Credo

  Ich habe keine die Welt erlösenden Pläne. Ich will niemand vorm immergewesenen Tod retten wollen. Lieber noch stelle ich mich zur Menge der speienden Krüppel. Ich mache mir nichts vor: Das Wort bleibt ohne Verstand. Die Zunge beschmutzt und…

Das zerbrochene Ringlein

  In einem kühlen Grunde Da geht ein Mühlenrad Mein’ Liebste ist verschwunden, Die dort gewohnet hat. Sie hat mir Treu versprochen, Gab mir ein’n Ring dabei, Sie hat die Treu’ gebrochen, Mein Ringlein sprang entzwei. Ich möcht’ als Spielmann reisen Weit…

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  Zustand   Aus Vorhang und bleiben gedreht der Tag: wie eine Katze hingeklebt ans Fenster hinterm Balkon         *** Vor zehn Jahren erschien: Wortspielhalle, eine Sprechpartitur von Sophie Reyer & A.J. Weigoni, mit Inventionen von Peter…

Die Frage

  Die Frage / wie man leben soll / wenn man seine Todesursache bereits kennt / möchte ich beantworten / Man muss sich neu erfinden     *** Mit seiner micropoetry gelingt es Denis Ullrich eine übernutzte Sprache zu entkernen.…

Der Dirty Old Man der US-Literatur

Eine weitere Erinnerung an die „Dirty Speech“-Bewegung in der BRD, die 1969 mit der Rolf Dieter Brinkmanns „Acid“ zu verorten ist. Es war eine Anthologie amerikanischer Beatliteratur, gesammelt und damit den Versuch eröffnend, auch in der deutschen Dichtung die bürgerliche…

Ein Gesang wider den Neid

  HAtt zwar die Mißgunst tausendt Zungen / Und mehr dan tausend ausgestreckt / Und kompt mit macht auf mich gedrungen / So werd ich dennoch nicht erschreckt ; Wer Gott vertrawt in allen dingen / Wirdt Weldt / wird…

Frauenstimmen aus Georgien

  Dreißig Gedichte aus der Feder von zwölf georgischen Lyrikerinnen, herausgegeben und aus der Originalsprache übertragen von zwei in der Bundesrepublik lebenden georgischen Literaturwissenschaftlerinnen, nachgedichtet von der aus Bremen stammenden Dichterin und Übersetzerin Sabine Schiffner. Es ist ein gemeinsames georgisch-deutsches…

Weltverstændigungssysteme

  Uebergangszone ins Imaginære somnambul durch die Interzone wandeln… der Traum = Hueter des Schlafes   zuegellose Utopie der Kœrper auf einer Gratwanderung zwischen Vernunft & Metaphysik   mit analytischer Emphatie & taktiler Wahrnehmung die Parallelpræsenz des Sinnlichen erkunden  …

Was ich will

  Ich will ein Kompendium meiner Welt-Anschauung schreiben, und da ich die Welt bin, ein Kompendium meiner selbst: Als Theater, als Spiel mit der Welt, also mit mir. Und doch stehe ich auch in einem Leben, das ich nicht bin,…

Todraum Rest

  Sanfte Landungen nach Jahrzehnten unbesiedel- barer Atome Beschleunigung auf Ironisch Und wenn ein Mensch ein Ziel hat ist er stärker Ein immer neuer Gagarin     Weiterführend → Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz…

Auf Reisen

    Los ging’s, und bald war’s Auch schön – die ganze Welt lag Mir zu den Füßen.   —-   Vor dem Ararat ging so- Eben das Licht auf – mein Blick Voller Sehnsucht schob Die Wolkenbank, um die…

SONG FÜR ALICE

  dein mund so verlebt deine haut wie sahel deine falschgeldorgasmen zu spitz und zu schnell deine bongs und dein aber-papà-du deine videopower dein Montereygrab deine starschnittwand auf die keiner was gab dein gemüt wie der schwanz eines sadhu nein…

