… unbewußt – höchste Lust!

Die Kunst und nichts als die Kunst! Sie ist die große  Ermöglicherin des Lebens, die große Verführerin zum Leben, das große Stimulans des Lebens. Friedrich Nietzsche (1888) Du verlierst dich im Rausch der Worte und Gedanken Nietzsches. Wenn du erst…

Er hats erfunden!

Die Philosophie ist, und zwar auch bei gescheiten Leuten, nur ein leeres Wort, das keine Beziehung zur Wirklichkeit hat. KUNO hat zum dritten Mal ein essayistisches Jahr ausgerufen. Die Redaktion muss daher zwingend auf den Erfinder der neuen literarischen Gattung…

Die Chinesische Mauer

  EIN MORD ist geschehen und die Menschheit möchte um Hilfe rufen. Sie kann es nicht. Sie, die Lärmvolle, immer bereit, mit dem stärksten Schrei den kleinsten Stoß zu rächen, sie, die sich das Maß der Schöpfung dünkt und nur…

Rentierflechte

  Es sind eigenartige, immer wieder überraschende Widersprüche, die einen aufmerksamen Leser bei seiner ersten Begegnung mit den Photographien von Sebastiao Salgado auf dem Umschlag und den Eingangsseiten des Buches mit dem seltsam fremden und zugleich scheinbar vertrauten Titel fesseln.…

auswege aus dem kapitalozän?

  eine der qualitäten dieses buches ist es, daß die autoren technologische entwicklungen historisch und gesellschaftlich einordnen und damit technokratischen denkweisen, die komplexität verweigern, etwas entgegensetzen. technik wirkt immer in prozessen und zusammenhängen. die »Einleitung« der herausgeber zitiert den maler…

Über das Wesen der Kunst

  Es ist einige Jahre her, seitdem ich ein literarisches Buch veröffentlicht habe. Nicht zögerte ich, weil ich nichts mehr geschrieben hätte – das Gegenteil ist der Fall. Ich zögerte aber, weil ich mir viele Gedanken machte, ob und warum…

Koppel

  Auf dem Weg zum nächst gelegenen Stausee kommt er an einer Pferdekoppel vorbei, am Ende einer ausgebauten Straße. Der asphaltierte Weg biegt von dort in einen Ortsteil ab, der nach jenem Wald benannt wurde, der sich dort zu früheren…

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  Notiz: Kein Sterben heißt kein Wachsen (und was ich an mir nicht ertrage zu lieben an dir)       *** Baumzyklen, Gedichte von Sophie Reyer, KUNO 2023 Weiterführend →  Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten…

Max Herrmann

  Er ist der grüne Heinrich, und alle glauben es, wenn ich das sage. »O ja, er ist der grüne Heinrich.« Seine Augen sind grün, sein Haar ein geschorener grüner Wiesenfleck; seine Eidechsennase – immer schlängelt sie sich. Und sein…

Von Handtellertierchen

  Menschen sind unterwegs. Zwischen zahllosen Orten der Welt unterwegs. Mit gerichteten Blicken auf handtellergroße Geräte, wechselnd bebilderte und filmbewegte Fensterchen, die sie mit ihren verkrümmten Daumen streicheln. Daumen, die einige Generationen später eine genetische Veränderung erfahren werden. Wo immer…

Danton und wir

  Georg Büchners Danton glaubt, eine Marionette innerhalb eines sich in der Geschichte manifestierenden mechanistischen Determinismus zu sein. Er befindet sich in einem doppelten Dilemma: Er durchschaut sein Determiniertsein und muss in seinem radikalen Skeptizismus scheitern, denn er kann nicht…

Der Assistenzarzt

  »Ich schmeiss den Job«, nuschelt Willbert Neumann undeutlich vor sich hin. Zuckt zusammen. Wacht von einem Alb durchgeschüttelt schweissgebadet neben Noëmi auf. Reibt sich die Hautausdünstungen von der Stirn. Sieht sich aufgewühlt um. Das Moment der Wahrheit scheint als…

Verschiedenartige Geschichtsauffassung

  Das Buch der Geschichte findet mannigfaltige Auslegungen. Zwei ganz entgegengesetzte Ansichten treten hier besonders hervor. – Die einen sehen in allen irdischen Dingen nur einen trostlosen Kreislauf; im Leben der Völker wie im Leben der Individuen, in diesem, wie…

