Schlagwort: Karl Feldkamp

friedenstraum

  wo die klimaanlage am kaufhauseingang noch wärme abstrahlt singt sie zur gitarre peace and endless love und schaut fordernd auf die münzen vor ihren füßen   zuhörerinnen die augen geschlossen schwingen hilflos mit bis der kaufhaussicherheitsdienst sie vertreiben will…

Lyrisch aufgetischt

  Manfred Enzenspergers „tisch gedichte“ sind, um im Kulinarischen zu verbleiben, zu einem Menue wohl gewürzter lyrischer Wortgerichte einer literarischen Sternenküche zusammengestellt. Ihr pikanter Geschmack erschließt sich allerdings in der Regel erst nach mehrfachem Genuss. Während in seinem – in…

Vier Asse auf der Hand

A.J. Weigoni ist ein genialer Decouvreur von Alltagsmythen, ein Demonteur von Sprache auf hohem Niveau. Wolfgang Schlott Eigentlich sind Zombies lebende Tote. Vertieft sich allerdings der Leser in den Kurzgeschichtenband „Zombies“ von Andrascz Jaromir Weigoni, glaubt er sich eher von…

untiefen

  blieb wohl oder übel im gedankentreibsand stecken zwischen staubsauger und biotonne erschlägt eine zeitungszeile das nichts zum nächsten überlebenstraining warten hinter verregnetem fensterglas grau-schwarz lindengerippe auf den anflug flüchtender krähen des nachbars satellitenschüssel saugt bewegte bilder aus südost und…

Twitteratur – die Kunst der Verkürzung

Der Traum des Kritikers ist es, eine Kunst durch ihre Technik zu definieren. (Roland Barthes) Am 21. März 2006 verschickte Jack Dorsey den erste „Tweet“ mit dem Inhalt „just setting up my twttr.“. Dies erinnert die KUNO-Redaktion an das erste…

Der Karthograph des Rheinlands

Heimat ist Vertrautheit. Ist ein mitgegebener oder aufgesuchter Bezugsraum. Etwas, das man sich vormacht oder etwas Vorgemachtes. Ein wie auch immer energetisches Zentrum für Exkursionen und Wiederkünfte, Fluchten und Bewahrungsbestrebungen. Heimat schafft Mentalität, sei es mittels Adaption oder mittels Abwehr.…

Über die Prosa von A.J. Weigoni

A.J. Weigoni ist ein genialer Decouvreur von Alltagsmythen, ein Demonteur von Sprache auf hohem Niveau. Wolfgang Schlott Eigentlich sind Zombies lebende Tote. Vertieft sich allerdings der Leser in den Kurzgeschichtenband „Zombies“ von Andrascz Jaromir Weigoni, glaubt er sich eher von…

Zehn nachhallende Jahre

Vorbemerkung: Im Rahmen der Publikation des lyrischen Gesamtwerks des Sprechstellers A.J. Weigoni blickt Karl Feldkamp auf den Mittelteil der Trilogie Letternmusik, Schmauchspuren – eine Todeslitanei, Dichterloh – Kompositum in vier Akten zurück: Der Ton macht bekanntlich die Musik, auch wenn…

vertiefen

  auf holperigen gegensätzen wanke ich im halbdunkel suche schmerzhafte verluste finde nichts als tanzeinlagen für orthopädischen schuhe   der bananenmond entspannt sich in seinem wolkenkorb und zecken suchen auch nur nach wärme   mächtige lassen wie immer hochstapeln und…

niederschlagende argumente

da lauern sie gemütlich eingepfercht in schwarz-weißem fachwerk noch glauben sie an gott aber nicht mehr an seine wunder schneeregen steht schräg vor geputzten doppelscheiben sturm heult strophe für strophe ein uraltes drohlied für alle die draußen glück suchen wollen…