Über das lyrische Werk von A.J. Weigoni

Ein Gedicht entsteht überhaupt sehr selten – ein Gedicht wird gemacht. Gottfried Benn dichtung lebt nicht allein von plötzlicher inspiration, sondern ebenso durch kontinuierliche arbeit. in seinem essay VerDichtung – Über das Verfertigen von Poesie läßt weigoni, der betont, daß…

RIESENGRAB

    tötete ein junge der sonst schafe hütet ohne waffen einen riesen übergab man den hünen  der erde im goldenen sarg kamen viele  zum begräbnis die sich freuten über sein ende  streute niemand kalk in die gruft stieg er…

Von zirpenden Menschen und dichtenden Tieren

  Zoon poietikon– so nennt sich der neue, eben im Sisyphus-Verlag erschienene Band der besonderen Dichterin und alljährlichen Herausgeberin des österreichischen Lyrik-Jahrbuchs Alexandra Bernhardt. Dass sie sich mit dem Altgriechischen auskennt (wie der Titel beweist), ist aber längst noch nicht…

Im Zwischenraum der Wœrter

  mit Wortfindungsstœrungen aufzeigen was die Silben im Sprachsprudel sagen = sie zum Sprechen bringen & Aussagen ueber die Wirklichkeit an den nicht sagbaren Kern der Subjekte rueckbinden topografische Zeichen werden zu Motivkernen   Huellen ohne Herzschlag flanieren vom vag…

Gebrauchslyrik? Aber nicht so!

  Das Chanson, wie es vom Montmartre zu uns heruntergekommen ist, war ein Feuer, an dem der Bohemien sich den Rücken wärmte, jederzeit bereit, einen Scheit zu ergreifen und ihn als Brandfackel in die Palais zu schleudern. Weil aber der…

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  Utopie   Die Pferde gehen aufrecht die Blumen haben Augen und wir wachsen aus Wasser: Wurzelhände             *** Vor zehn Jahren erschien: Wortspielhalle, eine Sprechpartitur von Sophie Reyer & A.J. Weigoni, mit Inventionen von…

Lügen die

Weiterführend → Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung…

Sonette – XIV

  Ich bin im Bunde mit der alten Nacht Und wurde alt von ihr nicht unterschieden Hat Traurigkeit im Herzen ohne Frieden Die Herdstatt ihrer Schatten angefacht   Was so entfernte Not zu Einer macht Die sonnenlose irdische hienieden Und…

BALLADE FÜR NEAPEL

  Kennst du sie wieder Ginetto schau dir das paßfoto an Ihr letztes wort: maledetto Gott du verfaulst in St Gian In staubigen spielen als jungen alles lernten sie was sterben heißt   was: gedungen und wann man da rauskommt: nie…

Lied der Rosetta

    O meine müden Füße, ihr müßt tanzen, In bunten Schuhen, Und möchtet lieber tief Im Boden ruhen.   O meine heißen Wangen, ihr müßt glühn, In milden Kosen, Und möchtet lieber blühn- Zwei weiße Rosen.   O meine…

Weltenwechsel

  spielerische Vielfalt / suggestives Vakuum Leerstellen des Schweigens im Seelengefængnis ausloten = Interpassivitæt als poetisches Momentum… wo der Resonanzraum sich zunehmend belebt kommt man rueckbefluegelt in den Echoraum   vertieft in abgekapselte Ræume Archæologe der Fernnæhe werden hinab ins Vielsagend–Ungewisse…

Abenddämmerung

  Am blassen Meeresstrande Saß ich gedankenbekümmert und einsam. Die Sonne neigte sich tiefer, und warf Glührothe Streifen auf das Wasser, Und die weißen, weiten Wellen, Von der Fluth gedrängt, Schäumten und rauschten näher und näher – Ein seltsam Geräusch,…

Über neue Formen der Lyrik

Eine kurze Einleitung über Sandkörner und Wüsten   „Die Wüste wächst[!]“ Das gilt auch für die einst so fruchtige und üppige Landschaft der Lyrik. „[W]eh dem, der Wüsten birgt [!]“ (Nietzsche, KSA 6, S. 382). So mahnte einst der Philosoph…

