärten ist das Paradies. Die Gärtnerei, wie jeder der einfachen Berufe, hat kultischen Hintergrund. Ernst Jünger   Ganz zufrieden nach Hause gefahren war er abends. Mit Blick über die vom…

Das biografische Gesicht unter Verschluss

Rue Vieille du Temple, Paris. Kleine Läden, schmutzige Schaufensterscheiben. Dahinter verhöhnen seltsame Präsentationen den Abstand des Flaneurs zu den Gelassen stiller Rituale. Sie ziehen dich in Intimität, in vertrauliche Zusammenhänge hinein, die man riechen kann. Alles Hingestellte, Ausgestellte, wirkt vorläufig,…

Von einem kleinen Wiener Buch

  Anatol ist ein Einakter-Zyklus von Arthur Schnitzler. Als Buchausgabe erschien er im Herbst 1892, vordatiert auf das Jahr 1893. Das einleitende Gedicht stammt von Loris, einem Pseudonym des jungen Hugo von Hofmannsthal, der mit Schnitzler befreundet war. Die Stücke…

Notenbegründung

  Jeweils einen Pott Kaffe in der Hand, den brauchen sie jetzt ganz dringend, denn rauchen darf man in öffentlichen Gebäuden nicht mehr, stehen drei Lehrer in ihrem angestammten Reservat innerhalb des Lebensraums Schule. Für sie geschaffen, nach ihnen benannt…

Mein Traumberuf

  Nein, Astronaut wollte ich nie werden. Was aber sicher nicht so sehr an meiner ausgeprägten Höhenangst liegt. Die hätte sich ja vielleicht ab 380.000 Kilometer über der Erde etwas gelegt. Doch darüber will ich jetzt nicht groß spekulieren, der…

Der Fallensteller

  Ein gerettetes Stück unbestimmter Sprache Nur für geschlossne Augen ist der Raum geschaffen, und für Singvögel. Wieviele heute Fallen stellen, bleibt dunkel. Der Hof war von der Außenwelt abgeschlossen, nein, wie abgeschlossen. Er war ja durch wenige Fenster einsehbar,…

Zeitzeugin und Mahnerin

  Als das Buch „Wir leben im Verborgenen – Erinnerung einer Rom-Zigeunerin“, 1988 von Karin Berger herausgegeben, im Picus Verlag erschien, 1989 gleich in einer zweiten Auflage, war Ceija Stojka die erste Romni, die ihre Erinnerungen an die Leidensgeschichte ihrer…

Zum unbehausten Menschen · Revisited

  Als Nietzsche vor über einhundert Jahren den Tod Gottes proklamierte, erschuf er die Sinnleere des Lebens wie auch die Eröffnung ganz anderer Freiheitsräume, als wir bis dato kannten. Seitdem durchirrt die Menschheit diese Räume und verliert sich. Im Zeitalter…

Geistererscheinung

  Im Anfange des Herbstes 1809 verbreitete sich in der Gegend von Schlan (einem Städtchen vier Meilen von Prag auf der Straße nach Sachsen) das Gerücht einer Geistererscheinung, die ein Bauernknabe aus Stredokluk (einem Dorfe auf dem halben Wege von…

Namenlosigkeit

  Nein, er will nicht beleidigen, aber kürzlich hat Herr Nipp sich ernsthafte Gedanken über Namen gemacht, nämlich als er erkannte, dass sein eigener Hermann Nipp letztlich ein Imperativ ist. Und wie es bei solchen Gedanken so geht, kommt er…

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Rauchfahnen und Nebel spielen schmutziges Haar tarnen sich in deinem Gesicht eine Kette aus Blicken wirfst mir zu die ich strammzieh wann seh ich dich wieder und ob es geht ohne aus dem Fenster zu fallen *** Weiterführend → Ein…

Die Bäume unter sich

  Ich vertraue meinen dichterischen Einfällen und frage nicht, warum ich immer wieder über die Pflanzen auf unserer Welt dichten muß. Heute früh belauschte ich ein Gespräch, das die Bäume lebhaft miteinander vor meinem Fenster führten. Seitdem nehme ich an,…