Schwerkraftübungen

Ernsthaftigkeit und Lächerlichkeit all jener Beschwerden zu ertragen, die Ruheständler erleiden, könnte – muss aber nicht – zur Altersweisheit führen. Alles, was ich anfasse, anzufassen versuche oder nicht einmal berühren will, fällt unweigerlich zu Boden. Und das vor allem, wenn…

Heimsuchung

Selbstverständlich wird dem Begriff Heimsuchung allgemein eine andere Bedeutung zugedacht. Dennoch trifft er in gewisser Hinsicht auch – jedoch nicht nur als leidvoll zu ertragendes Schicksal – auf den Inhalt von Saskia Lukas Roman „Tag für Tag“ zu. Maria, die…

Geträumtes aus anderen Realitäten

  Unserer kapitalistisch, digital durchorganisierten Gesellschaft gehen bekanntlich die Utopien und Träumer aus. Vor allem solche, die sich auch in die angeblich wirtschaftswissenschaftliche und gesellschaftliche Öffentlichkeit trauen.   Gisela Becker-Berens traut sich mit ihren anderen Träumen offenbar überall hin. Lieber…

gefangenschaften

sie haben die freiheit eingekreist mit polizisten und ordnungskräften die wortbrüche sind geschient und wasserwerfer warten auf baldige zuwiderhandlungen feiernde sind gut bezahlt und sündenböcke können ohnehin kaum einer sünde widerstehen lautlos spielen straßenmusiker in unsichtbaren käfigen melodische protestlieder nur…

Twitteratur

  Die Menschheit lebt in einem Käfig voller Narren, von denen jeder glaubt, nicht darin gefangen zu sein.       *** Anmerkung der der Redaktion: Gerne verweisen wir in diesem Zusammenhang noch einmal auf den Vorruhestandswahn, von Karl Feldkamp. Lesen Sie…

streckenposten

  sie haben die freiheit eingekreist mit polizisten und ordnungskräften die wortbrüche sind geschient und wasserwerfer warten auf baldige zuwiderhandlungen   feiernde sind gut bezahlt und sündenböcke können ohnehin kaum einer sünde widerstehen lautlos spielen straßenmusiker in unsichtbaren käfigen melodische…

Flussschiffahrt mit Mord und Geschichtskunde

Die Donau ist sicherlich der europäische Schicksalsfluss. Besonders natürlich für einen slowakischen Schriftsteller und dessen Herkunftsland. Immerhin wuchs er an diesem Fluss auf und lebte viele Jahre an seinem Ufer. Michal Hvorecky, geboren in Bratislava, besaß jedenfalls den Mut, mit…

unbewohnbar ?

    deuten will ich deut sche suche nach liebenswerten finde schon wieder überall zu viele alte und junge krieger   landen möchte ich in deutsch land kreise über geordneten rechtecken vermisse machtlose anarchisten und begegne überüberzeugten oberlehrern   besserwisser…

lebenswertewandel

    auf den wendeltreppen der elfenbeintürme steigen intellektuelle notlügen zu harmlosen schadstoffen auf in geringen mengen produziert unterhalb der gefährdung menschlichen glücks warten händler und wirtschaftsweise auf höhere gewinnspanner   bei rosinenbrot und pokerspielen schwingen im politzirkus direktoren ihre…

Heimatroman der tiefsinnigeren Art

Im rheinischen Brauhaus ist die Utopie der klassenlosen Gesellschaft zur Realität geworden. Wer A.J. Weigoni uneingeschränkt Glauben schenken möchte, wird bei der Lektüre von seinem Roman Lokalhelden vorschnell annehmen, der wahre Rheinländer habe keine Heimat und sein eigentliches Zuhause sei…

