Der Tag ist futsch. Der Himmel ist ersoffen. Wie falsche Perlen hängen kleine Stumpen zerhackten Lichts umher. Und machen offen ein wenig Straße, ein paar Häuserklumpen. Verfault ist alles sonst. Und aufgefressen von schwarzem Nebel, der wie eine…
Maria Mondmilch war das einzige Kind des Kunsthistorikers Doktor Maximilian Mondmilch und der schönen Frau Marga Mondmilch. Frau Mondmilch soll früher Wassermädchen in dem Kaffeehaus gewesen sein, in welchem Herr Mondmilch – der damals Student war – Tee trank…
by Alfred Lichtenstein • • Kommentare deaktiviert für Der Selbstmord des Zöglings Müller
Ein Herr Ludwig Lenzlicht war Erzieher und Hauslehrer in einer Anstalt für psychopathische Kinder. Er wurde immer »Herr Kandidat« gerufen. Er war bartlos wie ein Schauspieler, auch sprach er so. Meist trug er eine strenge scharfe Maske auf dem…
I Lisel Liblichlein war aus der Provinz in die Stadt gekommen, weil sie Schauspielerin werden wollte. Zu Haus empfand sie alles spießig, eng, verblödend. Die Herren waren dumm. Der Himmel, das Küssen, die Freundinnen, die Sonntagnachmittage wurden unerträglich. Am liebsten…
Die wüsten Straßen fließen lichterloh durch den erloschnen Kopf. Und tun mir weh. Ich fühle deutlich, daß ich bald vergeh – Dornrosen meines Fleisches, stecht nicht so. Die Nacht verschimmelt. Giftlaternenschein hat, kriechend, sie mit grünem Dreck…
Ein dicker Junge spielt mit einem Teich. Der Wind hat sich in einem Baum gefangen. Der Himmel sieht verbummelt aus und bleich, Als wäre ihm die Schminke ausgegangen. Auf lange Krücken schief herabgebückt Und schwatzend kriechen auf dem…
by Alfred Lichtenstein • • Kommentare deaktiviert für Die Tiere (Schauspiel)
Grundgedanke: Heilige Sehnsucht aus dem tierischen Triebleben zur seelischen Reinheit. Je größer der Dreck, desto heftiger die Sehnsucht. Aber vergebens: die Sehnsüchtigen gehen im Dreck unter. Nur der Bürger, der sich über nichts schwere Gedanken macht und nichts tief…
Ich gieße meine Augen in meiner Hände Grab. „Er ist nun abseits, wie alle, die Wesentliches zu sagen haben, (…) während geschickte Mittelmässigkeit in bunter Kulissenbeleuchtung paradiert. (…) Aber er wird, wenn alle glänzenden Augenblickspropheten (…)…
Der einzige Trost ist: traurig sein. Wenn die Traurigkeit in Verzweiflung ausartet, soll man grotesk werden. Man soll spaßeshalber weiter leben. Soll versuchen, in der Erkenntnis, dass das Dasein aus lauter brutalen, hundsgemeinen Scherzen besteht, Erhebung zu finden. …
by Alfred Lichtenstein • • Kommentare deaktiviert für NACHMITTAG, FELDER UND FABRIK
Ich kann die Augen nicht mehr unterbringen. Ich kann die Knochen nicht zusammenhalten. Das Herz ist stier. Kopf muß zerspringen. Rings weiche Masse. Nichts will sich gestalten. Die Zunge bricht mir. Und das Maul verbiegt sich. In…
Ein weißer Vogel ist der große Himmel. Hart unter ihn geduckt stiert eine Stadt. Die Häuser sind halbtote alte Leute. Griesgrämig glotzt ein dünner Droschkenschimmel. Und Winde, magre Hunde, rennen matt. An scharfen Ecken quietschen ihre Häute.…
I Als ich im Coupé saß, sagte der Herr gegenüber: „Ihnen kann man die Beine nicht abtreten.“ Ich sagte: „Wieso.“ Der Herr sagte: „Sie haben keine Beine.“ Ich sagte: „Merkt man das.“ Der Herr sagte: „Natürlich.“ Ich nahm meine Beine…
Im Windbrand steht die Welt. Die Städte knistern. Halloh, der Sturm, der grosse Sturm ist da. Ein kleines Mädchen fliegt von den Geschwistern. Ein junges Auto flieht nach Ithaka. Ein Weg hat seine Richtung ganz verloren. Die Sterne…
Der Himmel ist wie eine blaue Qualle. Und rings sind Felder, grüne Wiesenhügel – Friedliche Welt, du große Mausefalle, entkäm ich endlich dir .. O hätt ich Flügel – Man würfelt. Säuft. Man schwatzt von Zukunftsstaaten. Ein…
by Kuno Kloetzer • • Kommentare deaktiviert für Eine kleine Geschichte der deutschsprachigen Lyrik
Vorbemerkung der Redaktion: Die Lyrik ist eine der frühen literarischen Formen. Wenn auch die frühesten überlieferten lyrischen Texte nicht als Gedichte im heutigen Sinne verstanden wurden – das Vorkommen von Reim bzw. Alliteration, einer Metrik oder eines sprachlichen Rhythmus genügt,…
Ein jeder ist ein Teil vom Schicksal andrer, Die vor ihm waren und die um ihn gehen, Die auch nur einmal, eilge Weiterwandrer, Den Weg ihm kreuzend, flüchtig bei ihm stehen. Sie kommen, kommen ohne Zweck und Sinn,…