On The Dreamline Sangerhausen-Saqqara

se non è vero, è ben trovato   1 Einzig dafür also die Tunnelsysteme um die kupfernen Herzen des Mansfelds: Traumwege für verirrte Pharaonen, Buckelpisten für den Geist in der Stele Und die unendliche Ruhe im Sterngewölbe im Schlafsaal des…

Die Mutter aller Serien

Thru the darkness of Future Past the magician longs to see one chants out between two worlds. Fire – walk with me. Kult leitet sich von, von colere „anbauen, pflegen“ ab und umfasst ursprünglich religiöse Handlungen. Das abgeleitete Adjektiv kultisch…

Die Ordnung der Apokalypse

Joachim Zelters „Briefe aus Amerika“ I Die Schreibstrategie ist subtil in ihrer didaktischen Absicht und künstlerischen Steigerung.  Zelter beginnt leicht, in heiterem Ton, spielerisch, über ziemliche Strecken satirisch gefärbt, der Leser wird sozusagen erst einmal auf einem Niveau abgeholt, wo…

Unbehaust, ein poetisches Polymorphem

Der Vorhang öffnet sich sehr schnell. Ertappt. Auf der Bühne steht die Patientin Jo Chang mit schreckstarren Augen. Sie befindet sich allein, in auswegloser Lage. Lässt einen Stapel Blätter fallen. Schlittert über das bereits am Boden liegende Papier. Versucht Halt…

Zur Kritik der deutschen Intelligenz

1 Will man den Weg verstehen, auf dem die heute unter dem Schlagwort Pangermanismus vereinigten Tendenzen zu jener furchtbaren Macht gelangten, die alle Welt kennt und verspürt, so muß man zurückgehen bis ins tiefe Mittelalter. In dem mittelalterlichen Kampf um…

Pop-Schamanismus

  Beuys als popschamanen zu beschreiben ist vielleicht abgeschmackt, doch wenn einer weniger als ein künstler sein wollte und mehr als ein mensch war, kann man das alte zeichen wohl benutzen, bis verständigere zeiten ein neues, weitläufiger und genauer, bereit…

Verteidigung gegen persönliche Angriffe

  Die politische Seite der Streitfrage, um die sich die Verhandlungen gestern und heute drehen, ist bereits so klargelegt, daß ich gern auf das Wort verzichtet hätte. Aber ich bin gezwungen, mich gegen die persönlichen scharfen Angriffe zweier Parteivorstandsmitglieder, der…

Die menschheit ist heute gesünder denn je

  Die menschheit ist heute gesünder denn je, krank sind nur einige wenige. Diese wenigen aber tyrannisieren den arbeiter, der so gesund ist, daß er kein ornament erfinden kann. Sie zwingen ihn, die von ihnen erfundenen ornamente in den verschiedensten…

Kerl an der Spitze oder Ich und das

  Ich bin das tote Gesicht das nicht einschlafen kann, weils in mir spricht! Ich wiege, nur vor Gericht, abgezogen das Strafen von allem Verzicht, als Mann und als Bote. Mich trafen die Kriege, Siege an brauchbaren Stellen, ich wiege,…

Kabarett zum Hakenkreuz

„Na, lach doch mal! Na, lach doch mal! Muh! Miau! Baubau –!“ Fotograf aus den neunziger Jahren. Der beliebteste Einwand gegen den Mann auf der andern Seite ist: er sei nicht auf der Höhe seiner Zeit. Der Einwand ist nicht…

Islam in Deutschland

Über den Einfluß des Islams auf Deutschland ist bereits viel geschrieben worden. Hervorzuheben sind zwei Bücher von Sigrid Hunke, „Allahs Sonne über dem Abendland“ und „Kamele auf dem Kaisermantel“, die ausführlich darüber berichten, welche Prägungen islamisches Denken und Errungenschaften arabischer…

Blick aus dem Hörschatten

  „Wo bin ich, wenn ich höre?“ Spur, Schwelle, Stufe, Grat: Ihr meine Klanggesichter! Zwischen Bewegung und Innehalten zwischen Tat und Kontemplation, Harmonie und Dissonanz. Schwimmen im Strom Laut gedehnter Augenblicke, hell schauender Hörblicke, dämmrig getönter Melodien, die ins Ferne…