Lesen, eine aussterbende Kulturtechnik

Der moderne Flaneur sitzt vor dem Bildschirm. Ihn schlägt nicht weniger als die Welt in ihren Bann. Bilder und Wörter halten ihn gefangen… Wie Goethes dichterisches Ich schlendert der Flaneur im Internet ’so für sich hin‘ und lässt die Gedanken,…

wortraub

    eine landplage sind sie diese überbewerteten großmaulhelden   ihre heimlichen stichwortgeber saugen kunsthonig aus deren stilblüten   hirnwaschmittel reinigen mit loyalitätsvernunft behindernde denkarbeiten   mir fehlen die worte   *** Anmerkung der der Redaktion: Gerne verweisen wir in diesem…

vorhersagen

    wie gewöhnlich wartet meine erinnerung nicht ab obwohl das wetter zwischen hellen wolken blicke ins blaue gewährt bleibt vor meiner verschlossenen tür ein vergessener scharfschütze stehen um meine freiheit zu verteidigen zwei trickdiebe versuchen sich als jehovas zeugen…

veranlagungen

  bin unruhen heimlich hinterher geschlichen von schlichten bedeutungslosigkeiten stringent verfolgt kreisen über mir unbemannte raubvögel in februarstürmen ziehen wolkenschiffe über horizonte fliehen vorwitzig gedankenbrüche in kriegsgebiete nostalgischer logiker nichts ist nicht mehr nichts und dennoch bleiben reste von amtlich…

binnen kon jung tour

  schon wieder habe ich mich bei kriminellen tauschgeschäften erwischt handele verdeckt mit herzenangelegenheiten und magenverstimmung und suche noch jüngere mitarbeiterinnen für die werbeabteilung   mit seniorentellern bin ich nicht ganz so schnell abzuspeisen nur im binnenbereich zeigen sich erste…

raumlose menge

  noch bleibt das niemandsland unaufgespürt meine augenblicke suchen nur bekannte augen fremdenführer bestreiken die rechtgläubigen   nehme mal wieder schweigend zur kenntnis flüchtige ausländer die anderen und mich in hohlräumen wispert das echo normal  bekannter   allgemeine leere lässt…

Liebe sinnlich ideologisch

Jede Liebesgeschichte ist eine potenzielle Leidensgeschichte. Wenn nicht gleich, dann später. Wenn nicht für den einen, dann für den anderen. Manchmal auch für beide.  Julian Barnes An Liebesgeschichten versuchen und versuchten sich Romanciers immer und immer wieder, denn bekanntermaßen bleibt…

zu häusig

    liebe sie viel zu sehr diese ausgesessenen sessel als schild trage ich marken macken masken vor mir her sehe sachlich erschossene und gefangene in der tagesschau entrüstet gebe ich mich und suche nach intelligentesten ausreden schlucke kopfschmerztabletten  gegen…

friedensangebot

    im abendprogramm haben sie mir die freiheit erschossen plötzlich und dennoch erwartet werden sie wiederkommen mit ihren kalaschnikows und ihren deutschen sturmgewehren   meine weiße fahne werden sie nicht sehen denn ihrem humorlosen gott erlauben sie keine gnade…

Twitteratur, ein vorläufiges Resüme

Verlagsblogs sind das neue Ding: Nahe an den Autoren und den Käufer im Blick. Die ambivalente Haltung gegenüber den neuen Medien ist dabei allerdings unüberlesbar. Erläutert Martin Ebel im Züricher Tages-Anzeiger einen neuen Trend und beschreibt damit den fortschreitenden Bedeutungsverlust…

Twitteratur VI

  Begegnet dir plötzlich ein Unbekannter, könntest du dir gerade selbst im Wege stehen.   *** Anmerkung der der Redaktion: Gerne verweisen wir in diesem Zusammenhang noch einmal auf den Vorruhestandswahn, von Karl Feldkamp. Lesen Sie auch seine glossierende Anmerkung über Twitteratur: Kurz…

Twitteratur V

  Menschenwürde wird heute gern mit Kreditwürdigkeit verwechselt. *** Anmerkung der der Redaktion: Gerne verweisen wir in diesem Zusammenhang noch einmal auf den Vorruhestandswahn, von Karl Feldkamp. Lesen Sie auch seine glossierende Anmerkung über Twitteratur: Kurz knackig einfühlsam.

