O. T.

  Unsichtbargefallen bist du lange schon unsichtbar mit allen im gebrüllkokon   Möge dich nicht stören was da draußen spinnt mögest du sie hören die dir leise sind   Das geräusch skalieren das gelingt dir schon Sing! Die töne frieren…

VERFOLGUNGSBILDER

  damals der kleine junge im mausgrauen mantel darauf der gelbe judenstern seine augen weit aufgerissen vor den gewehrmündungen vor den schwarzen stiefeln vor den starren gesichtern der uniformierten männer mit den stahlhelmen   jahrzehnte später das kleine nackte mädchen…

ABGESANG

auf den neonklavieren der etagenflure zerklingen die moccatassen die missionen sind die mondsiechen gesichte morgens wenn wir die finger ins fleisch zerhackter erdbeeren tauchen und milch darüber gießen tiefgekühlt um zu erwachen unterwandern wir die vertempelten bunker beflecken wir die…

WUT

  Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung…

Der Alltagsheld

    Ein Seufzer bricht noch aus den schwachen Lungen: Die Augen brechen nach dem letzten Zug. Ein Mahnen folgt dem steten Vogelflug, Ein Leben hat sich gänzlich ausgewrungen.   Es bleiben Worte und Erinnerungen. Der, der da ging, war…

Wetterbericht

  Die Sprache im Eimer, Das System durcheinander, Der Kopf spielt verrückt, Ich bin krank, In Innereien Und Aussenreihen Bis auf Blut & Niere, Die Augen trocken, Die Synapsen flirren, Viren im Computerhirn, Die Stirn in Falten Wie eine vom…

NICHTS

  Werte Freunde des Gedichts, leider geht es hier um nichts. Kein Geheimnis, keine Klagen – das Gedicht hat nichts zu sagen. Ohne Tiefgang, öde, leer, glatte Verse ringsumher. So etwas ist kein Gedicht. Lesen Sie es lieber nicht.  …

Der Henker

  Ich kugle Dich auf Deiner roten Decke. Ich bin am Werk: blank wie ein Metzgermeister. Tische und Bänke stehen wie blitzende Messer der Syphiliszwerg stochert in Töpfen voll Gallert und Kleister.   Dein Leib ist gekrümmt und blendend und…

MENSCH SEIN

    Trotz allem Mensch sein. Mensch bei allem bleiben und seinen Menschen nicht verkümmern lassen, wenn selbst die Sterne schon in Dunst verblassen, geängstigt von dem Spuk, den Menschen treiben.   Mensch sein heißt nicht duldsam verweiben. Mensch sein…

Eintagstag

  Dieser Tag zeigt deine wunde Zeit. Oh, dieser Tag da mit gestutzten Blicken Verliert sein Fluchtgedächtnis. Dein umgekippter, tiefgestürzter, grad noch fürs Fremderinnern, Tag: Als Rettungsinsel eine dünne Haut auf stehendem Gewässer. Du Tag besitzt mich wie ein Schmerz…

Nicht sicher

  Er wird es hinnehmen, so wie er fast immer alles hingenommen hat. Er hat es hingenommen, dass die Welt ihm verändert wurde und nicht er sie entwickelt hat, hingenommen, dass sie ihn nur noch ansah, nicht mehr anfasste. Er…

Abrasion

  Knopfsemmeltage in Frankfurt – Die Wolken die wehenden Locken der unaufhaltsamen Stadt aus Eisen Und Glas vibrieren am Abend   Fernab das Rauschen der Züge – wie Gemacht um hier fortzukommen Aber auch um einzukehrn hier: zwischen Bordellen und…

Macht der Gewehre

  Um Amerika wirklich die Meinung zu sagen brauchst du eine massive Schreibmaschine Kraft & Stärke & übermenschliche Energie, die dir Rückhalt geben Du bist bereits erschöpft und planst deine Flucht (in dieses Gedicht) Ohne Worte bist du ganz schön…

Turntable-Studio an der Ruhr

Tom Täger und A.J. Weigoni kommt das Verdienst zu, die Lyrik nach 400 Jahren babylonischer Gefangenschaft aus dem Buch befreit zu haben. lyrikwelt.de Als Tom Täger 1989 im Tonstudio an der Ruhr Helge Schneiders erste Schallplatte Seine größten Erfolge produzierte,…

Die zwei Gesellen

  Es zogen zwei rüst’ge Gesellen Zum erstenmal von Haus, So jubelnd recht in die hellen, Klingenden, singenden Wellen Des vollen Frühlings hinaus. Die strebten nach hohen Dingen, Die wollten, trotz Lust und Schmerz, Was Rechts in der Welt vollbringen,…

Auf grünem Rasen

Frühsonne geht im Blauen, wie eine goldne Fee, Will über die Schultern der Bäume schauen. Die Schmetterlinge jagen sich über Baum und Klee, Und Wolken lassen sich tragen Hin über die blauen Gassen, Wie Damen in seidenen Wagen. Du und…

BALLADE FÜR ENZO

    Er wurd in den Abbruzzen groß Sein vater schlug ihn glatt Er riß sich von der kate los und ging den krummen pfad Im dorf ner messerstecherei entkam er  riß zur küste aus Die fischer hielten grad ihm…

Abschlußgedanken

  Nun, da alles klar zu sein scheint – es ist nicht anscheinend klar – das Kommen und Gehen und das Verweilen in seinen stummen Zwischenräumen; nun da alles Beschwerliche rutscht, durch die Geschwindigkeit heraneilender Klärungen; nun, da sich das…