Über Lessing

  Lessings schriftstellerische Verdienste sind schon mehr als einmal der Gegenstand eigner beredter Aufsätze gewesen. Ein paar dieser Aufsätze, welche viele treffende und feine Bemerkungen enthalten, rühren von zwei der achtungswürdigsten Veteranen der deutschen Literatur her. Ein Bruder, der Lessingen…

heimwehen

  »heimwehe« hat gegenüber dem vorherigen gedichtband »herzecho. lyrische sonogramme« von 2016 noch an substanz gewonnen, indem die textkörper komplexer und vielschichtiger geworden sind und das phantastische darin, über das spielerisch experimentelle hinaus, immer stärker prägend wurde. anfangs waren die…

Kunstwerke

  Vielleicht war es immer so. Vielleicht war immer eine weite Fremde zwischen einer Zeit und der großen Kunst, welche in ihr entstand. Vielleicht waren die Kunstwerke immer so einsam, wie sie es heute sind, und vielleicht war der Ruhm…

Die Erotik

  Man mag das Problem des Erotischen anfassen wo man will, stets behält man die Empfindung, es höchst einseitig getan zu haben. Am allermeisten aber wohl dann, wenn es mit Mitteln der Logik versucht wurde: also von seiner Außenseite her.…

Die Elfenfelderin

Else Lasker-Schüler ist die stärkste und unwegsamste lyrische Erscheinung des modernen Deutschlands. Karl Kraus Die Wupper ist nicht nur ein Fluß, der sich durch das bergische Land schlängelt. Er verbindet unterschiedliche Ortschaften, wie die ehemaligen Großstädte Barmen und Elberfeld. Die…

Gezeitengespräch 2

  Vorbemerkung der Redaktion: In diesem Jahr machen wir das vergriffene Gezeitengespräch von Haimo Hieronymus und Karl Hosse auf KUNO recherchierbar.   Zeitfern (nächster Tag): Immer Hoffnung, dass du was sagst. Ist das Realität? Meinungen haben schon immer ein Intermezzo…

Freaks

  Aufgrund der engen Verbindungen von Prodigien und Monstern – nicht nur in der etymologischen Bedeutung des lateinischen „monare“ als „mahnen“, „warnen“ – muss man den eigentlichen Beginn der Geschichte der Monster bereits in den Mythen und Schöpfungsgeschichten orten. Es gibt keine…

Die konstruktiven Ideen der neuen Malerei

  In der Chronik des Lorenzo Ghiberti steht eine merkwürdige Betrachtung, die ein lehrreiches Streiflicht auf die künstlerischen Ideen seiner Zeit wirft. Ghiberti spricht von Masaccio und erwähnt dabei bewundernd und als Zeichen des ungeheuren Fortschrittes, den die Malerei durch…

BILD 2. Ein Kaff

  auf dem Gipfel eines Berges, der rundum von anderen, höheren umgeben ist. Zwölf Hütten, eine Kirche, eine Kneipe, ein Brunnen. Die größte der Hütten ist eingestürzt. Die Fenster sind mit Brettern zugenagelt, das Dach beschädigt. Es gibt kein Nest…

Meine Seele eine blaue Schrift

Kommentare zu frühen Gedichten Heinz Küppers[i] Ich stelle im Folgenden drei Gedichte aus den späten 50er Jahren in den Rahmen ihrer Zeit – mit einigen wenigen biografischen Erklärungen, deren es aber nicht bedarf, um die Gedichte zu verstehen. Heinz Küpper…

Zum Todestag von Hans Fallada

In dem in Buchform 2012 publizierten Essay „Der Schein, das Sein und das Nichts“ habe ich Bücher und Gestalten von Hans Fallada neu interpretiert: mit Hilfe der Psychologie nämlich. Dabei nahm ich Alice Millers Bücher sowie eigene Definitionen zur Hand.…

Über den Aus-Drucks-Willen

Haimo Hieronymus hat das Spielen mit den Möglichkeiten und die Reflexion über das Spielen zur Grundlage seiner Kunst gemacht. Laik Wörtschel Kunst als letztmögliche Form des Spiels. Hieronymus verbindet, vergleicht, stellt in Frage und findet letztlich für jedes Bild eine…

Von Hinkenden

  Vor zwei oder drei Jahren verkürzte man das Jahr in Frankreich um zehn Tage. Wie manche Veränderung muß auf diese Verbesserung folgen? Es hieß eigentlich, Himmel und Erde auf einmal bewegen. Dessenungeachtet ist nichts aus seiner Stelle gerückt. Meine…