Twitteratur IV

  Manche halten sich schon für altersweise, obwohl sie nur altklug geblieben sind.   *** Anmerkung der der Redaktion: Gerne verweisen wir in diesem Zusammenhang noch einmal auf den Vorruhestandswahn, von Karl Feldkamp. Lesen Sie auch seine glossierende Anmerkung über Twitteratur: Kurz knackig…

Twitteratur I

Erfahrungen sind keine Dogmen für die Zukunft sondern zumeist Irrtümer der Vergangenheit.     *** Anmerkung der der Redaktion: Gerne verweisen wir in diesem Zusammenhang auf den Vorruhestandswahn, von Karl Feldkamp. Lesen Sie auch seine glossierende Anmerkung über Twitteratur: Kurz knackig einfühlsam.

Kurz knackig einfühlsam

Es ist wie immer: Da sind natürlich wieder jene gewissen Litertatur-Liebhaber, die keine anderen neben sich dulden, sowie Deutschlehrer, die ihr literarisches Reinheitsgebots beschwören. Genau sie befürchten angesicht des hoch zu verehrenden Gesamtwerks der deutschen Dichterfürsten Goethe und Schiller sowie…

Eine weitere lyrische Landvermessung

Bei dem eher unlyrischen Buchtitel „eingeschneite hunde“ könnte der unvoreingenommene potentielle Leser zunächst meinen, Manfred Enzensperger habe seinen Gedichtband für Wintersport- und Tierfreunde geschrieben. Angenommen, alle Worte, Silben und Buchstaben in diesem Lyrikband wären literarische Schneeflocken, so könnte der suchende…

vorvergänge

  nichts vergeht allmählicher und unruhig macht der zeitgeist mit reichen gespenstern seine geschäfte politclowns spielen gegen horrende gagen vergessene vaterlandsdramen barbusig protestieren frauenrechtlerinnen banken zahlen kunden keine eintrittskarten für agenten und spione suchen präsidenten neue gefahren     ***…

„Alles klappt in ihrem Leben. Doch nichts glückt.“

Kapitalismus bleibt übrig, wenn Rituale oder elaborierte Symbolwelten kollabiert sind und nur noch der Zuschauer–Konsument durch die Ruinen und Relikte wandert. Mark Fisher Weigonis Novellenbuch endet mit: … übrigens gibts ein Leben nach der Kunst, vielleicht ist es das bessere.…

Planungssicherheit

Da sehnt sich der gewöhnliche Arbeitnehmer viele Arbeitsjahre lang nach der großen Freiheit. Wunsch- und Traum-Projekte, die er bisher aufschob, da ihm die Gelegenheiten fehlten, sollten mit Rentenbeginn endlich Realität werden. Besonders in den letzten Berufsjahren keimte die Hoffnung, ab…

Schöne neue befriedete Welt

Praktizierter Sex in der Öffentlichkeit wird, wenn Alf Rolla in seinem Roman die Zukunft richtig deutete, in wenigen Jahrzehnten keinen Tabubruch mehr darstellen. Er – und seine Romanfiguren – nennen es klinken. Und alle tun es überall dort, wo sich…

Idylle mit Bruch

  Schon im Titel seines neuen (insgesamt dritten) Lyrikbandes verdeutlicht Günter Helmig, was er mit seiner Lyrik beabsichtigt. 1941 mitten in den Krieg hineingeboren und auch in den Jahren danach durch harte Realitäten geprägt, hat der Autor es offensichtlich gelernt,…

apokalypse now or never

   bin katastrophil gefangen im angst netz beginnen bereits kopf press wehen gebären gedanken komplikationen gegen spontane lach geburten begebe ich mich schon mal auf seelenwanderung   denn gestern ging die welt unter und ich war wieder nicht dabei  …

