HIMMEL UND BODEN

  Vom Kopf auf die Füße gestellt, sehe ich klar, dass der Himmel nicht mein Boden und der Boden nicht mein Himmel war.     *** Weiterführend → Lesen Sie auch die Gratulation von Markus Peters zum 70. Geburtstag auf…

Corvinus Presse

  Liljana Dirjans von Sabine Fahl übertragener Lyrikband Schwere Seide (2000) war bei Erscheinen der einzige zeitgenössische mazedonische Lyrikband in deutscher Übersetzung: ein Glück, daß wir ihn haben. Schwere Seide ist ein in jeder Beziehung schönes Buch. Ich kann es…

Rubikon

  Der Rubikon der Ent–Intellektualisierung und Dehumanisierung ist überschritten.       *** Mikrogramme von A.J. Weigoni, KUNO 2006 – 2011 Diese Bruchstücke aus der Realität sind verwandt mit den Miszellen (von lateinisch miscella ´Gemischtes`), dies ist eine Bezeichnung für…

Die Seele

  Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden.       Weiterführend → Eine Annäherung von Peter Paul Wiplinger an Georg Trakl finden Sie hier. → Ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur, sowie ein Recap des Hungertuchpreises.

Biederer Lobgesang und Rumpel-Lyrik

Autorenlesungen finden nicht selten (fast) unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt – vor allem dann, wenn Poesie auf dem Programm steht. So waren vor einigen Monaten zu einer Lesung des Welt-Lyrikers Les Murray im Literaturhaus der Millionenstadt Köln nur 60 Zuhörer…

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  Kugelmensch Du bist der Knick zwischen Kinn und Brust in den sich mein Riss schlafen legt Trostspur zerrinnt was bleibt ist Zersprungenes im Hinterkopf Nackendorn aus dem alten Atem gedrückt und ins Rückgrat hinein Innen umfasst ohne Zeit was…

bitte nicht

  denken sie jetzt nicht an eine zitrone   oder den geschmackvon schokolade   stellen sie sichauch keinen roten apfel vor   zu dem sie hinaufsehen –er könnte ihnen ins gesicht fallen   denken sie lieber …an ein gedicht  …

O.T.

  perspektiv hinter den Wassern der Sonnenaufgang zaghaft versprach er sein Licht einem Schweigsamen unter dem Nebel am Ufer beseelt er den Strom setzt den einsamen Angler ins Bild     *** Quelle: Dichtungsring Nr. 38/2009 (Ungrade Tage) Weiterführend → Ulrich…

Wider die Verfügbarkeit

»Pop«iges von Sternmut, das wäre auch mal was – aber nein, Schluss gleich zu Beginn mit versuchten Wortspielereien, die wird der Autor substanzieller liefern. Ungewöhnlich ist, dass zum Titel ein Titelgedicht gleich zum Einsieg präsentiert wird. Aber hoffe niemand auf…

Singen

  Singen ist wie jemanden zu lieben, es ist eine überagende emotionale und körperliche Erfahrung.     *** Manche Menschen werden nicht geboren, sie sind ein Naturereignis. Janis Joplin ist ein Komet, der am 19. Januar in Port Arthur, Texas…

I

  Blinklicht. Zuerst sieht Max sie an einer Ampel. Auf dem rechten Bein stehend, den Fuss ihres linken Beins in der bestrumpften Kniekehle angewinkelt, an die rechte Kniescheibe gelehnt. Sie erinnert in ihrer fragilen Statik an einen Wasservogel mit hohen…

Wortnetze und Versnetze

  Wortnetze II heißt die 1990 erschienene, Hans Bender und Rolf Dieter Brinkmann gewidmete Anthologie, die die erste Anthologie ist, in der Lyrik von mir erschien: Auf Seite 111 stehen die beiden Gedichte, gleichsam poten­zierte Schnaps­zahl, der Frohsinn konnte also…

Letzte Lockerung

  1°   Um einen Feuerball rast eine Kotkugel, auf der Damenseidenstrümpfe verkauft und Gauguins geschätzt werden. Ein fürwahr überaus betrüblicher Aspekt, der aber immerhin ein wenig unterschiedlich ist: Seidenstrümpfe können begriffen werden, Gauguins nicht. (Bernheim als prestigieuser Biologe zu imaginieren.)…