Poesie, ein Kulturgut

  Was auf Anhieb verführt und besticht, ist die Spreche: Melodie, Rhythmus, weiter Atem. Diese Poesie hat etwas Körperliches, man sieht es daran wie das Wort als Lautabfolge von Zunge und Lippen geformt wird und seinerseits das Gesicht dessen zeichnet,…

Bahnhofszeit

  Die Abfahrtszeiten tagen vor der Ankunft. Unter dem Neon, Gift dem Vergessen, steh ich zu früh, um wach zu bleiben. Jetzt etwas essen! Mich passieren Blicke, aneinander lehnende Lichter, wessen Züge so vieler Gesichter, die schrieben zuletzt die Bahnen…

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  deine Flügel bin ich bin dein Fliegen siegessicher das Leben nicht mehr in begreifliche Teile zerlegen: ehrlich       *** Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie der Frage…

ECHT ÖSTERREICHISCH

    da hitla hod eich vagessn schrien wie verrückt die lodentrachtweiberln vom gehsteigrand her bei unserer demonstration damals gegen den borodajkewycz der sich in seinen uni-vorlesungen lachend und feixend damit brüstete ein nazi gewesen zu sein na und sagte…

Über allen Gipfeln

    Ueber allen Gipfeln Ist Ruh‘, In allen Wipfeln Spürest Du Kaum einen Hauch; Die Vögelein schweigen im Walde. Warte nur! Balde Ruhest du auch.         „Über allen Gipfeln“ schrieb Goethe wahrscheinlich am Abend des 6.…

VORFRÜHLING

  Es läuft der Frühlingswind Durch kahle Alleen, Seltsame Dinge sind In seinem Wehn.   Er hat sich gewiegt, Wo Weinen war, Und hat sich geschmiegt In zerrüttetes Haar. Er schüttelte nieder Akazienblüten Und kühlte die Glieder, Die atmend glühten.…

An Zimmern

  Die Linien des Lebens sind verschieden, Wie Wege sind, und wie der Berge Grenzen. Was hier wir sind, kann dort ein Gott ergänzen Mit Harmonien und ewigem Lohn und Frieden.       *** Weiterführend → Ulrich Bergmann hat das…

Lettrismus · Revisited

Die lettristische Autonomie der Buchstaben, Zeichen und Laute führte auf dem Gebiet der Literatur zu Klanggedichten, zu einer pictoprose, nämlich einer Verbindung von Schrift und Bild nach Art eines Rebus, zu hypergraphischen Romanen, die verschiedene Schriftsysteme miteinander verschmelzen, und ähnlichen…

OptomegaPhon

  willig wildwuchernde ZARTlichkeiten & erredigierte Nackenhaare Beschwœrungsformeln ans Du   ruecke næher an : meine transparente Aussenhuelle   der 1zige Wider stand ist = unsere Reibung     *** Letternmusik, Gedichte von A.J. Weigoni, zuerst erschienen beim Rospo-Verlag, Hamburg,…

Englischsprachige Lyrik

Vorbemerkung der Redaktion: Die Lyrik ist eine der frühen literarischen Formen. Wenn auch die frühesten überlieferten lyrischen Texte nicht als Gedichte im heutigen Sinne verstanden wurden – das Vorkommen von Reim bzw. Alliteration, einer Metrik oder eines sprachlichen Rhythmus genügt, in…

Über die Poesie

Nein, das ist zu arg! Erst Sauerkraut und dann 15 Seiten aus Jean Paul. Das halte aus, wer will! Goethe über Jean Paul Göthens Karakter ist fürchterlich: das Genie ohne Tugend muß dahin kommen. Jean Paul über Goethe Man kann…

Mondblick

  An meine Augen spannt der Schein. Das Schläfern glimmt in deine Kammer Gelbt hoch hinauf Und Schwület mich! Matt Bleicht das Bett Und Streift die Hüllen Stülpt frech das Hemd Verfröstelt Auf den Mond. Jetzt Leuchtest du Du Leuchtest…

update

  im märz schließen wir den winter mit der steckdose kurz fahren die sonne hoch melden wärme an ihr passwort ist „mai“ dann sitzen wir am schirm vor dem café laden blicke herunter die kniekehlchen singen     *** Weiterführend…

Pansmusik

  Ein Floß schwimmt aus dem fernen Himmelsrande, Drauf tönt es dünn und blass Wie eine alte süße Sarabande. Das Auge wird mir nass. Es ist, wie wenn den weiten Horizonten Die Seele übergeht, Der Himmel auf den Ebnen, den…

PLANTAGE

  zögernd tasten meine füße ohne treppe also falle im wogen des grases rinnen silbern die säfte hervor unterm flutenden licht entblößt sich was fällt saugen wespen die substanz aus der fäulnis der körper spür ich das chaos der gase…

Rheinfahrt

    Wie kühn auch andre Quellen sprudeln, brausen, Wo sonst die Dichter schöne Weihe tranken, Den Kunstberg stets anklimmend ohne Wanken, Bis wo die ewig heitern Götter hausen;   Ich wähle dich, o Rhein, der du mit Sausen Hinwogst…

Madonna aus dem Hause Tempi

  O Mutter! Deren Arm ein All umspannt! So süß entzückt, mit schüchternem Begreifen, So zitternd trägt ihr Blümlein deine Hand Und wagt es kaum, den zarten Schmelz zu streifen.   Ein goldnes Schlüss’lein, das dein Herz erschließt, Ein lebend…

Strippen

  Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung…