Biographismus

  die wechselnden Phasen von der Geburt zum Tod mit philologischen Tiefbohrungen ausloten & in einem Panorama der Epoche die Anatomie der Seele erkunden   Selbstzweifel wird zu Selbstzerfleischung nirgendwo ist das Entsetzen spuerbarer als im Vakuum des Vergessens =…

Ich, mein Fragment

  Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung…

Der stille Grund

  Der Mondenschein verwirret Die Täler weit und breit, Die Bächlein, wie verirret, Gehn durch die Einsamkeit Da drüben sah ich stehen Den Wald auf steiler Höh, Die finstern Tannen sehen In einer tiefen See. Ein Kahn wohl sah ich…

Die Stadt

  Sehr weit ist diese Nacht. Und Wolkenschein Zerreißet vor des Mondes Untergang. Und tausend Fenster stehn die Nacht entlang Und blinzeln mit den Lidern, rot und klein.   Wie Aderwerk gehn Straßen durch die Stadt, Unzählig Menschen schwemmen aus…

BROKDORFLIED

  Wir kommen wie die mücken von nord und ost und süd von vorn und aus dem rücken kein einkreis soll euch glücken ihr macht euch an uns müd Wir werden lange bleiben sind grad so schön dabei Versucht uns…

Interpretationen 11

  Grodek ist ein Gedicht von Georg Trakl, das die Erinnerung an die Schlacht von Gródek (1914) in Ostgalizien (heutige Ukraine) wachhält: Bei Gródek fand zu Beginn des Ersten Weltkrieges eine erbitterte Schlacht zwischen russischen und österreich-ungarischen Truppen statt. Wie…

Für eine Freundin

  Ich habe Tote, und ich ließ sie hin und war erstaunt, sie so getrost zu sehn, so rasch zuhaus im Totsein, so gerecht, so anders als ihr Ruf. Nur du, du kehrst zurück; du streifst mich, du gehst um,…

Durch und Durch

    Wir sind alle nur für kurz hier eingefädelt, aber das Öhr hält man uns seither fern, uns Kamelen.       *** Ein redaktioneller Hinweis auf: Verschenkter Rat. Gedichte von Ilse Aichinger. Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuchverlag, 1991, S. 14…

Nieder mit dem Präsidenten

  Ein Dummejungenstreich der einer halben Million Menschen das Leben kostet weil die Freiheit jahrelang in der Zelle rostet   Graffitis die herausschreien was die meisten denken Jugendlicher Überschwang gegen das Massenlenken zum Massensterben führen weil die Führer sich nur…

DER GÜRTEL

  Wenn der Himmel, Wangenrot, endlich dem liebenden Blick sich gewährte, und das Licht, das golden zu schwinden droht, die Zeit in den Rosen verklärte, dann tanzt vor mir, der verstummt vor Glück an solchen Gemäldes Rande, ein Schatten mit…

FLUß

  spielten kinder eines dorfes am fluß wollten sie die nixe steinigen warfen sie  stein auf stein ins wasser und fragten  ob sie getroffen noch lebt stand sie  plötzlich zornig blickend unter ihnen  und zog den größten der jungen hinab…

Lebenssinfonie in vier Sätzen

  Kann ein Sammelband mit achtundneunzig Gedichten, in mehr als fünfunddreißig Jahren entstanden, die elementare Vielfalt des Meeres erfassen, vorausgesetzt das poetische Ich des Lyrikers verharrt nicht nur als reflektierender Beobachter an der Endstation Meeres-Sehnsucht, sondern wirft sich gleichsam im…

An Neunundneunzig von Hundert!

  Ihr schwatzt befrackt hoch vom Katheder Von alter und von neuer Kunst, Von Fleischgenuß und Sinnenbrunst, Und gerbt nur Leder, altes Leder! Ihr laßt um jede Attitüde Ein weißgewaschnes Hemdchen wehn, Denn um die Schönheit nackt zu sehn, Sind…

Konfigurationsræume

  metallische Kuehle > rostiger Auswurf exakte Ortskentnis ermœglicht Seelenkunde & eine animatographische Expedition in den Echoraum der Wœrter   Dynamik der Uebertragung mit Schallwellen den letzten Grund ausloten… entleertes Schweigen fuehrt zu einem Nullpunkt des Denkens   die Vorstellung…

Wieder

  Weiterführend → Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Michael Gratz mit einem Geleit zum Band  tEXt…

nur

  jenseits der Worte lauert die Stille auf dass du inne hältst lass dir Zeit für Berührungen Unwiederbringliches kennt keinen Trost     *** Fragen im Schlepptau, Gedichte von Ines Hagemeyer. Ludwigsburg: Pop Verlag 2021 Weiterführend → Ulrich Bergmann mit einer…

:

  wer kann das Blatt ohne Baum denken? der Widerstand des Windes ahmt doch nur die Äste nach (Abgeschnittensein)   *** Baumzyklen, Gedichte von Sophie Reyer, KUNO 2024 Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie…

HEILUNG

      bekamen kranke pulver aus knochen von toten sahen blinde wieder liefen lahme auf ihren beinen bewegte sie die hoffnung der unsichtbare arzt verließ die seele am ende den körper durch narben unterm herzen der totenuhr in der…

Sonette – XXII

  Ihr meine Lippen wollt euch stumm erzeigen Und ungeheilt verharschen? o der Wunde Die nie mehr purpurn wie zur Schwertesstunde Sich öffnet lasset denn ins Schwert mich steigen   Will Klage ohne Maß aus meinem Munde Sich nicht mehr…

Geöffnete Briefe

    Alles schon einmal gesagt und besser. Interjektionen Metaphern vorgezogen, Enzyklopädien aus dem Rätoromanischen. Langweilig, das meiste davon in Vokabeln. Der Anteil an Schuld, der uns zustand, ist aufgebraucht: wir haben ihn versetzt in Istanbul gegen die letzte Schale…

Verendlichkeiten und so

  Diese Gedichte wirken unmittelbar! Die Bilder treffen in Herz und Seele. Es sind Existenzgedichte – schimmernd unter dünner Haut, so ähnlich heißt es in einem ihrer früheren Gedichte. Der Titel dieses Buchs verrät im Doppelspiel der Worte: Wir leben…

Lichtskalpell

  unter dem Schirm der Wimpern reflektieren sich elektrische Schatten die aktionistische Fotoplatte wird zu einem Seelenschreiber Erinnerungsbilder brennen sich mit wohlbedachter Unaufgeregtheit in das Innenleben ein & spiegeln sich als ontologisches Rætsel in die Welt zurueck   Stern– &…

Der Nervenschwache

  Mit einer Stirn, die Traum und Angst zerfraßen, Mit einem Körper, der verzweifelt hängt An einem Seile, das ein Teufel schwenkt, – So läuft er durch die langen Großstadtstraßen.   Verschweinte Kerle, die die Straße kehren, Verkohlen ihn; schon…

Er sucht Sie – eine Kontaktanzeige in Versen

  Ich habe freilich ein Geschlecht und Alter, auch manchmal Knie sowie auch manchmal Rücken. Als ewigtreuer Nachlassgutverwalter versteh’ ich Menschenherzen zu beglücken.   Mit vielen Leidenschaften kann ich prahlen. Besonders liebe ich das Schlangestehen, das stille Malen nach geraden…

An das Ideal

Wen liebt ich so wie dich, geliebter Schatten! Ich zog dich an mich, in mich – und seitdem ward ich beinah zum Schatten, du zum Leibe. Nur daß mein Auge unbelehrbar ist, gewöhnt, die Dinge außer sich zu sehen: Ihm…

Ein doppelsinniges Gewächs

Wahrheiten stürzen aus der Deckung, knirschen im hellen Haus wächst blinder Schnee. Nur die zaudernden Träumer mähen ihre Worte, hüten Gräser, denen ich trauen mag. Jane Wels Obwohl ihre Blätter fast nur aus Zwischenräumen bestehen, kann die Lupine dank feiner…

Dem Barbaren

  Deine rauhen Blutstropfen Süßen auf meiner Haut.   Nenne meine Augen nicht Verräterinnen, Da sie deine Himmel umschweben;   Ich lehne lächelnd an deiner Nacht Und lehre deine Sterne spielen.   Und trete singend durch das rostige Tor Deiner…