Unangestrengte Lässigkeit

Steve Winwood ist einer der besten Soulsänger, die je aus England kamen Traffic bestand aus hochkarätigen Musikern, die problemlos zwischen den unterschiedlichen Musikstilen wechseln konnten und dabei völlig unangestrengt wirken. War das erste Album Mr. Fantasy in 1967 wegen der…

HINTERHOF

  ich gehe in den hinterhof eines halb verfallenen hauses, dessen bewohner als asozial gelten, und trage einen beutel bei mir. denn ich will flaschen im müll suchen, sie verkaufen und damit etwas geld erwerben. knapp kann ich mich vor…

Mirabellen nicht, aber gelbe Kreiken

  Schon Handke schrieb in seiner Geschichte des Bleistifts, dass erlebte Zeit und Orte etwas mit den gepflückten Früchten gemein haben müssten und so falsch lag er damit wohl nicht. Damals, Ende der siebziger Jahre, waren die Grundstücke auf der…

Social Beat, ein Bericht aus der Szene

  Social Beat war eine Literaturszene der 1990er Jahre. Der Begriff wurde 1993 als Schlagwort des Berliner Literaturfestivals „Töte den Affen“ von Jörg A. Dahlmeyer und Thomas Nöske, angelehnt an die amerikanische Beat Generation, Charles Bukowski und moderne französische Autoren,…

Bildtagebuch

Am 1. Januar 2003 startete Peter Meilchen das Bildtagebuch Beobachtungen eines Unsichtbaren.   Vieles, was wir an Bildern wahrnehmen und assoziierend in unseren Gedanken und in der Kombination mit unseren Erfahrungen verbinden, geschieht in der Stille unserer Beobachtungen. Das meiste,…

Der Essay als Versuchsanordnung

Der Essay trägt dem Bewusstsein der Nichtidentität Rechnung, ohne es auch nur auszusprechen; radikal im Nichtradikalismus, in der Enthaltung von aller Reduktion auf ein Prinzip, im Akzentuieren des Partiellen gegenüber der Totale, im Stückhaften. Theodor W. Adorno Eine Rückblende auf…

Wie vergessen?

  Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung…

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  wir sind die papierdrachen die rotierenden toten   bewusstsein im vogelflug so ist das licht   spricht deine namen aus buchstabiert sie als blätter rauschen   auf den ahnungslosen rücken einer frau die einen kinderwagen schiebt:   wir  …

Fake Jazz

    „Ich übte, las, hörte und studierte Musik, bis ich begann, Teile von mir selbst in der Musik zu finden, winzige kleine Durchbrüche“ John Lurie       The Lounge Lizards ironisierten die Haltung des Jazz und verknüpften „die…

Schland_Replika

Weiterführend → Anmerkung der Redaktion: Zur Ausstellungseröffnung wird der Super-8-Film Schland mit einem Ohr-Ratorium von A.J. Weigoni uraufgeführt. Frank Michaelis, Saxophon (Komposition), Marion Haberstroh und Kai Mönnich, Schauspieler. – Remastered von Tom Täger für die Edition Das Labor, Mülheim an…

Rodneys Underground Press – im Dienste der Underground-Literatur

Was ist noch Underground in einer Welt, wo sich jeder via Internet selbst verwirklichen kann, ja bis auf die Unterhose selbst darstellen kann? Der Begriff Underground irritiert heutzutage. Underground-Literatur in den 1970ern bis in die 90er war Untergrund, weil kaum…

Falkenmotiv

  Zwischendurch zieht Herr Nipp immer wieder mal mit seinem Rad verbotenerweise seine Runden auf dem alten Friedhof, der fast wöchentlich einige Gräber verliert. Inzwischen ist es ein violett blühender Park geworden. Riesige Rhododendren sind stehen geblieben und einige alte…

Manifest in „Transition“

Dichtung ist vertikal Man ist zu horizontal gewesen, ich habe Lust, vertikal zu sein. Léon Paul Farque In einer vom Positivismus hypnotisierten Welt proklamieren wir die Autonomie der poetischen Vision, die Hegemonie des inneren über das äußere Leben. Wir verwerfen…