Vorruhestandswahn

Alles, was vor der ewigen Ruhe kommt, verdient  noch die Bezeichnung Vorruhestand. Besonders jene Lebensjahre kurz nach dem Renten- oder Pensionseintritt. Wer denkt da nicht sogleich an Ernest Hemingways Meister-Erzählung Der alte Mann und das Meer? Dieses Alt-Werden wird von…

Tote Lebende • Revisited

Der Begriff Zombie leitet sich von dem Wort nzùmbe aus der in Nord-Angola beheimateten Bantusprache Kimbundu ab. Er bezeichnete dort ursprünglich einen Totengeist, eine Bedeutung, die das im Kreolischen gebräuchliche Wort zonbi (gesprochen zombi) in Haiti noch besitzt. Eigentlich sind…

Zwischen Ideologie und Liebe

Landflucht ist zurzeit nicht nur in Deutschland in. Viele streben in die Städte. Der Arbeit, des abwechselnden Kulturangebots wegen, und um in städtischer Anonymität der sozialen Kontrolle auf dem Land zu entgehen. Aber auch dörfliche Langeweile und der Wunsch nach Abenteuer…

Lyrische Landvermessung

Die amtlichen Bekanntmachungen für August 2010 auf der Homepage der Stadt Boppard beginnen mit „Änderung des Bebauungsplanes „Casinostraße / Herrenstücke““ und der „Meldung der Wein- und Traubenmostbestände“. Sicherlich wäre es für den Lyriker Manfred Enzensperger ein Leichtes, jene Mitteilungen in…

Alte an die Macht

Mancher meiner in die Jahre gekommenen Altersgenossen glaubt nur deswegen in unerträglichen Zeiten zu leben, weil er sich und seine Hilf- und Tatenlosigkeit kaum ertragen kann. Bekanntlich ist es einfacher, eigenes Missbefinden – wie etwa Einsamkeit –. von sich weg…

regel gerächt

  mit friedensangeboten handeln sie die unzerstört offenbar zu kostspielig in bereits vergebenen revieren warten   rechts freiheit im krisengebiet verspricht geschäftserfolge bei vernichtung der konkurrenten   nach gefallenen und zivilopfern rohstoffen und gebietseinnahmen bemessen sich ihre blutigen siege  …

kein unmensch

er kam vollkommen harmlos daher der frühjahrsregen längst genug für pfützen um darin unmenschen widerzuspiegeln sie lieben mozart und haben für ihr alter eine wunderschöne handschrift in ihren charakterköpfen bleiben ihnen nur verborgen dass sie viel zu verbergen haben  …

verbannt

geh halt los zwischen himmel erde hölle durch arm mut gehemmt schämen haft bar wieder unerreicht uneindeutig hinter masken ist immer auch vor der maske verlegen gelacht hast du im peinlicht mit durch gedrehter schreckschraube ohne mutter ein fall tiefe…

Twitteratur III

  Ein echter Rechthaber hält selbst die Meinung seines Echos für unhaltbar.       *** Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur. Lesen Sie auch seine glossierende Anmerkung über Twitteratur: Kurz knackig einfühlsam.

gut menschlich

augustsonne versucht haut kontakte locken unter dünne stoffe auf gebleichten morallisten sammeln wieder ihre apostel pluspunkte für gutmenschen büßer reiben ihre glatten blassen gesichter an öffentlichen klagemauern stehen sie nicken und geifern anstand macht ihren wahnsinn zum stolz nicht einmal…

Twitteratur II

  Wahre Schönheit kommt von innen. Leider setzt sie sich oft nicht nach außen durch.     *** Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur. Lesen Sie auch seine glossierende Anmerkung über Twitteratur: Kurz knackig einfühlsam.