Gedankenstrich

  Wenn ich mich auf einen warmen Sitz setze, auf dem vorher ein anderer gesessen hat (haben muss), gehen meine Gedanken immer zu ihm, diesem Fremden, seinem Warmen, das zum Mensch Werdenden. Weil dieser Mensch kraft seines Lebendigseins einen Teil…

Münder

  Ohne Unterlass / laufen Münder den Bach hinunter / essen Brot als sei nichts gewesen / und küssen die Zeit mit rotem Wein       Weiterführend → Anja Wurm, sizzierte, warum Netzliteratur Ohne Unterlaß geschieht. Vertiefend ein Essay über…

Was solls

  Einen Reim machen auf die Erlebnisse! Denkt er sich. Auf alles das! Was er nicht versteht. Denkt er sich. Er kann es nicht. Die Reime fehlen, die Worte, Verse, Strophen auch. Denn Reime helfen nicht. Aber er kann sich…

Wunder

  Wunder gab ich leichter zu als wirklichen Fortschritt.       Franz Kafka neigte zu aphoristischen Gedankensplittern und dem eigenwilligen Aneignen kollektiver, mythischer Diskurse, um einen Prozess der Selbstreflexion in Gang zu setzen, der vom bloss Persönlichen und Privaten…

BLAU

zieht der tag seine waffe die sonne aus der scheide liegt das licht auf der haut schimmern die adern mir im taumel tanzt der leib befleckt sein glanz das fleisch verzerrt ein lachen das gesicht steig ich dem raum entgegen…

Beschränkt

  Halt dein Rößlein nur im Zügel, Kommst ja doch nicht allzu weit. Hinter jedem neuen Hügel Dehnt sich die Unendlichkeit.   Nenne niemand dumm und säumig, Der das Nächste recht bedenkt. Ach, die Welt ist so geräumig, Und der…

Sonate in Urlauten (Auszug)

  Fümms bö wö tää zää Uu… rakete rinnzekete…         *** Das literarische Werk von Kurt Schwitters. Ursonate (1922-32); in Das literarische Werk, Bd. 1: Manifeste und kritische Prosa. Köln: DuMont Schauberg, 1973 KUNO stellt den vielseitigen…

Der Mittelpunkt meines Denkens

  Der Mittelpunkt meines Denkens bin ich selbst.      *** „Montaigne war nicht zuerst ein Stoiker, der aufgrund einer skeptischen Krise am Ende seines Lebens zum Epikuräer geworden ist. Er war kein Anhänger irgendeiner philosophischen Schule, sondern Eklektiker […],…

Sprüche und Widersprüche

  Einen Aphorismus zu schreiben, wenn man es kann, ist oft schwer. Viel leichter ist es, einen Aphorismus zu schreiben, wenn man es nicht kann.     *** Während ich am „Kraus–Projekt“ arbeitete, war ich mir bewusst, dass seine Form…

Pius

    Die Grundlage für die Photoarbeiten bilden Schnappschüsse von Gebäudeteilen. Digital bearbeitet verwandeln sich die Motive in absurde Architekturen, deren Reiz in der skulpturalen Neuformulierung des real Vorgegebenen liegt. Die Titel der Arbeiten weisen auf die Straße hin, in…

Energier

  Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung…

Mikroblogging

Vieles kurz sagen, damit es noch kürzer gehört wird. Nietzsche Technische Neuerungen sind eine Chance für überholte literarische Formen. Bisher bilden die Mikrolithen in der Systematik der Literaturwissenschaft neben Epik, Lyrik und Dramatik mit unterschiedlichen Bezeichnungen eine Randgruppe: Epigramm, Sprichwort,…

Alfred Kerr

  Silvester 1908 bin ich Alfred Kerr begegnet unter künstlichen Balkansternen, zwischen schleierverhüllten Angesichten schöner Haremsfrauen und fezbedeckter Häupter weißgekleideter Muselmänner. »Wissen Sie, wer der Beduinenfürst war?« (Wir grüßten uns nach des Bosporus Zeremoniell und Sitte.) »Reißen Sie mich nicht…