Erden

  Kaum der Tristesse des allgemeinen Alltags entronnen, kümmerte er sich liebevoll um den Garten. Auch wenn Außenstehende sicherlich vermutet hätten, dass er eine gewisse Wut im Bauch haben musste, denn wütend, geradezu grob sah das Geschehen wohl aus, er…

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Strahlen der Sonne: Nabelschnur Totenkäfer gehen heimlich wachsen aus den Augenhöhlen Blumen komm feg mich auf mein Gesicht in Schichten ist immer noch zuviele *** Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie der…

Haltstrom

Wiedergewinnendes Abermalssagen, neuerrechnetes Obergewässer, unterbemitteltes Abweggesuch: Wiedererfundenes Neuamende, außengeleitetes wiedergewonnenes Tragen. *** orten vernähte alphabetien Texte von Angelika Janz. Verlag Wiecker Bote, Greifswald 2002. Weiterführend → Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus…

LEBENSRÄUME

solang der winter dauert lebe ich nach innen birgt mich der raum ein ausgehöhlter stumpf denk ich wie pflanzen wachsen nach der kälte leuchten blüten ultraviolett tastet sie ab das freie tier spielt es im kraut mit mir gekerbt der…

Verstecke

Ich kannte in der Wohnung schon alle Verstecke und kam in sie wie in ein Haus zurück, in dem man sicher ist, alles beim alten zu finden. Mir schlug das Herz, ich hielt den Atem an. Hier war ich in…

Siebengesang des Todes

  Bläulich dämmert der Frühling; unter saugenden Bäumen Wandert ein Dunkles in Abend und Untergang, Lauschend der sanften Klage der Amsel. Schweigend erscheint die Nacht, ein blutendes Wild, Das langsam hinsinkt am Hügel. In feuchter Luft schwankt blühendes Apfelgezweig, Löst…

Wie man Ich wird

  Mit Hinweis auf neurobiologische Forschungen erklärt Harald Welzer, dass dem menschlichen Gedächtnis ein aktiver mentaler Prozess zugrunde liegt, der weitgehend unbewusst und „implizit“ funktioniert. Das menschliche Gedächtnis hat eine soziale Funktion: In unterschiedlichen Gedächtnis-Funktionen organisiert sich das Wechselspiel von…

Die Lügner

  Wenn sie dir Zunge zeigen und Worte machen.   Wenn sie, spektabel schweigende Wesen, sich zungenfertig versieren.   Wenn sie dir das Wort von der Zunge lecken, plazieren neben die Widersachen.   Wenn sie dann züngelnd ihr eigen Nabelfeuer…

Leben in Möglichkeitsfloskeln XI

  Merkwürdig, wie manch ein Tag einen drückt, obwohl keine erkennbare, bewußte oder bekannte Bedrohung über ihm lastet. Als gäbe es einen Grundeindruck des unangenehmen Gefühls, das sich mit einem Mal und völlig ungerufen einstellt, aus seinem latenten Vorhandensein, seinem…

Dritte handgeschriebene Anthologie

  JESSE GLASS MY SYMPHONY Everything You hear While reading this. Lyrik findet in den Nischen statt. Lyrik ist nicht wichtig, aber wesentlich. Lyrik ist Sache der „happy few“. Diese wenigen allerdings würden krank ohne die Gedichte. Indem wir die…

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Lachst du als Wasser meine Landschaft geht in Krümmung vor dir auf Dunkelzucht Krallenspur und Mord ist mein Beruf ja Marktlücke wenn Gott als Strauch aus der Erde wächst mit jeder abfallenden Beere Tode stirbt zieht die Nacht an der…

Völlig chaotisch diese Frau

  Je länger ich sie kenne, umso mehr bemerke ich das Chaos, das sie fabriziert, hinterlässt, und in mein Leben bringt. Ich brauche meine Ruhe, und wenn ich sie dann endlich habe, fällt mir auf, dass ich etwas vermisse: Diese…

Venlo

    Die Grundlage für die Photoarbeiten bilden Schnappschüsse von Gebäudeteilen. Digital bearbeitet verwandeln sich die Motive in absurde Architekturen, deren Reiz in der skulpturalen Neuformulierung des real Vorgegebenen liegt. Die Titel der Arbeiten weisen auf die Straße hin, in…

Zustimmung

  Einen wunderbaren schriftlichen Versuch hatte er in die Finger bekommen, hatte mit Lust geschmökert und war verblüfft über die geistige Reife der jungen Autorin. Zum Thema „Das Höhlengleichnis als literarische Adaptionsschablone“ hatte sie Gedanken von einer unglaublichen Tiefe entwickelt…

Wer hats erfunden?