Lesekanon und Literatur um 2009

  Die deutsche Literatur ist tot. Totgefördert, totgescriptet, totgequatscht, totproduziert, totunterrichtet, totgelehrt, totkritisiert, totgeschrieben, totbetreut, sie hat sich totgefeiert, totgelacht, totgegrübelt, und sie ist total unerotisch.     *** Twitterature. The World’s Greatest Books Retold Through Twitter von Alexander Aciman…

Twitteratur, die Denkgenauigkeit der Spätmoderne

Mit der Schneckenpost setzte sich der Briefroman durch. Mit dem Photokopierer konnte jeder Nonkonformist zum Verleger werden. Mit dem Microbloggingdienst kam die 140-Zeichen-Twitteratur. Literarisch befasst sich KUNO seit 1989 mit der Unerforschlichkeit des Subjekts, mit der Abgründigkeit des Ichs, mit…

Dumme und weniger dumme Sprüche

  Die Menschheit lebt in einem Käfig voller Narren, von denen jeder glaubt, nicht darin gefangen zu sein.       Anmerkung der der Redaktion: Gerne verweisen wir in diesem Zusammenhang noch einmal auf den Vorruhestandswahn, von Karl Feldkamp. Lesen Sie…

Krisenbewältigung auf Kulturpolitisch

  SchuldenKrisen (wie unsere derzeitige irgendwie noch immer nicht beendete) gefährden einmal mehr die kommunale Kunst- und Kulturförderung. Öffnungszeiten und Programme örtlicher Kunstgalerien und Büchereien werden eingeschränkt, manche „Kulturtempel“ werden gar geschlossen. Viele Programme werden vorwiegend von Ehrenamtlern bewältigt. Und…

?

    Wer sich nicht selbst in Frage stellt, verpasst die besten Antworten.     *** Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur. Lesen Sie auch seine glossierende Anmerkung über Twitteratur: Kurz knackig einfühlsam.

Twitteratur

Zum Welttag der Poesie präsentiert KUNO eine neue Form für ein Erzählen in Zeiten flüchtiger Kommunikation. Am 21. März 2006 verschickte Jack Dorsey den erste „Tweet“ mit dem Inhalt „just setting up my twttr.“. Drei Jahre später erscheint die Textsammlung:…

rheinschifffahrt

rosa wolkenschiffe über großsanktmartin der rhein verließ mal wieder sein bett kölnischwasser in der altstadt ne pappnas schwimmt stromabwärts am dom der plattenpianist intoniert beethovenostermann schmitz feilscht mit weidengassenkeubstraßenslang die millionenkleinstadt schmuddelt lüstern weiter heinrich böll raucht noch immer gegen…

ja, wer sind wir denn?

von erdachten göttern erschaffen verwandte selbst delphine lächeln über diese arroganten sozialwesen hintergehen artgenossen verbündet gegen feinde fremdenangst im starren blick vorbei an innenleere werben maulhelden für sich   wissenschaftliche wachstumsfanatiker  allen mahnern zum trotz flüchten künstler in fantasiewelten und träume  …

Miniaturen I-III

Abstrakte Sprache ist Leistung der Kultur, konkrete Sprache des Erlebens. Herr Nipp Die Miniatur bezeichnet als Gattung in der Literatur ganz allgemein einen sehr kurzen Text, und wird – undifferenziert und je nach thematischem Zusammenhang – als Synonym für Begriffe…

abflug

schwebe fühle ins nichts taste nach bäumen händen und feuchtem gras vielleicht auch nach der göttin die immer nur anders und deswegen gott ist aber das all streckt mir wieder keinen arm entgegen *** Weiterführend → Gerne verweisen wir in…

wahr schein licht

  und hätten wir die lüge nicht wäre das gebot der liebe eine einzig wahre ungestimmte geige am grauen operettenhimmel im schein werfer licht tropfte warm herzschmerzschmalz herab in unser selig glücksverlangen   und hätten wir die wahrheit nicht wäre…