Über den Dichter

  Ein Mal, in einem schönen Gleichnis, ward mir das Verhältnis des Dichters im Bestehenden, sein »Sinn« vorgehalten. Das war auf der großen Segelbarke, mit der wir von der Insel Philae nach den ausgedehnten Stau-Anlagen hinüberfuhren. Es ging zuerst den…

Der Welt Lauf

Eine Legende nach Hans Sachs. Der Herr und Petrus oft, in ihrer Liebe beide, Begegneten im Streite sich, Wenn von der Menschen Heil die Rede war; Und dieser nannte zwar die Gnade Gottes groß, Doch wär‘ er Herr der Welt,…

Versuch ein Gedicht zu verstehen

– und doch. (von Katrin Stange)   wohin glauben lippen brocken fetzen zu oft zur karte verkannt barrikaden / pupillen mit sand nachgezeichnet puppenregen: wir löffeln steine die sie vor/geben in tagen die nie mehr anbrechen in die niemand einbrechen darf…

Stau

Weiterführend → Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Michael Gratz mit einem Geleit zum Band  tEXt bILd.

Herzzerreißende Lyrik

Von Schurken gebissen, war ich „der grosse Einsame unter den Dichtern Chiles“, ich, verwundeter Krieger, schleife eines Proleten zerrissenes Herz mit mir und den epischen Entschluss, niemals zu unterliegen. Die ersten vier Zeilen des Sonetts aus dem Gedichtband von Pablo…

Sprache, ein Virus aus dem Weltall

Sprachen lernen ist ein physisches Vergnügen. Worte sind irgendwie persönlich und verblüffend. Jorge Luis Borges Wir betrachten auf KUNO in 2024 „Lyrics“ als eine Form der Poesie. Die Lyra ist eine antike Harfe, ein Symbol für die Lied- oder Dichtkunst,…

UND LOTS WEIB SPRACH

  Geh fort, der nichts sein eigen nennt, auch liebe nicht. Dein schritt, mein lieber Lot, scharrt Sodoms himmel tot. Hast Du Dich nie gesehn? hast Du denn kein gesicht? Lots weib hat einen grund, sich umzublicken, Lot!   Ich…

Ein Diskursdestillat

  „agerkrokodil“ lautet der klingende Name des Debuts von Julia Steinbichler. Ein klingender Titel, der neugierig macht – und dabei auch noch mehr als hält, was er verspricht! Denn die 1992 in Vöcklabruck geborene Jungautorin versteht es, jenseits gängiger formaler…

Recht/Schreib\Reform

nach DIN 2005 – dokumentenecht   bei einer Frage der Effizienz muessen Worte auf Dinge passen   Dinge existieren unabhængig von ihrer Benennung   Begriffe kleben nicht etikettengleich an den Dingen   ohne Metaphern kœnnen wir sie nicht sehen &…

White Cube

  Die Obsession nach Exponaten in weissen Räumen die akkurate Wahrnehmung nach innen sich weitend. Ambivalente Konstrukte tragen Namen sprengen Dimensionen auf Materialien hinweisend. Die Ikonisierung findet auf einem Sockel statt hinter einer Vitrine die Erwartung mich zu öffnen verbindend.…

Interpretationen 10 – Ozymandias

  Ozymandias ist der Titel eines Gedichts von Percy Bysshe Shelley aus dem Jahr 1817. Der titelgebende Name Ozymandias ist die von Diodor gräzisierte Version des Thronnamens „User-maat-Re“ des altägyptischen Pharaos Ramses II. In dem Sonett geht es um die…

Rätsel

  ein Blick eine Geste ein Händedruck der Zettel unleserlich die getrocknete Rose in einem Buch ein Duft eine Stimme & ein Ort ohne Namen     *** Fragen im Schlepptau, Gedichte von Ines Hagemeyer. Ludwigsburg: Pop Verlag 2021 Weiterführend…

SUMPF

  stand still das wasser am kanal  floß es schmutzig nicht ab  vermehrten sich darin die keime  befielen sie darm und magen  kamen krankheiten wie eroberer erschien ein kopfloser geist kündigte er fluten an mißernten  krieg und tod ehe zugeschüttet…