    Weiterfühend → Wann begann die Geschichte des Selfie? A.J. Weigoni datiert sie auf „Selbstbildnis im Pelzrock“ aus dem Jahr 1500. Lesen Sie auch den Nachruf über Peter Meilchens Lebenswerk und den Essay 50 Jahre Krumscheid / Meilchen über die Retrospektive im…

Alte Katze

    Katzenliteratur ist ihr ein Begriff. Gleich nach Grenzöffnung suchte sie die esoterischen Teestuben auf kaufte wenig aber hörte gern die Vogelstimmen mit Kopfhörern, um sich in die Stimmung einer Kontemplativen zu versetzen. Auf einer Pelztrommel saß sie ohne…

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Tot. Das O im Wort tot ist ein Loch in das sie flüchten kann, wenn jemand sie schlägt. Dann scheint für Momente alles gut zu sein. Eine Höhle lässt sie frei, auch wenn das nach Widerspruch klingt. Mann muss ja…

Sich über die dunklen Seiten

Weiterführend → Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung…

Verblendungszusammenhang

    endzeitgemæsse Betrachtungen von Fortschrittsskeptikern aus dem Fundus der Alptraumikonografie treffen in den Augenwinkeln auf Ewigkeitsillusionisten im: Borderline–Universum   Heroische Pessimisten begreifen die Wonne des Unbestimmten & betreiben an der Frontlinie des Symbolischen ein Durchqueren der Wortfelder im ewgen…

Das blutrote Äußere

„Das blutrote Äußere hält, was der Titel verspricht.“ (Sonntagsnachrichten, Wanne–Eickel)   Als letztes Gossenheft wurde mit Unterstützung von Dietmar Pokoyski Massaker produziert.  Geziert von manch semantischem Husarenstück… Klischees werden clever arrangiert, Stereotypen gekonnt gegeneinander ausgespielt und vorm inneren Auge des…

Rautenmuster

  In der Küche liegt ein ganzer Stapel an nicht mehr ganz frisch gebackenen Waffeln. Der derzeitige, offiziell so benannte Dauergast, der längst zum partiellen echten Mitbewohner geworden ist, hatte einfach Lust darauf zu backen. Er hatte sich das alte…

Barthonia

    Die Grundlage für die Photoarbeiten bilden Schnappschüsse von Gebäudeteilen. Digital bearbeitet verwandeln sich die Motive in absurde Architekturen, deren Reiz in der skulpturalen Neuformulierung des real Vorgegebenen liegt. Die Titel der Arbeiten weisen auf die Straße hin, in…

orten vernähte alphabetien

  Mit dem Buch „orten vernähte alphabetien“ wird uns die Autorin Angelika Janz vor allem mit Arbeiten aus den letzten Jahren präsentiert. Erreichte die Autorin vor allem durch die Mitarbeit an der Suche nach neuen literarischen Verfahren und deren Erprobung…

O.T.

Er lebte dann mit der seinen doch emigre und allein Sein kopf war zu groß für die türen Rasputin ging aus und ein Auch stach er in see mit Raleigh solange der sturm ihn verstand Euxeinos hat ihn gesalzen auf…

Zagen

  Die Himmel hangen Schatten haschen Wolken Ängste Hüpfen Ducken Recken Schaufeln schaufeln Müde Stumpf Versträubt Die Gehre Gruft.   *** Am 1. September 1915 ist August Stramm bei Horodec östlich Kobryn, in einem sinnlosen Krieg gestorben. Seine Texte fallen auf durch ihre schlichte,…

Krautrock @ its best

Brüh im Lichte dieses Glückes Sarah Connor Die Stärke der Bundesrepublik Deutschland liegt in der Dezentralisierung. Jedes Bundesland hat sein eigenes Kraftzentrum und von Zeit zu Zeit verschiebt sich die Bedeutung. So war etwa gegen Ende der 1970-er Jahre das…