Abendlied

  Der Mond ist aufgegangen Die goldnen Sternlein prangen Am Himmel hell und klar: Der Wald steht schwarz und schweiget, Und aus den Wiesen steiget Der weiße Nebel wunderbar. Wie ist die Welt so stille, Und in der Dämmrung Hülle…

Es tröpfelt

  Es tröpfelt der Regen vorm Fenster. Man sieht sich darin nicht genau. Im Spiegel stehn Schattengespenster, Das Innen wie Außen sind – grau.   Der Mann fährt sich durch seine Haare. Er kühlt sich am Fenster die Stirn. Das…

Kritik und Postulat

Eine weitere Erinnerung an die „Dirty Speech“-Bewegung in der BRD, die 1969 mit der Rolf Dieter Brinkmanns „Acid“ zu verorten ist. Es war eine Anthologie amerikanischer Beatliteratur, gesammelt und damit den Versuch eröffnend, auch in der deutschen Dichtung die bürgerliche…

Rezept

  Sie nehmen ein Gedicht, kurz oder lang, engagiert oder nicht, tranchieren es langsam und mit Bedacht, geben dabei auf die Füllung acht. Lassen danach das zerlegte Gedicht so lange schmoren, bis es zischt; denn es kommt bei Gedichten darauf…

Ich räume auf!

Meine Anklage gegen meine Verleger Ich habe mich entschlossen, ohne Rücksicht auf meine noch ungedruckten Manuskripte, aufzuräumen. Einer von uns Dichtern muß seinen Ehrgeiz opfern, auf seine Sehnsucht verzichten, den Nachklang seiner Schöpfung zu erleben, ihr ins Antlitz zu blicken.…

liebe in den lüften

  2017 waren von julia kulewatz, die in erfurt und berlin lebt, phantasievolle kurzgeschichten unterm titel »Vom lustvollen Seufzen des Sudankäfers« und 2019 »Jenseits BlassBlau« erschienen, in denen man traumundmärchenhafte zwischenwelten findet, die auch abgründiges enthalten. novalis schrieb: »Das Denken…

Neunzig werden

Eine Erinnerung Der Distelfink pickt in der Wiesen­flocken­blume, die Wachol­der­drossel fliegt in den Bergahorn, der Haus­rot­schwanz hüpft durchs Gras, und die Amsel sitzt, wie jeden Tag, auf der Stromleitung und singt gegen die in der Ferne lärmende Motor­säge an. Ich…

BILD 3. Niemandsland Atlas

  Vor den Augen: die ausgebreitete, nicht beschriftete Karte der Welt. Keine scheckig bunte politische Aufteilung, keine farbigen Reliefunterschiede. Keine Grenzen, keine Namen. Größere und kleinere weiße Flecken. Sie berühren sich, laufen ineinander und wieder auseinander. Die Konturen erinnern an…

Der Abend

  Es liegt schon in den Zweigen der Schnee so weiß und kalt. Die Sonne will sich neigen, und dunkler wird’s im Wald. Nun lenken die Feen den Sonnenuntergang. Sanfte Winde wehen. Der Tag ist nicht mehr lang. Wo sich…

die alten songs

  und wieder: ich ging raus die kalte straße ein stück wegs runter atemschwaden wie zigarettenrauch leicht fröstelnd an den zaunpfahl gelehnt gedämpfte soundspuren durch den äther und mir fällt ein wie hucky über die mülltonne gebeugt zu mir sagt:…

Sein

  Wo du eben hingesunken da liegst du wie ein Stein denn heute bist du zu betrunken von Bier und Schnaps und trocknem Wein Du wirst keiner Bett mehr teilen das ist den schönen Frauen klar du wirst vor Ort,…

Zur Auszeit

  Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung…

Vitamin-B-Mangel

    Wie viele meiner Gedichte zuletzt doch wieder abgelehnt worden sind von den Verlegern, den Redakteuren und den Juroren. (Und wie viele meiner Gedichte sich noch nicht einmal für eine Absage „qualifiziert“ haben …) Früher hätte ich gesagt, dass…