unschuldsvermutung

  so wirr wollte ich es gar nichtaber unter den zeilen atmete es einund darüber lauter auf   wahrheiten bewahrten vorflüchtenden gedächtnisverlustenmücken tanzten zu zeitig im jahrund wilde bienen suchten bereitseinen versteckten unterschlupfim totholz der borkenkäferfichten   apfelbäume überließen blütenblätterdem…

spiel weise

  im schatten gezwielichtet tanzt ein gebräunter lüstling aufsteigende nebelschwaden lassen eine entblätterte blutbuche dem frühling entgegenhoffen   auf einer sandigen spielwiese schaukelt schuldlos zwischen birken eine löcherige hängematte ohne takt zeitlos im wind   und da ich zu suchen…

hinter lassen schafften

    immer wieder locken geheimnisse hinter zu flache horizonte lassen unsere ahnen ahnen was sie uns gegenwärtern in die zukünfte mitzugeben hatten welche verderben sie vererben mit worten die sich selbst erschöpfen bei labiler weisheit und allzu schwarzer magie…

meeressichtbar

  beim blick hinters fensterkreuz fehlen mir raum und echowellen verschämt schweigt der nachhall erblinden farben und letzte vorbilder meeresrauschen schluckt jedwede logik muschelhohl versucht herzklopfen dem rhythmus der gezeiten unaufgefordert folgen zu leisten sturmmöven segeln knapp über der gischt…

zwischenzeiten

  manchmal ist alles lauwarm mein schrei heiser die zunge belegt und der märzschnee noch grauer matsch   manchmal klopft mein herz dumpf gegen halbvolle lungenflügel und abenteuer finden ausschließlich im fernsehen statt   manchmal ist leidenschaft jugendsünde und vernunft…

eines unfriedlichen morgens in globalvillage

  nachtluft haucht noch träume über den dorfteich zwischen eichen ziehen spinner fäden und über ruinen spielt das wahre leben mit hungerkindern   am wendehammer warten genügend mangelhafte erkennen glück als bedauerlichen irrtum unerkannt lebt es im regenwald zwischen balzenden…

klang los

  mühsam verschieben die augen neue gefangene in die hirnzellen zur baldigen ausnüchterung warten verkappte realitäten nächtlicher bettgeschichten   irgendwo brüllt ein wächter sich heiser neuen mut zu hebt unsichtbar beide fäuste und wartet auf das echo   *** Weiterführend…

Integration light, bitte!

„Und? Wie heißt das Zauberwort?“ „Bitte!“ sagt lächelnd das brave deutsche Kind. “Integration!“ meint der Migrationsexperte in sozialen Diensten deutscher Kommunalverwaltungen. Und die figurbewusste junge Dame der Spaßgesellschaft bestellt lächelnd: „Cola, aber bitte light!“ Schreibwillige wie ich, die über Menschen…

heizöl

cool is kult das leben ein krimi der frühjahrswald atmet nebel aus und pulverdampf erotische filme fernsehquizmaster machn quote schade eigentlich mein kaktus vertrocknet habe afterscheef gewechselt eveline macht selbstverteidigung und gerda die hat sich ne harley gekauft bei aldi…

jene leichtigkeit

manchmal gehts ganz einfach die morgensonne trifft die herzschlagader ein mürrischer nachbar grüßt lächelnd und eine längst gegebene antwort findet ihre frage die nacht wiegt dich in wunschträumen die füße werden leichterselbst das unglück von gestern ist heute nur noch…