Anthologie auf das Jahr 1782

Großmächtigster Zar alles Fleisches, Allezeit Vermindrer des Reichs, Unergründlicher Nimmersatt in der ganzen Natur! Mit untertänigstem Hautschauern unterfange ich mich, deiner gefräßigen Majestät klappernde Phalanges zu küssen und dieses Büchlein vor deinem dürren Calcaneus in Demut niederzulegen. Meine Vorgänger haben…

Der Dichter und diese Zeit

Ein Vortrag Man hat Ihnen angekündigt, daß ich zu Ihnen über den Dichter und diese Zeit sprechen will, über das Dasein des Dichters oder des dichterischen Elementes in dieser unserer Zeit, und manche Ankündigungen, höre ich, formulieren das Thema noch…

Ein Strich

  Er geht mir gelegentlich durch den Kopf. Dieser Strich, der nie gezeichnet wurde. Ich male ihn mir horizontal aus, mit einem Schwung, der aber subtile Spuren des Zögerns in sich hat. Ein Strich, der nicht so daher gezeichnet ist,…

künstlerische literatur

  wo eigentlich künstlerische, und einst kultische, techniken für profane zwecke benutzt werden, so daß sie meist dem oberflächlich dynamischen, effektvollen, etikettenhaften, grellen und schrillen dienen, verschwinden die künste im öffentlichen raum zunehmend hinter verkunstungen. viele künstler fragen sich inzwischen,…

Freier Fall

  Alles war schiefgegangen. Thompson hatte den Abgabetermin für das neue Konzept um 48 Stunden vorgezogen. Und jetzt blieb er doch nur zwölf Stunden in Paris. Aus Sicherheitsgründen konnten wir nicht riskieren, die Unterlagen via Fax oder Mail in sein…

Kierkegaard

Der letzte Versuch, Kierkegaards Gedankenwelt ungebrochen zu übernehmen oder weiterzuführen, ging von der „Dialektischen Theologie“ Karl Barths aus. Die Wellen dieser theologischen Bewegung berühren sich in ihren Ausläufern mit den von Heideggers existenziellem Denken hervorgerufenen Kreisen. Der vorliegende Versuch –…

Erscheinungsform der Sprache • Revisited

Kulturkritik findet sich der letzten Stufe der Dialektik von Kultur und Barbarei gegenüber: nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch, und das frisst auch die Erkenntnis an, die ausspricht, warum es unmöglich ward, heute Gedichte zu schreiben. Theodor W.…

Erinnerung an einen Sprechsteller

Die menschliche Stimme ist das erste Instrument. Sie ist die direkte Verbindung zu den tiefsten Energien und Gefühlen, für die wir keine Worte haben. Meredith Monk Der Ausspruch „Stadtluft macht frei nach Jahr und Tag“ umschreibt einen Rechtsgrundsatz des Mittelalters,…

Der Postillon

  Bald wird ein Eisenbahn-Netz den gebildeten Teil Europas umschlingen; schon in diesem Augenblicke sind der Segnungen unzählige, welche die Menschheit der großartigsten Erfindung unsrer Tage verdankt; und dennoch lassen sich heisre Stimmen hören, die diesen neuen Triumph des menschlichen…

Humoralpathologie

  Die Katze gehört zum edlen Geschlechte des Löwen; aber nur der Abschaum königlichen Blutes fließt in ihren Adern. Sie ist ohne Mut, und darum ohne Großmut; ohne Kraft, und darum falsch; ohne Freundlichkeit, und darum schmeichelnd. Der Tag blendet…

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  Sei nicht traurig wenn sie hier nicht mehr ich sagt und so etwas wie Liebe dennoch: jeder Regen verliert seine Wolke     *** Baumzyklen, Gedichte von Sophie Reyer, KUNO 2023 Weiterführend →  Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier.…

Unser Café

Ein offener Brief an Paul Block Sire, Sie möchten etwas aus unserem Café wissen, aber unser Café ist schon seit ungefähr Pfingsten nicht mehr unser Café. Gestern las ich in einer Chicagoer Zeitung, die mir meine Schwester aus Amerika sandte,…

Wechselnd aufleuchtende Zahlen

  Um das Schließen des Aufzugs zu verhindern, zwängte sie sich zwischen die beiden sich schließenden Türhälften, gegen die widersinnige Furcht, sie müsse steckenbleiben. Erst im Innern des Gehäuses fiel ihr die Lichtschranke wieder ein, nur fand sie keinen Bezug…