Blütenpapierprosa

  „Ein Schriftsteller, nach meinem Geschmack, muß ein Fremder sein“, hat der alte George Tabori vor seinem Tod gesagt. In diesem Sinn funkeln die Helden in Francisca Ricinski Buch Zug ohne Räder wie Splitter eines Spiegels vom schreibenden Ich. Ihre…

Die menschliche Stimme als universelles Instrument

  In Unbehaust II begleitet der Komponist Frank Michaelis die Schauspielerin Marion Haberstroh auf einer Introspektion. Die klanglichen Improvisationen spiegeln die Verunsicherungen der dargestellten Figur. Es ist eine elektronische Komposition von geringer harmonischer Komplexität, die sich im Rahmen einer modalem Tonalität bewegt…

Kulturrezeption im Wandel der Technik

Nach Ansicht der Autorin Manuela Hertel hat „Günter Gaus mit seiner Sendereihe Zur Person das Interview auf ein Niveau erhoben, das seither niemals wieder auch nur in Ansätzen errreicht wurde. Vornehm-zurückhaltend und dabei dennoch immer wieder hartnäckig nachfragend ist der…

Die Verwandter

  Über die Verwandter weiß man nur wenig. Gerne werden sie mit den Verwandten verwechselt, doch die Verwandter sind keineswegs Verwandte, denn diese kennt man, wo man hingegen die Verwandter nur wenig oder gar nicht kennt, sie ergo nicht verwandt…

Der Traum

  Ich lag und schlief; da träumte mir ein wunderschöner Traum: Es stand auf unserm Tisch vor mir ein hoher Weihnachtsbaum. Und bunte Lichter ohne Zahl, die brannten ringsumher; die Zweige waren allzumal von goldnen Äpfeln schwer. Und Zuckerpuppen hingen…

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lästerndes vogelgezwitscher spielt mit uns zaumzeug am morgen das blumen rosten: rotes verblüht geköpfte gräser und beengende gegenstände aus luft die blätterhauben der äste brechen vor uns ab: wir lassen alte träume (lasten) als drachen auf steigen hoffnung heißt einen…

So geht es in der Welt

  Sie ist ein Albtraum. Einfach fürchterlich persuasiv. Sie macht mich ganz kribbelig. Die gleichen schrecklichen und plötzlichen Perspektivwechsel, die gleiche wilde unauslotbare Energie der Gestalten. Es gibt Passagen, mit denen ich nichts anfangen kann. Ich bedaure sehr, das so…

Die Verteidigung des Vaterlandes

  Denn nichts ist schwerer und nichts erfordert mehr Charakter, als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein.       Kurt Tucholsky zählt zu den bedeutendsten Publizisten der Weimarer Republik. Als politisch…

Ein Intermezzo. Kreuz und Quer

Ein Spötter, ein Dichter, ein Literat – Streu ich der Worte verfängliche Saat. Hugo Ball, Intermezzo Gesammelte Gedichte. Zürich 1963   Kennen Sie Gedichte von Michael Arenz, dem Heraus­geber der volu­minösen Bochumer Litera­tur­zeitschrift »Der Mongole wartet«, in deren 18. Ausgabe…

Aufklärung

  Die beiden begegnen ihm zum ersten Mal an diesem Nachmittag, als er nach Hause kommt. Sie rollt auf ihren kleinen Roller einige Meter vor ihm, und plappert unaufhörlich, er trägt ihr zweites Paar Schuhe, hat eine Selbstgedrehte auf dem…

Klangwerkzeug im Satzbaukasten

    flink das HandlungsGeruest hochziehen mittels SchalBrettern das Gebæude vernageln & es hinter einem Vorhang verschwinden lassen   durch Explosivlaute das Bauwerk entkernen eine stæmmige Statik der Syntax gewæhrleisten Licht durch einsehbare Argumente scheinen lassen   onomatopoetische Æusserungen aus…