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Knicken dir die Äste ab noch bevor du die Ideen der Schmetterlinge auf sie drauf setzen lassen kannst nie mehr fangen mit dem Wind spielen und das Denken tötet die Vergangenheit, die sich die Gegenwart einredet Deine Augen aber dunkle…

DIE LIEBE KENNENLERNEN

  keine Gedichte & keine Politikprekäre Minuten & Lungenflügelum vorübergehend zu atmenden Irrsinn aufzuhalten & restlicheHolzstücke einzusammeln wildgeborene Türmeauf die ich mich stützen kann unnachgiebige Puzzleteilepain points & issue logsdas vollständige Repertoireüber Zunge und Stammhirntal     *** Aus dem…

jene leichtigkeit

manchmal gehts ganz einfach die morgensonne trifft die herzschlagader ein mürrischer nachbar grüßt lächelnd und eine längst gegebene antwort findet ihre frage die nacht wiegt dich in wunschträumen die füße werden leichterselbst das unglück von gestern ist heute nur noch…

Ferienjob

  Herr Nipp hatte Ferien, eine Zeit in der normalerweise viele Dinge zu erledigen sind, leider meist unangenehmer Natur, da am Ende bewusst wird, wie wenig Schönes man doch unternommen hat. Der Garten musste gemacht werden, die Tristesse eines möglichst…

wir fliegen

  Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung…

Weltmusik

  In Fachgeschäften für Schallplatten gab es unterschiedlicher Fächer, in denen Band nach Musikrichtungen sortiert wurden. Für alles, was sich nicht unter Pop, Rock, Blues oder Jazz unterbringen lies, gab es das Fach „Weltmusik“. Hier fand sich alles, was sich…

Am Beispiel von Ferdinand Hardekopf

Splendeurs et miséres des courtisans Aus der steilen, transparenten Nudel – Quillt ein Quantum Quitten-Quark empor, Ballt sich, physisch, zum gewürzten Strudel, Kreist: ein Duftballon aus einem Rohr. Wann (und wo?) war Schweben delikater? In der Spannung wird man blass,…

So richtig nett von Hoffmann und Shakespeare

  Der Rezensent ist selbst ein notorischer Sonetter, daher also nicht ganz satisfaktionsfähig, da parteiisch. Und er kennt und liebt natürlich William Shakespeare, im Original, aber gerne auch übersetzt und nachgedichtet. Irgendwann flatterte demselben dieser kleine hellblaue Band auf den…

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Der Flieger verdrischt den Wind. Hinter geschlossenen Lippen die Atemlosigkeit, das Hecheln, das in den eigenen Rachenraum zurück schießt. Wir wassern. Als würde die Erinnerung: Blitze: in ihr wie Irrlichter herumfuhrwerken. Das Weiße der Nägel: das sind Kipferl. Sind Kipferlmonde.…

SCHERBEN

zerteilt metall das fleisch leuchtet geröll  überm gesicht aus mauerschutt pocht der schorf  zerbrochen wie eine waffe im zwielicht des blutes  das ist der weg der kultur ihr humus der barbar das opfer  steht auf als narr gespaltnes holz das…

Kultivierte Naturen

    Ich empfinde es bei einem Vortrag als größeren Erfolg, auf nicht kultivierte Naturen zu wirken, als auf die höchst verfeinerten, denn alle Bildung ist notwendig oberflächlich, und ob ihre Wurzeln nach dem Zentrum des Daseins gerichtet sind, ist…

Landkonzert

  Es gibt Tage, an denen der werte Herr nicht vor seinen eigentlich vor ihm liegenden Aufgaben bewusst flieht, sie zumindest aber meidet. Er weiß dann, dass er sich auf den Hosenboden setzen müsste, zumindest die Erwartungen der anderen Menschen…

Die Bäume

Denn wir sind wie Baumstämme im Schnee. Scheinbar liegen sie glatt auf, und mit kleinem Anstoß sollte man sie wegschieben können. Nein, das kann man nicht, denn sie sind fest mit dem Boden verbunden. Aber sieh, sogar das ist nur…