Gegen Ausländerfeindlichkeit

Maßnahmen zur Arterhaltung der Deutschen Zur Abwehr von Ausländerfeindlichkeit will das Bundesinnenministerium – so geben vermeintlich gut informierte Kreise vor zu wissen – ein Programm zur Arterhaltung der Deutschen auflegen. Bereits vor Jahren habe dazu eine Expertenkommission ihre umfangreiche Arbeit…

daily soap

haben Sie heute schon sollten Sie aber dreimal täglich mit lachen gurgeln unterm computertisch des experten häufen sich abgekaute fingernägel fragen Sie Ihren zahnarzt selbstbewusstseinserweiterung durch kukident nicht nur in der zweiten lebenshälfte schützen kondome den spieß des bürgers mühsam…

zwischen leitplanken

immer links auf der überholspur noch zweiunddreissig kilometer rechts hinten bleiben sie spiegelverkleinert auf der strecke mit stiernacken zeitlos kämpfen gewärmt mit roten kaschmir in der raststätte geht ein tasse zu bruch trotzdem zu viel kaffee getrunken ein träumer verlässt…

Wofür?

manchmal kotzt mich alles an schwanke zwischen selbstmord und mord den abteilungsleiter könnte ich wenn ich könnte oder die tussy die mir die vorfahrt nahm doch schwebt nur eine leichte feder schwungvoll über das weiße papier elstern lauern auf giebeln…

landstraßengedanken

der nächste schritt: noch immer sommerweg ausgefahrene wagenspuren und steine im schuh für ungewollte pausen asphalt birken sand die allee fließt vom horizont in vergangenheiten eine radfahrerin blond wie du nie konnte ich “komm” ohne “hau ab” rufen wind weht…

demo

  die wahl hatte ich blieb mir die qual ein kratzer auf panzerglas hinter drahtgepflecht vor dem grauen sommerhimmel eines verlorenen jahres   sinnloses sehnsuchte erklärungen doch gott hatte keine balken und das wasser keine engel nur lebenslust konnte gern…

heimat

nicht nur märzsonne zwischen regenwolken leb wohl als zynischer gruß schreie bleiben ohne schnelles echo nur schweigen antwortet prompt auf borneo oder wars java stirbt der letzte affe seiner seltenen art ratten fressen ihre jungen nichts menschlicheres ist ihnen fremd…

sentimental journey

täglich packt er jetzt vollmond und weltschmerz am regenbogen droht das übermorgen und gestern verhungerten tausende mit kindern die graue ohnmacht findet mich im klammen bett eines einsiedlers und des wüstlings der im schlaf mit den zähnen knirscht doch die…

zuschauer

stuhlreihen unbesetzt und doch thront das  phantom neben mir sitzt hilflos mein zweites ich blicke suchen geländer am abhang wäscht regen erbarmungslos höhlen ins weiche gestein irgendwo rotten sie sich immer aus nur kinder sterben noch mit staunenden augen noch…

zur untermiete

reizbardame liebt lichtgestalt mit lebens- und verhütungsmitteln erschöpfend behandelt und überwacht von zucht- und ordnungsbullen bei sternstunden an lostrommeln und computer zählen unzähligmal bis zwei haare rotgefärbt aus wut immer lässt der gardinenprediger die wahrheit in der mitte liegen für…

eines unnatürlichen todes

mit rückenwind breitgemacht und bergab fließt träge der alltag in die ebene die mündung vermischt ein und alles zurück und bergan gipfelstürmer japst nach dünnerer luft gegen deine und die natur idealer idiot übermensch selbstverlust ist das humanste sterben ***…

und primaten frage nicht

staunende lachen der starre weiß längst in erwägung zu ziehen kohlweißlingsflüge und heuschrecken wacholder und wüstenfortschritt in richtung weibmensch blähungsversuche betäuben erschrocken nur ein vergessener ketzer lächelt noch des weiteren wissend applaudiert dem zuschauer selbst ablenkend abgelenkt betäubt ohrenzeugen und…

krieg, der gebrauchswert und…

  da ist es geblieben die abenteuer weichen aus und zwischen räumen schwindet sandig zeit gestillte ruhe bläht die uhren treibt peitschend im sekundentakt lästige erwiderungen   diesmal lächelt er der heilige krieger des propheten stolz über erschossene feinde und…